Immunologische Begleitdiagnostik: Zelluläre Tumortherapie
DOI: https://doi.org/10.47184/td.2021.02.01In der Therapie von Tumorerkrankungen werden seit einigen Jahren patienteneigene Zellen mit Erfolg eingesetzt. Aufgrund der hohen Dynamik in der Immunonkologie gibt es derzeit keine routinetauglichen Testkits und die Labore stehen bezüglich der Begleitdiagnostik vor großen Herausforderungen.
Schlüsselwörter: CAR-T-Zellen, CD19, Durchflusszytometrie
Immunologische Therapieansätze haben in den letzten Jahren wesentlich dazu beigetragen, die Prognose für Tumorpatienten in vielen Fällen deutlich zu verbessern. Die beiden Modalitäten immunologischer Therapien können dabei in Antikörper- und Zelltherapien unterschieden werden, wobei sich die Wirkung oftmals überlappt. Häufig werden sie mit den bisherigen Tumortherapien kombiniert und ergänzen die etablierten Protokolle mit Chemotherapie, Chirurgie und Strahlentherapie.
Zur Behandlung mit kleinen Molekülen und Antikörpern finden Sie in diesem Heft einen Beitrag von Stefan Holdenrieder und Alexander Baraniskin. Wir wollen uns in diesem Beitrag auf zellbasierte Therapien (adaptive Immuntherapien) konzentrieren. Diese beruhen auf der Gabe von modifizierten Zellen, um bei den erkrankten Patientinnen und Patienten eine effiziente Immunantwort gegen den bestehenden Tumor auszulösen. Wir lassen dabei an dieser Stelle außer Acht, dass genau genommen auch die meisten Antikörpertherapien über immunologische Effektorzellen auf Tumore einwirken und die ganze Gruppe der Checkpointinhibitoren darauf abzielt, die Zellen des Immunsystems wieder zu aktivieren. Eine Ausnahme stellen dagegen die Antikörpertherapien dar, deren Wirkung auf dem zielgerichteten Transport von zytotoxischen Komponenten beruht, beispielsweise von Toxinen und Radionukliden, die an die Antikörper kovalent gebunden werden [1, 2]. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle zudem die Transplantation hämatopoetischer Stammzellen erwähnt, die natürlich ihren festen Platz in der Therapie maligner und nicht maligner hämatologischer Erkrankungen hat.
CAR-T-Zellen
Die zellbasierten Krebstherapien haben in den letzten Jahren durch die Entwicklung und Zulassung von chimären Antigenrezeptor(CAR)-tragenden T-Zellen deutlich an Bedeutung gewonnen. Bei dieser Art der Therapie werden patienteneigene (autologe) T-Zellen ex vivo, also außerhalb des Körpers, genetisch so modifiziert, dass sie einen CAR auf ihrer Oberfläche exprimieren. Solche CARs entsprechen einkettigen Antikörpern (scFv), die genetisch mit einer Transmembrandomäne und funktionellen intrazellulären Domänen zu einem Rezeptor fusioniert wurden [3]. Nach der Infusion der generierten CAR-T-Zellen in den Patienten erkennen diese Zellen mit ihrem CAR das Zielantigen auf den Zielzellen. Über die intrazellulären Signaldomänen werden die Effektormechanismen der CAR-T-Zellen aktiviert und die Zerstörung der Zielzellen eingeleitet. Spezifische CAR-T-Zellen, die gegen das B-Zellantigen CD19 gerichtet sind, haben sehr gute Remissionen bei refraktären B-Zell-Leukämien und Lymphomen erzielt und werden zur Behandlung vieler schwerer Krebsarten weiterentwickelt [4, 5].
Die ersten Anti-CD19-CAR-T-Zellprodukte wie Tisagenlecleucel, Axicabtagene ciloleucel, Brexucabtagen autoleucel, Lisocabtagene maraleucel und Idecabtagene vicleucel sind bereits für die Therapie von refraktären B-Zell-Leukämien bzw. Lymphomen sowie von refraktären Multiplen Myelomen von der FDA bzw. der EMA zugelassen [6–9] und befinden sich in der klinischen Anwendung.
Die Herstellungsverfahren der CAR-T-Zellen sind standardisiert, aber gegenwärtig noch manuell und damit sehr aufwendig und teuer. Aufgrund der Verwendung von autologen Ausgangsmaterialien und der Vortherapie der Patienten weisen die in diesem Prozess verwendeten Zellen erhebliche patientenabhängige Unterschiede in der Zusammensetzung, dem T-Zell-Reifungsstatus und anderen noch nicht identifizierten Parametern mit potenziellem Einfluss auf die Effizienz und Persistenz des Produktes in vivo auf. Das Gebiet der CAR-Zellen ist sehr dynamisch, und neben den CAR-T-Zellen rücken auch andere Immunzellen immer mehr in den Fokus: zum Beispiel CAR-NK-Zellen [10] und neuerdings auch CAR-Makrophagen [11], die insbesondere bei der Bekämpfung von soliden Tumoren zum Einsatz kommen sollen.
