Mit dem Ende der Urlaubssaison und der Wiederaufnahme des Schulbetriebs ist die Belastung der Corona-Testlabore erheblich angestiegen, und die bevorstehende kalte Jahreszeit lässt nichts Gutes ahnen, was die Zahl der Bestätigungs- und Ausschlussanalysen betrifft. Nach Pressemeldungen des ALM e. V. hat die Frequenz Anfang September die magische Zahl von einer Million PCR-Testungen pro Woche überschritten; das Limit der Leistungsfähigkeit sei damit erreicht, so der Verband. Die relativ langen Testzeiten führen häufig zu Staus bei der Bearbeitung und zu Verzögerungen bei der Befundmitteilung, und dies wiederum erschwert die Kontrolle des Infektionsgeschehens.
Zwar bleibt die PCR weiterhin der Goldstandard für den direkten Virusnachweis, doch die Forderung nach Alternativen wird lauter. Insbesondere Antigentests werden als mögliche Ergänzung der Nukleinsäureamplifikation diskutiert – und das nicht nur in Fachkreisen, sondern auch in der breiten Öffentlichkeit2. Im Folgenden fassen wir einige Gedanken aus unserer Leserschaft zu dieser brisanten Frage zusammen.
Fragliche Spezifität und Sensitivität
Ein denkbares Einsatzgebiet für Antigentests sind Massenuntersuchungen bei etwaigen Ausbrüchen. Hier könnte ein einfacher, dezentral durchführbarer Schnelltest relativ zuverlässig klären, ob eine Verbreitung von CoV-2 stattgefunden hat oder nicht – vorausgesetzt, die Spezifität liegt über 95 %. Wenn die Zahl der Untersuchten wie auch die Zahl der Infizierten (Prävalenz) hoch genug ist, stören ein paar falsch-positive Ergebnisse nicht.
Für aktuelle klinische Fragestellungen ist die PCR aufgrund ihrer höheren Spezifität und Sensitivität vorerst noch unverzichtbar. Ein falsch-positiver Antigentest, der eine Kaskade von eingreifenden Maßnahmen lostritt, ist im Krankenhaus ebenso problematisch wie ein negativer Antigentest, der sich nachträglich in der PCR-Kontrolle als positiv herausstellt. Während die Ct-Werte nur etwas höher ausfallen, wenn zum Beispiel wenig Material am Tupfer ist, wird der deutlich weniger sensitive Antigentest schlicht falsch-negativ.
Wir streben heute aber eher eine beschleunigte Nukleinsäureanalytik durch Vereinfachung der RNA-Extraktion und/oder isothermale Amplifikation an. Damit wird man nicht die Befundzeit von vollautomatisierten Antigentests erreichen, aber relevante Zeitgewinne von mehreren Stunden sind durchaus möglich.
Dr. med. Alexander von Meyer
München Klinik
Auch die PCR ist nicht perfekt
Wenn von „der PCR“ gesprochen wird, hört sich das oft so an, als sei dieses Verfahren perfekt – immer richtig positiv und (fast) immer richtig negativ (wenn die Präanalytik stimmt). Das einzige Problem sei die Geschwindigkeit. Das ist aber nach unseren Erfahrungen leider nicht so. Wir hatten im Laufe der ersten Pandemiewelle immer wieder diskrepante Ergebnisse, wenn wir einen Befund, der so gar nicht zur Klinik passen wollte, mit einem Vergleichstest kontrolliert haben. Das liegt u. a. daran, dass Tests, die das N-Gen mitbestimmen, Ct-Werte zwischen 35 und 40 liefern, die bei anderen Tests negativ sind. Bei hochgradig positiven Patienten spielen diese Feinheiten keine Rolle – und da sind in der Regel auch die Antigentests ausreichend sensitiv.
Prof. Dr. med. Rudolf Gruber
Barmherzige Brüder, Regensburg
Eigene Untersuchungsergebnisse
Prinzipiell sind auch wir gegenüber erregerspezifischen Antigentests aufgrund von Erfahrungen bei der Influenzatestung eher kritisch eingestellt. PCR-Reagenzien für SARS-CoV-2 sind aber derzeit nur begrenzt verfügbar, was die Abläufe im Krankenhaus negativ beeinflusst. Vor allem die Weiterverlegung aus der Notaufnahme im Universitätsklinikum Augsburg (einer der größten in Deutschland) ist an die rasche Verfügbarkeit eines negativen Ergebnisses gebunden. Dieser Engpass hat uns veranlasst, einen möglichen Einsatz von SARS-CoV-2-Antigentests auf verschiedenen Testsystemen im Labor unter standardisierten Bedingungen zu prüfen.
In die Evaluation wurden je zwei Verfahren mit visueller und maschineller Auswertung einbezogen. Ein einfacher Lateral-Flow-Assay erbrachte in zehn deutlich PCR-positiven Proben nur zwei positive Antigennachweise, ein weiterer lieferte gut 80 % positive Antigennachweise, aber die zum Teil schwachen Banden waren nur schwer auswertbar (variable subjektive Einschätzung). Bei maschineller Auswertung auf einem Laborstandardgerät ermittelten wir eine Sensitivität von etwa 90 %. Untersuchungen mit negativen Proben zur Bestimmung der Spezifität laufen noch; bislang waren unter knapp 1.000 Proben fünf Befunde falsch-positiv.
Auf Basis dieser ersten Erfahrungen erhalten derzeit Patienten nach Anamnese und klinischer Untersuchung einen immunfluorimetrischen AG-Test. Das Ergebnis liegt in 30 Minuten vor. Bei asymptomatischen Patienten ohne (Reise-) anamnestisches Risiko genügt ein negativer AG-Test für die Weiterverlegung aus der Aufnahme, bei allen anderen wird ein zweites negatives Ergebnis gefordert und zur Sicherheit aktuell meist auch eine PCR durchgeführt. Das Prozedere spart also keine PCR-Ressourcen, sondern nur Zeit ein.
Erste Auswertungen legen nahe, dass sich so der durch lange Wartezeiten in den Aufnahmestationen bedingte „Kollateralschaden“ vermindern lässt (Publikation in Vorbereitung).
Elisabeth Kling
Universitätsklinikum Augsburg