Wege zur standardisierten Liquordiagnostik
INSTAND-Ringversuch für Destruktions- und Demenzmarker
Demenzmarker im Liquor können schon Jahre bis Jahrzehnte vor Ausbruch der Krankheit wertvolle klinische Anhaltspunkte geben. Ringversuche zeigen allerdings, dass Methodik und Entscheidungsgrenzen einer Revision und Standardisierung bedürfen. INSTAND e. V. unterstützt eine entsprechende europäische Initiative.
Schlüsselwörter: M. Alzheimer, Demenzmarker, Liquordiagnostik, Ringversuch
Demenzsyndrome sind häufige gerontopsychiatrische Erkrankungen mit einer recht hohen Prävalenz von 6 bis 8% für die mittelschweren und schweren Formen. Man unterscheidet primäre Ursachen, bei denen direkt das Gehirn erkrankt, von sekundären, beispielsweise toxischen Auslösern oder peripheren Systemerkrankungen, die sich auf das Gehirn auswirken.
Die Unterscheidung zwischen reversiblen und irreversiblen kognitiven Defiziten hat hohe klinische Relevanz. So kann es beispielsweise schwierig sein, rein klinisch zwischen kognitiven Einschränkungen bei einer Depression im Alter (depressive Pseudodemenz) und den Frühstadien einer Alzheimer-Demenz (AD) zu unterscheiden.
Demenzmarker
In all diesen Fällen kann die liquorbasierte neurochemische Demenzdiagnostik wichtige Hinweise geben. Klinisch ausreichend validierte Liquormarker der Alzheimer-Demenz sind Beta-Amyloid 1–42 (Aβ 1–42), Gesamt-Tau und Phospho-Tau 181. Die kombinierte Auswertung dieser Biomarker im Sinne eines diagnostischen Musters ist der Bestimmung von Einzelmarkern deutlich überlegen. Für eine Alzheimer-Demenz sprechen erniedrigtes Aβ 1–42 sowie erhöhtes Gesamt-Tau und Phospho-Tau. Dabei können für die Differenzierung der AD gegenüber einer heterogenen Gesamtgruppe anderer Erkrankungen Sensitivitäten und Spezifitäten von 80 bis 90% erreicht werden. Nach neueren Erkenntnissen ist der Aβ-Quotient (1–42/1–40) der Messung von Aβ 1–42 alleine deutlich überlegen.
Prädiktiver Nutzen
Der zeitliche Verlauf dieser Biomarker ist zu beachten. Bereits 20 Jahre vor dem Auftreten von klinisch manifesten Demenzsymptomen der AD kann es beispielsweise zu einer selektiven Erniedrigung von Aβ 1–42 bezogen auf Aβ 1–40 kommen. Die Gesamt-Tau- und Phospho-Tauerhöhung im Liquor folgen Jahre später, jedoch ebenfalls noch vor der klinischen Manifestation.
Die frühe Abnahme von Aβ 1–42 ist mit der spezifischen molekularen Pathophysiologie der Alzheimer-Krankheit assoziiert, wogegen die Erhöhung von Gesamt-Tau und Phospho-Tau später einsetzt und die neuronale Zellschädigung (Destruktionsmarker) widerspiegelt. Auch eine rasch progrediente Neurodegeneration, etwa bei der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, kann zu extremer Erhöhung von Gesamt-Tau führen.
Ringversuche
INSTAND e. V. bietet zweimal im Jahr einen Ringversuch für Aβ 1–42, Gesamt-Tau und Phospho-Tau an. Ab 2018 wird das Programm durch den β-Amyloid Quotienten (1–42/1–40) ergänzt. Die Teilnehmer erhalten eine stabilisierte Liquorprobe und einen Fragebogen für Angaben über die Methodik und die von den Laboratorien verwendeten Entscheidungsgrenzen (Cut-off). Die Ergebnisse werden in verdichteter Form herstellerbezogen ausgewertet und in Kommentaren diskutiert. Die Teilnehmer erhalten Median, Variationskoeffizienten, Teilnehmerzahl und Bestehensquoten sowie eine Grafik mit den Ringversuchsergebnissen in Bezug zu den laborspezifischen Grenzwerten (Abb. 1).
Methodische Diskrepanzen
Kritisch zu sehen ist, dass zwischen den Messwerten und Entscheidungsgrenzen der einzelnen Labore keine Korrelation besteht. Laborspezifische Verfahrens- und Herstellerunterschiede gehen also nicht ausreichend in die Ermittlung der Cut-off-Werte der einzelnen Labore ein.
Darüber hinaus ist zu sagen, dass der präanalytische Einfluss – bei für alle Ringversuchsteilnehmer gleichem Probenmaterial – wegfällt.
Ebenfalls kritisch sehen wir die herstellerbezogenen Abweichungen der Messergebnisse untereinander. Dies liegt daran, dass die Messverfahren für diese Analyte bisher nicht standardisiert wurden. Vor allem die uneinheitliche Kalibration der Verfahren führt zu großen Unterschieden der Messergebnisse (Abb. 1).
Referenzwerte
Auch die Referenzintervalle, die „gesund“ von „krank“ unterscheiden sollen, sind mangels einheitlicher Kalibration nicht klar definiert. Es werden lediglich methodenabhängige Cut-off-Werte zur Beurteilung der Messergebnisse herangezogen. Die klinische Interpretation der Messergebnisse ist daher oftmals nicht eindeutig. Hier zeigt sich klar die Notwendigkeit einer Standardisierung und Rekalibrierung der Analyseverfahren für β-Amyloid – und zwar auf der Ebene der Richtigkeit unter Verwendung von Referenzmessverfahren und zertifizierten Referenzmaterialien als metrologischen Bezug.
Diese Standardisierung ist Aufgabe des europäischen Verbundprojekts EMPIR (Project No. 15HLT02 ReMiND, www.euramet.org/research-innovation/) unter wissenschaftlicher Leitung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB). INSTAND unterstützt dieses Projekt als wissenschaftlicher Partner mit der Zielsetzung, zukünftig über zuverlässigere labordiagnostische Werkzeuge für die Diagnostik bei M. Alzheimer zu verfügen.
Des Weiteren wäre zu klären, was die Cut-off-Werte letztendlich aussagen sollen: Sind sie von diagnostischer Relevanz für eine Erkrankung oder Hinweis auf eine β-Amyloid-Pathologie in den Gehirnen von vielleicht sogar noch nicht Erkrankten? Letzteres könnte für krankheitsmodifizierende Behandlungsansätze schon vor Erkrankungsausbruch von erheblicher Bedeutung sein.