Moderne zielgerichtete Substanzen haben in den vergangenen Jahren auch in die Therapie der AML Einzug gehalten und eine Abkehr von einer unspezifischen Behandlungsstrategie eingeleitet. Der initialen biologischen Charakterisierung der Erkrankung und frühen Typisierung der humanen Leukozytenantigene (HLA) kommt im Hinblick auf eine subgruppenspezifische Behandlung und eine adäquate Postremissionstherapie eine besondere Bedeutung zu.
Trotz des therapeutischen Fortschritts stellt das Rezidiv nach intensiver Primärtherapie eine therapeutische Herausforderung dar, da es neben dem Tyrosinkinase-Inhibitor (TKI) Gilteritinib und der allogenen Stammzelltransplantation (alloSZT) nur wenige zugelassene wirksame Behandlungsoptionen gibt. Deshalb sollte hier die Behandlung im Rahmen klinischer Studien oberste Priorität haben.
Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung, der mitunter schwierigen therapeutischen Weichenstellung und der komplexen Koordination im Hinblick auf die alloSZT sollte die Therapiestrategie eng mit einem AML-Therapiezentrum und einer Transplantationseinheit abgestimmt werden.
Zahlreiche neue Therapieansätze, die sich in der klinischen Prüfung befinden, geben Anlass zur Hoffnung, dass sich die Prognose der AML in den kommenden Jahren weiter verbessern wird und ein höherer Anteil der Betroffenen geheilt werden kann.
Intensive Therapie: Grundsätze und Patientenauswahl
Auch wenn die Einführung der Kombination von hypomethylierenden Substanzen (HMA) und Venetoclax im Sinne einer nicht intensiven Therapie bei älteren beziehungsweise weniger fitten Patienten zu einem verbesserten Therapieergebnis geführt hat, kann nach heutigem Kenntnisstand mit solchen nicht intensiven Therapieansätzen bei der überwiegenden Zahl der Behandelten keine Heilung erreicht werden [1]. Daher müssen bei neu diagnostizierter AML intensive Therapieansätze derzeit als Voraussetzung für eine kurative Behandlungsintention gelten. Während bei jüngeren und fitten Erkrankten eine solche intensive Therapie klar empfohlen wird, sollte entsprechend der aktuellen Onkopedia-Leitlinie [2] eine intensive Therapie besonders kritisch geprüft beziehungsweise sollten nicht intensive Therapiemodalitäten präferiert werden bei Patienten mit:
- einem biologischen Alter von > 75 Jahren,
- einem diabetischen Spätsyndrom,
- schweren Leber- und/oder Nierenerkrankungen,
- einer Herzinsuffizienz mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion von < 30 % oder
- einem ECOG(Eastern Cooperative Oncology Group)-Performance-Status von ≥ 3.
Vor dem Hintergrund einer teils komplexen Abwägung beziehungsweise Entscheidungsfindung im Graubereich zwischen intensiver und nicht intensiver Therapie wird empfohlen, alle neu diagnostizierten AML-Patienten zur Beratung und Therapieentscheidung in einem AML-Therapiezentrum vorzustellen.
Biologische Charakterisierung: Voraussetzung für subgruppenspezifische Therapie
Von großer Bedeutung ist eine bei Diagnosestellung umfangreiche phänotypische und insbesondere zytogenetische und molekulargenetische Charakterisierung der AML, um die bestmögliche Therapieoption auswählen zu können. Dies gilt sowohl für Erkrankte mit intensivem als auch für jene mit nicht intensivem Therapiekonzept [3]. Mehrere Analysen bei großen Patientenkohorten haben gezeigt, dass ein Abwarten der genetischen Befunde und eine damit einhergehende Verzögerung des Therapiebeginns um wenige Tage den Krankheitsverlauf nicht verschlechtert [4, 5]. Demgegenüber kann die Wahl einer subgruppenspezifischen Therapie die Prognose deutlich verbessern.
Intensive Therapiestruktur
Grundsätzlich beginnt ein kuratives intensives Therapiekonzept mit einer Induktionschemotherapie auf der Basis einer Kombination aus Cytarabin plus Anthrazyklin, gegebenenfalls modifiziert nach bestimmten Subgruppen.
Nach möglichst weitgehender Reduktion der Leukämielast schließt sich eine Postremissionstherapie an, die eine Eradikation aller verbliebenen Leukämiezellen und damit eine Heilung erreichen soll. Hierfür stehen entweder eine chemotherapiebasierte Konsolidierung oder die alloSZT zur Verfügung. Für einzelne Subgruppen kann eine orale Erhaltungstherapie die Chance auf eine Langzeitremission erhöhen.
Neben einer umfassenden genetischen Charakterisierung der AML sollten bei allen Patienten mit kurativer Therapie unmittelbar nach der Diagnosestellung eine HLA-Typisierung und eine orientierende Prüfung der Fremdspenderverfügbarkeit beziehungsweise der Verfügbarkeit von HLA- oder haploidentischen Familienspendenden durchgeführt werden. Bei allen neu diagnostizierten Patienten sollten mögliche Therapiestudienoptionen geprüft werden und der Einschluss in ein klinisches AML-Register erfolgen [3].
Intensive Induktionschemotherapie
Grundlage der intensiven Induktionschemotherapie ist die bereits in den 1970er-Jahren etablierte Kombination aus kontinuierlich über sieben Tage appliziertem standarddosiertem Cytarabin mit drei Gaben eines Anthrazyklins, meist Daunorubicin oder alternativ Idarubicin (7+3-Schema) [6]. Für verschiedene Subgruppen der AML haben sich Modifikationen dieses Schemas als besser wirksam erwiesen und sollten daher entsprechend eingesetzt werden (Abb. 1).