Mammakarzinom: Welche Marker bestimmen die systemische Therapie?
Anspruch einer personalisierten Tumortherapie ist, sich bei der Wahl der Behandlung an den molekularen Eigenschaften eines Tumors zu orientieren, um ihn dann möglichst maßgeschneidert zu behandeln – sei es mit zielgerichteten Medikamenten, der passenden Chemotherapie-Strategie oder einer Immuntherapie. Dieser Ansatz erfordert molekulare Tests, um prädiktive und teils auch prognostische Biomarker als Basis für die Therapieentscheidung zu ermitteln. In den letzten Jahren erweiterten sich das Repertoire der Biomarker und das Wissen um ihre Aussagekraft kontinuierlich. Im folgenden Text sind gängige und aus klinischer Sicht sinnvolle Teststrategien zur Bestimmung prädiktiver und prognostischer Marker bei Patientinnen mit Mammakarzinom sowie einige hoffnungsvolle Angriffspunkte der Zukunft zusammengefasst.
HR-positives Mammakarzinom, HER2-positives Mammakarzinom, triple-negatives Mammakarzinom, prognostischer Marker, prädiktiver Marker, Trastuzuzmab, Pertuzumab, T-DM1, Lapatinib, Neratinib, Trastuzumab Deruxtecan, Tucatinib, Atezolizumab, Pembrolizumab, Olaparib, Talazoparib, Alpelisib, Entrectinib, Larotrectinib
Gerade in der Therapie des Mammakarzinoms werden die Patientinnen schon lange in verschiedene Subtypen eingeteilt, die Einfluss auf Systemtherapie und Prognose haben. Die Behandlung erfolgt Subtyp-spezifisch, wenn möglich unter Einbezug zielgerichteter Therapien bzw. molekular getriebener Strategien. Am offensichtlichsten und am längsten eta-bliert ist dieses Prinzip bei der endokrinen Therapie des Hormonrezeptor(HR)-positiven Mammakarzinoms, die auf dem Nachweis der Hormonrezeptor-Expression im Tumorgewebe beruht. Die endokrine Sensitivität wird durch die Bestimmung der Östrogen- und Progesteron-rezeptoren mittels Immunhistochemie festgelegt und bestimmt entscheidend die Wahl der systemischen Therapie [1, 2].
Ebenso entscheidend für die Bestimmung des Subtyps und der daraus resultierenden Behandlung ist der Nachweis des epidermalen Wachstumsfaktors 2 (HER2) durch Immunhistochemie (IHC) und In-situ-Hybridisierung (ISH) [2]. Die systemische Therapie erfolgt dann unter Einbezug einer Anti-HER2-Therapie, für die derzeit Antikörper, Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) und Antikörper-Drug-Konjugate (ADC) zur Verfügung stehen. Durch Einbezug der zielgerichteten Therapien ab dem Zeitpunkt der Diagnose wurden aus den besonders aggressiven HER2-positiven Tumoren mit vormals ausgewiesen schlechter Prognose gut therapierbare Erkrankungen.
Bereits in der adjuvanten Situation wird für die meisten Patientinnen eine duale HER2-Blockade mit den beiden Antikörpern Trastuzumab und Pertuzumab empfohlen. Ein Jahr nach Abschluss der Trastuzumab-basierten adjuvanten Therapie können Patientinnen mit HER2- und HR-positivem Mammakarzinom und erhöhtem Risiko eine erweiterte adjuvante Therapie mit dem irreversiblen pan-HER-TKI Neratinib erhalten. Wurde nach neoadjuvanter HER2-gerichteter Therapie keine pathologische Komplettremission erzielt, kann das ADC Trastuzumab-Emtansin eingesetzt werden. Außerdem sind in den USA bereits für das ADC Trastuzumab-Deruxtecan und den hochselektiven HER2-TKI Tucatinib FDA-Zulassungen für das fortgeschrittene HER2-positive Mammakarzinom erfolgt.
Marker zur Prognoseabschätzung
Der Ki-67-Status wird einerseits ergänzend zu HR- und HER2-Status zur Bestimmung des molekularen Typs verwendet und andererseits als Proliferationsmarker zur Abschätzung der Prognose herangezogen.
Die Hinzunahme von Ki-67 zu den konventionellen Prognosefaktoren verbessert die Prognoseabschätzung bei Frauen mit HR-positivem und HER2-negativem Mammakarzinom für die Entscheidung für oder gegen eine adjuvante Chemotherapie. Bei einer Ki-67-Positivität ≥ 25 % kann von einem erhöhten Risiko ausgegangen werden [3].
Die AGO-Kommission Mamma empfiehlt zur Prognoseabschätzung außerdem die Verwendung des uPA/PAI-1-ELISA-Tests (Femtelle®) beim frühen nodalnegativen Mammakarzinom mit einer „+“-Empfehlung, um Informationen über das Ansprechverhalten auf eine Chemotherapie zu gewinnen [4].
Die S3-Leiltinie 2020 dagegen spricht sich gegen eine erneute Empfehlung aus und stellt uPA/PAI-1 als unabhängigen prognostischen Parameter infrage. Zudem scheint der prognostische Wert für die einzelnen Mammakarzinom-Subtypen unterschiedlich zu sein [3].
Außerdem stehen für Frauen mit frühem HR-positivem, HER2-negativem Mammakarzinom verschiedene Multigentests (Genexpressionsanalysen) zur Prognoseabschätzung zur Verfügung. Die Testverfahren sollen v. a. Patientinnen mit niedrigem Rückfallrisiko identifizieren, bei denen eine adjuvante Chemotherapie unterbleiben kann, um Übertherapien zu vermeiden.
Die AGO-Kommission Mamma empfiehlt die Anwendung der Assays MammaPrint, OncotypeDX, EndoPredict und Prosigna mit einer „+“-Empfehlung bei ausgewählten Patientinnen, wenn alle anderen Kriterien keine Therapieentscheidung zulassen [4].
Die S3-Leitlinie weist zusätzlich darauf hin, dass ein methodisch standardisierter und klinisch validierter Multigentest nur bei Patientinnen ohne befallene Lymphknoten zur Anwendung kommen soll, und dass außerdem noch weiterer Forschungsbedarf hinsichtlich des Nutzens der Multigen-Assays besteht. Es sollte nur ein einziger Test herangezogen werden [3].
Über die auch den Mammakarzinom-Subtyp bestimmende Charakterisierung des Tumors mittels Hormonrezeptor- und HER2-Status sowie Proliferationsmarkern hinaus hat die verbesserte molekularbiologische Charakterisierung des Mammakarzinoms in den letzten Jahren einerseits zu neuen Angriffspunkten für gezielte Therapien geführt, andererseits aber auch Patientinnen identifiziert, die aufgrund einer erhöhten Immunogenität besonders aussichtsreiche Kandidatinnen für eine Immun-therapie mit Checkpoint-Inhibitoren darstellen (Tab. 1).