Weitere therapeutische Zellprodukte
Durch die beeindruckenden Therapieerfolge der CAR-T-Zellen sind die anderen Strategien zur zellulären Immuntherapie bei Tumoren ein wenig aus dem Fokus geraten. Das ist allerdings aus unserer Sicht nicht gerechtfertigt, da die Möglichkeiten dieser Therapien bei Weitem noch nicht ausgeschöpft sind. Die Gabe von zytotoxischen T-Zellen oder NK-Zellen nach Ex-vivo-Expansion ist schon seit vielen Jahren Gegenstand der Forschung; in einzelnen Studien werden Erfolge beschrieben, allerdings ist die Literatur da nicht einheitlich [12–15]. Ähnlich verhält es sich bei Dendritischen Zellen, die ex vivo generiert und mit Tumorantigenen beladen werden. Auch die Verwendung von nicht pathogenen, aber immunogenen Viren für die Induktion einer stärkeren Anti-Tumor-Aktivität von ex vivo kultivierten Zellen soll hier erwähnt werden. In den meisten Fällen ist es gegenwärtig noch erforderlich, die therapeutischen Zellen vom Patienten selbst zu generieren [16]. In Abb. 1 zeigen wir eine schematische Übersicht der aktuell wichtigsten therapeutischen Zellprodukte.
Durchflusszytometrie
Bei der adaptiven Immuntherapie stellt die Durchflusszytometrie die Methode der Wahl zur Diagnose, Überwachung und zum Nachweis von Nebenwirkungen dar. Die Möglichkeiten, Zellen gezielt nachzuweisen und hinsichtlich ihrer Funktionalität und Differenzierung zu charakterisieren, werden stetig mehr. Die letzte Übersicht von Durchflusszytometern aus dem Jahr 2019 in Trillium Diagnostik [17] ist schon nicht mehr aktuell. Neue Geräte bieten erweiterte Möglichkeiten und zunehmend auch Automatisierungslösungen. Der erste Faktor, der uns heute neue diagnostische Möglichkeiten eröffnet, ist die deutliche Verbesserung von Durchflusszytometern und deren Software, was eine Multiparameter-Diagnostik mit zwölf und mehr Farben auch für Routinelabore ermöglicht. Zweitens verdichten sich unsere immunologischen Erkenntnisse dazu, für welche Parameter eine pathogenetische Relevanz naheliegt. Drittens gibt es auch außerhalb der Hämatologie/Onkologie eine Vielzahl neuer Therapien, die direkt oder indirekt das Immunsystem beeinflussen und für eine optimale Betreuung der Patienten beschrieben werden müssen. Für die meisten der dafür interessanten und relevanten Parameter gibt es jedoch keine routinetauglichen Testkits, da es aus unserer Sicht häufig einfach nicht möglich ist, ausreichend schnell zu reagieren. In der Regel werden in der Patientendiagnostik nur „Conformité Européenne“(CE)-gekennzeichnete In-vitro-Diagnostika (IVD) eingesetzt [18]. Aufgrund der hohen Dynamik der Immunonkologie, der großen Anzahl von Antikörpern, der erforderlichen Flexibilität bei der Zusammenstellung von Kombinationen und der unterschiedlichen Eigenschaften der verfügbaren Laborgeräte sind die diagnostischen Labore darauf angewiesen, eigene Tests zu entwickeln (laboratory developed test, LDT). Dies ist eine Herausforderung in der klinischen Praxis [19]. Für die Validierung geben neuere Publikationen Unterstützung [20]. Referenzintervalle sind oft nicht bekannt und müssen selbst ermittelt werden [21].
Zielsetzung
Wir folgen in unserem Labor den Anforderungen der internationalen Norm DIN EN ISO 15189:2012 [22]. Die verwendeten Untersuchungsverfahren werden entsprechend den Anforderungen des Annex I der IVD-R etabliert. Zytometrisch haben wir bei den Patienten drei wesentliche Ziele:
- Nachweis der therapeutisch eingesetzten Zellen und ihrer Funktionalität;
- Nachweis der Funktion des Immunsystems und von therapiebedingten Nebenwirkungen, und
- Nachweis von Tumorzellen und ihren Charakteristika.
