Prognostische und prädiktive Marker beim kolorektalen Karzinom
Das kolorektale Karzinom (KRK) ist mit einer Inzidenz von circa 60.000 Neuerkrankungen pro Jahr nicht nur eines der häufigsten Malignome, sondern darüber hinaus ein Tumor, der molekular besonders gut charakterisiert ist. Es ist bekannt, dass die Entstehung kolorektaler Karzinome auf einer Sequenz genetischer Mutationen beruht, die den stufenweisen Verlust von Tumorsuppressorgenen und die Aktivierung von Onkogenen wie etwa dem RAS-Onkogen beinhaltet. Die altersstandardisierten Erkrankungs- und Sterberaten beim KRK sind in den vergangenen 15 Jahren gesunken – aufgrund der wirksamen Maßnahmen zur Früherkennung, aber auch aufgrund kontinuierlicher Verbesserungen in der tumorspezifischen Behandlung, in die immer mehr molekulare Erkenntnisse einfließen [1]. Der Beitrag stellt die derzeit wichtigsten prognostischen und prädiktiven Marker beim KRK vor.
kolorektales Karzinom, Anti-EGFR-Therapie, RAS-Mutation, BRAF-Mutation, Cetuximab, Panitumumab, Encorafenib, Binimetinib, Larotrectinib, Entrectinib, Pembrolizumab, Nivolumab, Atezolizumab, Durvalumab
Das kolorektale Karzinom stellt eine biologisch heterogene Gruppe von Neoplasien dar, in der die Tumorbiologie in Abhängigkeit von der jeweiligen Molekulargenetik deutlich variiert. Die Entstehung kolorektaler Karzinome wird verursacht durch den Verlust von Tumorsuppressorgenen wie etwa PTEN, APC, TP53, SMAD4 und die Aktivierung von bestimmten Onkogenen wie etwa NRAS, KRAS, BRAF oder PI3K. All diese molekularen Alterationen beeinflussen wichtige Signalwege wie etwa den EGFR
(epithelial growth factor receptor)-, den WNT/β-Catenin- oder den TGF(trans-forming growth factor)-β-Signalweg [2]. Inzwischen sind verschiedene molekulare Alterationen als prognostische Marker für das Vorhersagen einer Krankheitsprogression oder als prädiktive Marker für die Vorhersage des Ansprechens auf eine systemische Behandlung eta-bliert. Einige dieser etablierten molekularen Alterationen können beim KRK bereits als Zielstrukturen im Sinne einer Präzisionsonkologie genutzt werden [3], viele weitere sind derzeit in der Erforschung. Die derzeit bedeutendsten prognostischen und prädiktiven Marker beim KRK sollen im Folgenden vorgestellt werden.
Mikrosatelliteninstabilität
Bei rund 15 % der Patienten mit KRK entsteht die Erkrankung auf Grundlage einer ausgeprägten Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H) bzw. einer daraus resultierenden Mismatch-Repair-Defizienz (dMMR). MSI-H-Tumoren findet man bevorzugt im Stadium II (22 %), seltener im Stadium III (12 %) und besonders selten im Stadium IV (3 %) [4]. Der Nachweis von MSI-H hat therapeutische Folgen für Patienten mit KRK in frühen Stadien. Für Patienten mit MSI-H-Tumoren im Stadium II wird heute keine adjuvante Chemotherapie mehr empfohlen, weil die sehr gute Prognose durch eine adjuvante Chemotherapie nicht weiter verbessert werden kann [5], während für Patienten im Stadium III eine adjuvante Therapie mit einem Oxaliplatin-basierten Regime den Langzeitdaten der MOSAIC-Studie zufolge weiterhin sinnvoll erscheint [6]. Aktuell rekrutierende bzw. geplante Studien (ATOMIC; NCT 02912559) untersuchen die Wirksamkeit von Immuncheckpoint-Inhibitoren (CPI) in der adjuvanten Behandlung von MSI-H-Tumoren im UIIC-Stadium III.
Für Patienten mit metastasiertem KRK (mKRK) konnte kürzlich gezeigt werden, dass MSI-H-Tumoren unter dem Einfluss des PD-1-Inhibitors Pembrolizumab im Vergleich zu einer Standard-Chemotherapie einen signifikanten und klinisch relevanten Vorteil hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens (PFS) haben, bei gleichzeitig deutlich überlegenem Sicherheitsprofil [7].
Die Rationale des Einsatzes von CPI beim MSI-H-KRK besteht darin, dass bei diesen Tumoren das Reparatursystem für Mutationen defekt ist. Dies führt zur Bildung von Neoantigenen, damit auch zu einer hohen Tumormutationslast (tumor mutational burden, TMB) und letztlich zu einer erhöhten Immunogenität, die wiederum mit einem besseren Ansprechen auf eine Checkpoint-Inhibition einhergeht. Mit KEYNOTE-177 wurde die erste Phase-III-Studie aufgelegt, die eine Pembrolizumab-Monotherapie direkt gegen eine Standard-Chemotherapie (mFOLFOX oder FOLFIRI ± Bevacizumab oder Cetuximab) bei 307 behandlungsnaiven Patienten mit MSI-H-KRK im Stadium IV evaluierte. Die beim virtuellen ASCO-Meeting 2020 präsentierten Daten zeigten, dass der CPI der Chemotherapie hinsichtlich des progressionsfreien Überlebens (PFS, median 16,5 Monate vs. 8,2 Monate; HR 0,60; 95-%-KI 0,45–0,80; p = 0,0002) deutlich überlegen war. Dies entspricht einer 40%igen Reduktion des Risikos für Progression oder Tod unter dem Einfluss des Checkpoint-Inhibitors – bei deutlich überlegenem Sicherheitsprofil [7]. Die auf dem ESMO-Kongress 2020 vorgestellten Lebensqualitätsanalysen unterstreichen noch einmal, dass die überlegene Wirksamkeit von Pembrolizumab gegenüber der Therapie mit einem der Standardregime mit einem gleichzeitig besseren Nebenwirkungsprofil und einer verbesserten Lebensqualität für die Patienten einherging [8]. Die Monotherapie mit Pembrolizumab wird bereits als zukünftiger Behandlungsstandard bei MSI-H-mKRK diskutiert und stellt einen wichtigen Baustein auf dem Weg zu einer Biomarker-getriebenen Immuntherapie dar. Die Daten zum Gesamtüberleben stehen allerdings noch aus.
Bereits heute wird beim mKRK eine Testung auf MSI empfohlen [3]. Sie kann durch PCR-Analysen erfolgen, aber auch ein durch Immunhistochemie nachgewiesener Expressionsverlust der Reparatur-Proteine MSH2, MLH1, MSH6 und PMS2 kann eine Mismatch-Reparatur-Defizienz belegen [9]. Die Mutationslast im Tumor (TMB = tumor mutational burden) kann auch direkt durch Sequenzierung bestimmt werden, ist aber beim mKRK bisher nicht für die Entscheidung für eine CPI-Therapie ausschlaggebend.
CMS-Subgruppen
In den vergangenen Jahren wurden molekulare Subtypen des KRK definiert, die die intrinsische Heterogenität des KRK besonders gut abbilden sollen. Die sog. CMS (consensus molecular subtypes)-Klassifikation, die ursprünglich aus Tumormaterial früher Stadien (hauptsächlich Stadium II und III) entwickelt wurde und dort prognostische Relevanz hat, unterscheidet vier Gruppen mit unterschiedlichen molekularen Eigenschaften (Tab. 1) [10, 11].