Kommentar: Gleichung mit Charme
„Formelwald“ ist das richtige Stichwort, wenn es um die Beschreibung der pathophysiologischen Zusammenhänge in der Nephrologie geht. Dabei ist der Kerngedanke einfach: Bei Nierenerkrankungen nimmt die Zahl funktionstüchtiger Nephren und damit die Filtrationsleistung ab. Eigentlich müsste man also nur die Konzentration einer Substanz, die von der Niere filtriert wird, im Blut und im Urin bestimmen; dividiert man dann die im Urin ausgeschiedene Menge pro Zeiteinheit durch die Konzentration im Blut, so erhält man das Blutvolumen, das von dieser Substanz gereinigt wurde (die sog. Clearance). Das sind normalerweise über 100 l pro Tag (!) oder über 60 ml/min.
Das Problem liegt in der Wahl einer geeigneten Substanz sowie der reproduzierbaren Sammlung von Urin über einen längeren Zeitraum. Scheinbare Abhilfe schaffen Formeln, die allein aus der Kreatinin-Konzentration im Blut, garniert mit allerlei Hilfsgrößen wie Alter und Geschlecht, eine überschlägige Schätzung versuchen. Dies gelingt aber trotz der Vielfalt des Formelangebots nur sehr ungenügend, wie die nebenstehende Abbildung zeigt.
Und nun auch noch eine „Zweipunkt-Clearance-Formel“! Macht sie das Problem nicht noch größer? Die Antwort lautet erfreulicherweise Nein, denn durch die Bildung einer Differenz von zwei Clearance-Werten fallen diverse Variablen – wie etwa die Muskelmasse –, die das Einzelergebnis so ungenau machen, aus den Gleichungen heraus (weil sie ja im Untersuchungszeitraum konstant bleiben). Hierin liegt der Charme unseres Leitartikels über die „kinetische GFR“.