„Die Studie ADAPT HR+/HER2– hat neben den klinischen Faktoren wie Tumorgröße und Lymphknotenbefall sowie den genomischen Risikofaktoren die frühe Hormonempfindlichkeit des Tumors als Faktor zur Bestimmung des Rezidivrisikos und damit zur Entscheidungsfindung für die weitere Therapie mit einbezogen“, erklärte PD Dr. Oleg Gluz, Mönchengladbach, bei einer Pressekonferenz der Westdeutschen Studiengruppe (WSG). ADAPT ist das zentrale Studienprogramm der WSG. Das Akronym steht für Adjuvant Dynamic marker-Adjusted Personalized Therapy trial optimizing risk assessment and therapy response prediction in early breast cancer.
Kombination aus Multigenanalyse und Testung des Ansprechens auf Kurzzeittherapie
Für die Studie ADAPT HR+/HER2 wurden 5.625 Patientinnen mit frühem HR-positivem Mammakarzinom rekrutiert, von denen letztlich 2.356 eine reine Antihormon- und 2.335 zusätzlich eine Chemotherapie zur Senkung des Rezidivrisikos erhielten. Nach Abschätzung der Prognose der Patientinnen anhand der klassischen klinischen und pathologischen Faktoren wurde an der Gewebeprobe neben demKi-67-Wert auch mithilfe des Genexpressionstests Oncotype DX® der Recurrence Score (RS) ermittelt. Frauen mit bis zu drei befallenen Lymphknoten und einem genomisch intermediären Risiko (RS 12–25) erhielten vor der Operation eine dreiwöchige Antihormontherapie. „Dann haben wir mit Ki-67 geschaut, ob die Zellteilung durch die Antihormontherapie ausreichend abfällt“, erklärte Gluz die erneute Bestimmung des Ki-67-Werts am OP-Präparat. War Ki-67 innerhalb der drei Wochen Therapie auf Werte unter 10 % gefallen, erhielt die Patientin als adjuvante Therapie nach der Operation nur noch eine antihormonelle Therapie. „Wir wussten dann verlässlich: Der Tumor ist ausreichend hormonempfindlich“, erläuterte Prof. Nadia Harbeck, München, die die Daten der Studie beim virtuellen SABCS 2020 vorgestellt hatte [1].
Hochrisikopatientinnen sowie Patientinnen mit einem RS 12–25, aber ohne Abfall des Proliferationswertes Ki-67 unter der antihormonellen Therapie, erhielten zusätzlich eine Chemotherapie. Frauen mit niedrigem Rezidivrisiko (RS 0–11) und Frauen, die zwar einen RS von 12–25, aber einen Ki-67-Abfall auf ≤ 10 % hatten, erhielten nur eine adjuvante antihormonelle Therapie.
Die von Harbeck vorgestellten Daten zeigten, dass sich das krankheitsfreie Überleben (iDFS), der primäre Endpunkt der Studie, zwischen diesen beiden Gruppen nicht unterschied. So betrug die 5-Jahres-iDFS-Rate bei den Frauen mit RS 0–11 und bei jenen mit RS 12–25 sowie Ansprechen auf die endokrine Therapie 93,9 % bzw. 92,6 %. Auch das fernmetastasenfreie Überleben (dDFS) und das Gesamtüberleben unterschieden sich nicht zwischen beiden Gruppen. Nur in der Subgruppe der Patientinnen mit drei befallenen Lymphknoten war das dDFS signifikant schlechter (75,9 %).
Praxisverändernde Daten
„Frauen mit bis zu drei befallenen Lymphknoten und einem RS von 0–11, aber auch Frauen mit 0–2 befallenen Lymphknoten mit höherem Rezidivrisiko, nämlich einem RS von 12–25, und außerdem einem durch Ki-67 nachgewiesenen Ansprechen auf die präoperative Kurzzeit- Antihormontherapie können unabhängig von ihrem Alter postoperativ nur mit einer endokrinen Therapie behandelt werden. Eine Chemotherapie kann bei ihnen sicher unterlassen werden“, fasste Harbeck die Erkenntnisse zusammen. Die Studie ADAPT HR+/HER2– ist Teil der Bemühungen der WSG, mit einer subgruppenspezifischen und individuell zugeschnittenen Behandlung möglichst vielen Frauen eine Chemotherapie zu ersparen. Allein in Deutschland könnte durch die Vorgehensweise der ADAPT-Studie, Ki-67 als dynamischen Tumormarker in die Risikoabschätzung miteinzubeziehen, jährlich 10.000–15.000 Frauen mit frühem HR+ Mammakarzinom eine Chemotherapie erspart werden, so Harbeck. „Alle Patientinnen der ADAPT-Studie waren potentiell Kandidatinnen für eine Chemotherapie. In der Not haben wir früher eine Übertherapie in Kauf genommen, um die Patientin sicher zu wissen – jetzt haben wir klare und praxisverändernde Daten“, so Prof. Ulrike Nitz, Mönchengladbach.
Neoadjuvante Chemotherapie mit nab-Paclitaxel ist überlegen
Die ADAPT-Studie hat ein modulares Design; unter ihrem sogenannten Umbrella-Protokoll sind verschiedene Sub-Studien angesiedelt. So verglich der neoadjuvante Teil der Studie dosisdicht verabreichtes Paclitaxel mit wöchentlich verabreichtem nab-Paclitaxel, beide Taxan-Varianten gefolgt von Epirubicin plus Cyclophosphamid. Von Prof. Sherko Kümmel, Essen, auf dem SABCS vorgestellte Daten zeigen eine deutlich erhöhte Rate an pathologischen Komplettremissionen (pCR) im Nab-Paclitaxel-Arm (20,8 %) gegenüber konventionellem Paclitaxel (12,9 %; p = 0,02) [2]. Frauen aus der Hochrisikogruppen mit einem RS > 25 profitierten besonders von dem nab-Paclitaxel-haltigen Regime. „Je höher der Recurrence Score, desto mehr Effekt hatte die Chemotherapie“, kommentierte Kümmel, der auch darauf verwies, dass nab-Paclitaxel für die Anwendung beim frühen Mammakarzinom nicht zugelassen ist. Die ADAPT-Studie ist die erste große prospektive Studie, die einen RS > 25 als prädiktiven Faktor für eine pCR bei Frauen bestätigt, die eine neoadjuvante Chemotherapie erhalten. Hatten die Frauen mit einem RS > 25 allerdings auch gut auf die dreiwöchige endokrine Therapie angesprochen, profitierten sie weniger von der Chemotherapie, genauso wie Frauen mit einem RS ≤ 25. Mit der Therapie‐Optimierung für diese Patientinnen beschäftigt sich die neue WSG-Studie ADAPTcycle. Sie untersucht, ob diese Patientinnengruppe von der Hinzunahme eines CDK4/6-Inhibitors zur Antihormontherapie profitiert.
Mascha Pömmerl