Nachweis von Anti-CD19 (aCD19)-CAR-T-Zellen
Bei der aCD19-CAR-T-Zell-Therapie führen wir den Nachweis der CAR-T-Zellen zu unterschiedlichen Zeitpunkten durch. Dabei beinhaltet das CAR-Panel den CAR-Nachweis mithilfe eines Nachweisreagenz für den chimären Rezeptor und dem entsprechenden sekundären Antikörper sowie den Nachweis von CD45, CD3, CD4, CD8, CD16/56, CD38 und HLA-DR. Für die Analyse wird das EDTA-antikoagulierte Vollblut mit den Antikörpern inkubiert. Die Erythrozyten werden lysiert. Die verbleibenden Zellen werden gewaschen und resuspendiert. Zur Messung nutzen wir ein achtfarbiges Durchflusszytometer mit einem violetten 405 nm Laser, einem blauen 488 nm Laser und einem roten 647 nm Laser. In Abb. 2 ist eine typische Messung von aCD19-CAR-T-Zellen im peripheren Blut dargestellt, wobei nur der reine CAR-Nachweis auf den T-Zellen dargestellt ist.
Wichtig ist vor allem, dass die Messung ausreichend empfindlich ist und keine unspezifischen Bindungen auftreten. Dazu dient als Kontrolle auch die Analyse der T-Zellen des Patienten am Tag 0 vor der CAR-T-Zellinfusion. Dabei ist zu beachten, dass die Patienten in der Regel mehrere Tage vor der CAR-T-Zellapplikation eine konditionierende (lymphozytendepletierende) Chemotherapie erhalten, um ein optimales Umfeld für die Funktion der CAR-T-Zellen zu schaffen [23]. Dies kann bei den Analysen zu einer sehr geringen Zellanzahl führen, welche die Erhöhung des Blutvolumens für den Nachweis erforderlich machen kann.
Bei der aCD19-CAR-T-Zelltherapie führen wir parallel zu jedem Zeitpunkt der Analyse den Nachweis der CD19+-Zielzellen (B-Zellen) durch. In der Regel sind diese Zellen aber durch die initiale Lymphozytendepletion und nach Applikation der aCD19-CAR-T-Zellen in den ersten 4 Wochen nicht nachweisbar. Die drei grundlegenden Fragen, die bei der Analyse der Blutproben von Patienten mit einer aCD19-CAR-T-Zelltherapie beantwortet werden sollten, sind:
- Sind die CAR-T-Zellen vorhanden?
- Wie ist der Aktivierungszustand der T-Zellen/CAR-T-Zellen?
- Sind noch Zielzellen (CD19+-Zellen) im peripheren Blut nachweisbar?
Diese Analysen sollten je nach Fragestellung jedoch durch weitere Nachweise wie den allgemeinen und erweiterten Immunstatus, den Nachweis von T-Zellsubpopulationen, aber auch von anderen Markern wie Exhaustion-Markern auf zellulärer Ebene ergänzt werden.
Beurteilung des Immunsystems und der Nebenwirkungen
Der Nachweis der Veränderungen der Immunzellen dient vorwiegend der Aufgabe, die Konsequenzen der immunologischen Therapien auf das Immunsystem nachzuverfolgen und frühzeitig zu erkennen, ob sich Hinweise auf Risiken ergeben oder aber auch den Therapieerfolg zu überwachen. Insbesondere die frühe Erkennung eines drohenden Zytokinsturms (z. B. Cytokin-Release-Syndroms (CRS) und Makrophagenaktivierungssyndroms) bei der CAR-T-Zelltherapie hat unmittelbare klinische Relevanz. Die Ansätze zur Beschreibung der Immunzellen leiten sich aus der Immundefektdiagnostik ab. Nach dem oben bereits beschriebenen Protokoll bestimmen wir in diesem Zusammenhang die regulatorischen T-Zellen über die Färbung von CD25 und CD127, die T-Zelldifferenzierung über CD31, CD45RA, CD45RO und CD197, die Aktivierung der Monozyten über HLA-DR sowie den Checkpoint PD-1 auf T-Zellen in verschiedenen Panels.
Für die Erkennung eines Zytokinsturms ist die zelluläre Diagnostik natürlich zwingend auch durch die humorale Diagnostik zu ergänzen und zu erweitern.
Nachweis von Tumorzellen
Der Nachweis von Leukämien und Lymphomen war in dieser Zeitschrift bereits Inhalt mehrerer Artikel: Sowohl die rationale Stufendiagnostik als auch die Automatisierung in der Leukämiediagnostik wurden unlängst dargestellt [24, 25]. Noch nicht so gut etabliert, aber von steigender Relevanz ist der Nachweis von zirkulierenden Tumorzellen (CTC), oft in einem Atemzug mit der Liquid Biopsy genannt, dem Nachweis von Informationen zu soliden Tumoren aus dem peripheren Blut.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Vielfalt von Anforderungen an durchflusszytometrische Labore permanent wächst. Bei Verwendung anderer therapeutischer Zellpopulationen variieren die Fragestellungen in einem gewissen Maße, bleiben aber grundsätzlich sehr ähnlich. Für das Labor ist damit die ständige Notwendigkeit verbunden, eigene Testsysteme zu entwickeln und anzupassen.