In bispezifischen Antikörpern werden die Antigen-Erkennungsdomänen zweier monoklonaler Antikörper mit unterschiedlichen Spezifitäten kombiniert. So werden einerseits ein Tumorantigen, andererseits eine Struktur auf einer Immunzelle erkannt und dadurch Tumor- und Immunzelle in engen räumlichen Kontakt gebracht. So kann die Immunzelle die Tumorzelle leichter angreifen und eliminieren. Im Fall des bei der ALL eingesetzten BiTE-Antikörpers (Bispecific T-cell Engager) Blinatumomab richtet sich die eine Komponente des Medikaments gegen das auf lymphatischen Zellen exprimierte CD19-Antigen, die andere gegen das CD3-Antigen auf zytotoxischen T-Lymphozyten. Beim ASH-Kongress zeigte sich, dass bispezifische Antikörper mit unterschiedlichen Antigenspezifitäten künftig wohl eine wichtige Rolle bei Lymphomen spielen werden.
Rezidivierte/refraktäre NHL
In einer Phase-I-Studie, an der auch Hämatologen an der Universität Würzburg beteiligt sind und deren erste Resultate Rajat Bannerji, New Brunswick, vorstellte [1], wird derzeit Odronextamab erprobt: Der bispezifische Antikörper soll CD20-positive Lymphomzellen und CD3-positive T-Zellen miteinander in Kontakt bringen. Die insgesamt 127 bisher behandelten Patienten litten an NHL, die nach vorangegangenen Therapien mehrfach rezidiviert und bei 80 % der Patienten sogar hochgradig refraktär waren; 29 von ihnen (22,8 %) hatten schon CAR-T-Zellen erhalten, mehr als die Hälfte litt an einem diffus-großzelligen B-Zell-Lymphom (DLBCL). Der Antikörper wurde in steigenden Dosierungen (von 0,03 bis zu 320 mg) in wöchentlichem Abstand für die ersten zwölf Wochen und danach als Erhaltungstherapie alle zwei Wochen gegeben.
Bisher konnten keine dosislimitierenden Toxizitäten und keine maximal tolerierte Dosis identifiziert werden. Die häufigsten Nebenwirkungen waren erwartungsgemäß Fieber (76,4 %), Zytokin-Release-Syndrome (CRS; 62,2 %) und Schüttelfrost (48 %). CRS waren jedoch nur bei acht Patienten (6,3 %) vom Grad 3 und bei einem vom Grad 4. Sie traten meist während der ersten beiden Wochen auf und waren im Median nach zwei Tagen reversibel; kein Patient musste die Therapie deswegen abbrechen. Neurotoxizitäten vom Grad 3, die auf die Medikation zurückgingen, zeigten sich lediglich bei drei Patienten. Insgesamt sieben Patienten mussten die Behandlung wegen Nebenwirkungen unterbrechen.
Die Wirksamkeit war beeindruckend: Bei den Patienten mit follikulärem Lymphom, die eine Enddosis von mindestens 5 mg erhalten hatten, wurden in 92 % der Fälle objektive Remissionen beobachtet, die bei drei von vier Patienten komplett waren; 13 dieser 21 Komplettremissionen hielten beim letzten Kontrolltermin noch an – nach median 8,1 Monaten.
Bei den Patienten mit DLBCL waren höhere Dosierungen erforderlich: Von den zehn Patienten, die zuvor keine CAR-T-Zellen und mindestens 80 mg Odronextamab erhalten hatten, sprachen sechs mit einer Komplettremission an, deren mediane Dauer bei 9,5 Monaten lag. Bei den 21 Patienten, die bereits mit CAR-T-Zellen behandelt worden waren, lag die Gesamtansprechrate bei 33 % und die Komplettremissionsrate bei 23,8 %. Alle fünf Komplettremissionen halten nach median 4,4 Monaten noch an.
Für dieses stark vorbehandelte und überwiegend therapierefraktäre Kollektiv sind das sehr ermutigende Ergebnisse, was sowohl die Verträglichkeit als auch die Wirksamkeit betrifft. Folgerichtig hat auch bereits eine Phase-II-Studie begonnen, in der Odronextamab ebenfalls bei Patienten mit rezidivierten und/oder refraktären NHL getestet werden soll.
In einer Phase-I/II-Studie wurde Epcoritamab, ebenfalls ein bispezifischer CD20-/CD3-Antikörper, bei Patienten mit rezidiviertem/refraktärem NHL geprüft. Im Gegensatz zu den meisten anderen Antikörpern wurde Epcoritamab hier subkutan verabreicht, so Martin Hutchings, Kopenhagen [2]. Zwei Drittel der 67 Patienten litten an einem DLBCL, die übrigen an follikulären und Mantelzell-Lymphomen.
Das Toxizitätsspektrum war auch hier überschaubar mit 58 % Zytokin-Release-Syndromen (nur Grad 1/2) und zwei Fällen von Neurotoxizität (Grad 1 bzw. 3).
Von 18 Patienten mit DLBCL, die Epcoritamab mit mindestens 12 mg pro Dosis erhielten, sprachen zwölf an, davon sechs komplett; bei den sieben Patienten mit Dosierungen von 48 mg oder höher war die Ansprechrate 100 % mit bislang zwei Komplettremissionen. Die vier Patienten mit DLBCL, die zuvor bereits CAR-T-Zellen erhalten hatten, sprachen ebenfalls alle an, die Hälfte von ihnen komplett. Ähnlich vielversprechend waren die Ergebnisse für die wenigen Patienten mit follikulären und Mantelzell-Lymphomen.
Ebenfalls von Martin Hutchings wurden weitere Ergebnisse der multizentrischen Phase-I/Ib-Studie NP30179 vorgestellt, in der Patienten mit rezidiviertem/refraktärem NHL den Antikörper Glofitamab erhielten [3]. Dieser bispezifische Antikörper ist noch etwas raffinierter konstruiert: Er enthält zwei Bindungsstellen für CD20 und eine für CD3 und hat sich in In-vitro-Experimenten anderen bispezifischen Antikörpern mit einem 1:1-Verhältnis der Bindungsstellen überlegen erwiesen [4].
Die Verträglichkeit bei den insgesamt 52 Patienten mit aggressiven ebenso wie indolenten Lymphomen war auch hier gut, mit CRS fast ausschließlich vom Grad 1 oder 2 (Abb. 1).