Sequentielle Behandlungskonzepte für das metastasierte kolorektale Karzinom
Sequentielle Therapiekonzepte auf der Basis von Chemotherapie-Kombinationen oder -Monotherapien, ergänzt durch monoklonale Antikörper, sind beim metastasierten kolorektalen Karzinom (mCRC) etabliert [1]. Sie haben wesentlich dazu beigetragen, die mediane Überlebenszeit von Patienten mit nicht operablen Tumoren von vormals 14 auf über 30 Monate zu verlängern [2]. Da der Therapieerfolg in späten Linien durch die vorherigen Behandlungen beeinflusst wird [3], schafft die Therapiewahl in frühen Linien die Voraussetzungen dafür, welche späteren Behandlungslinien noch möglich sind. Die empfehlenswerte Gesamtstrategie beim mCRC besteht darin, sich auf Grundlage einer klugen Patientenselektion für diejenige Behandlungssequenz zu entscheiden, die eine gute Balance zwischen einer Verlängerung des Überlebens und einem Erhalt bzw. einer Verbesserung der Lebensqualität bietet.
kolorektales Karzinom, Sequenztherapie, antiangiogene Therapie, EGFR-Inhibition, Liquid Biopsy, Trifluridin, Tipiracil, Bevacizumab, Cetuximab, Encorafenib, Pembrolizumab, Nivolumab, Ipilimumab, Aflibercept, Panitumumab, Ramucirumab
Bei der Mehrzahl der Patienten mit mCRC kommt es 10–12 Monate nach Beginn einer Erstlinientherapie zu einer Krankheitsprogression. Dank etablierter Sequenztherapien, die überwiegend auf Chemotherapie-Kombinationen bzw. Monotherapien zusammen mit monoklonalen Antikörpern beruhen, hat sich das mediane Überleben betroffener Patienten gegenüber früheren Dekaden mehr als verdoppelt [2]. Eine am molekularen Profil des Tumors und an patientenindividuellen Faktoren ausgerichtete Erstlinientherapie bildet dabei die Grundlage für Behandlungsoptionen in späteren Linien und damit für eine bestmögliche Therapiesequenz, die das gesamte „Continuum of Care“ umfasst.
In die Wahl der Sequenztherapie fließen patienten-, behandlungs- und erkrankungsbezogene Faktoren ein, die es in unterschiedlichen Therapielinien individuell zu gewichten gilt [1].
So ist in frühen Therapielinien – unter Einbeziehung molekularer Tumorcharakteristika – die Behandlungswahl eher auf das maximale Ansprechen ausgerichtet, um im Individualfall evtl. noch eine Resektabilität von Tumor und Metastasen zu ermöglichen, während mit jeder Therapielinie die Verträglichkeit der Therapien und der Erhalt
der Lebensqualität an Bedeutung gewinnen.
Allgemein sollte sich die Wahl einer geeigneten Therapie nach Versagen einer Bevacizumab- oder EGFR-basierten Erstlinienbehandlung an den Patienten- und Krankheitscharakteristika sowie an den Behandlungszielen orientieren. Bevacizumab konnte als einzige antiangiogene Substanz das Überleben in Kombination mit einer Chemotherapie in der Erstlinie verbessern, unabhängig vom RAS-Mutationsstatus [1, 4].
Bei Patienten mit RAS-mutierten Tumoren hat die Fortführung des antiangiogenen Wirkansatzes, z. B. mit Bevacizumab, Ramucirumab oder Aflibercept über die Progression hinaus dazu beigetragen, das Überleben der Patienten zu verbessern [4]. Dagegen legen die Daten der Phase-II-Studie PRODIGE18 nahe, dass bei RAS-Wildtyp-Tumoren die Fortführung einer Behandlung mit EGFR-Antikörpern über den Progress hinaus nicht mit einem klinischen Nutzen für die Patienten einhergeht und deshalb der ersten Behandlungslinie vorbehalten bleiben sollte (5].
Darüber hinaus erfordern spezifische molekulare Untergruppen, wie BRAF-mutierte CRC oder Tumoren mit hoher Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H), die besonders aggressive Erkrankungen repräsentieren und schlecht auf Standardtherapien ansprechen, zielgerichtete Ansätze – in der Erstlinie und darüber hinaus [4].
Substanzen für die Zweitlinientherapie
Derzeit sind Bevacizumab, Aflibercept und Ramucirumab die antiangiogenen Substanzen, die in Kombination mit einer Chemotherapie für eine Zweitlinientherapie des mCRC zugelassen sind, basierend auf den Daten mehrerer randomisierter Studien für Bevacizumab [5–8], Aflibercept [9] und Ramucirumab [10].
Die evaluierbaren Studien zeigen konsistent, dass eine signifikante Verlängerung von PFS und OS erreicht werden kann, wenn die Anti-VEGF-Substanzen zu einer Zweitlinienchemotherapie hinzugegeben werden [1]. Die absoluten Gewinne an Lebenszeit sind allerdings moderat und liegen in einem Bereich von 1–2 Monaten. Antiangiogene Substanzen können mit Nebenwirkungen wie Hypertonie, Blutungen oder thromboembolischen Ereignissen assoziiert sein. Darüber hinaus wurde teilweise auch eine Verstärkung von Chemotherapie-assoziierten Toxizitäten wie Diarrhö oder Stomatitis beobachtet [11].
Speziell für die Zweitlinientherapie von BRAF-V600E-mutierten Tumoren ist der BRAF-Inhibitor Encorafenib in Kombination mit Cetuximab zugelassen. Die Kombination aus dem BRAF-Inhibitor Encorafenib mit dem EGFR-Inhibitor Cetuximab konnte in der BEACON-Studie eine signifikante Verlängerung des medianen OS gegenüber Irinotecan/
Cetuximab zeigen (9,3 vs. 5,9 Monate; p < 0,001) [12]. Schließlich ist der PD-1-Inhibitor Nivolumab in Kombina-tion mit dem CTLA4-Inhibitor Ipilimumab zur immunonkologischen Zweitlinienbehandlung von Tumoren mit Mismatch-Reparatur-Defizienz oder hoher Mikrosatelliteninstabilität (dMMR/MSI-H) nach Versagen einer nach vorheriger Fluoro-pyrimidin-basierten Kombinationschemotherapie auf Basis der Daten der CheckMate-142-Studie seit Juli 2021 in der EU zugelassen [13]. Tab. 1 fasst die zugelassenen Substanzen für die Zweit-linientherapie des mCRC zusammen.