Myelodysplastische Neoplasien (MDS) sind eine Gruppe heterogener hämatologischer Erkankungen mit dem Ursprung in der hämatopoetischen Stammzelle. Die klonale Expansion der erkrankten Stammzellen führt zu einer Proliferation unreifer Vorläuferzellen, dysplastischer Hämatopoese und Zytopenien, die eine oder mehrere Zelllinien betreffen können. Erkrankt sind meist ältere Personen sowie häufiger Männer als Frauen, die dann an Anämiesymptomen, Infektionen und Blutungen leiden [1]. Die Inzidenz von MDS liegt bei vier bis fünf pro 100.000 Einwohner und steigt bis auf 30 bis 40 pro 100.000 Einwohner in der Altergruppe der über 70-Jährigen an [2].
In einer kleinen Gruppe von MDS-Patienten können autoinflammatorische Symptome wie Arthralgien, Hautausschläge und Fieber auftreten. Kürzlich wurde in diesem Zusammenhang das VEXAS-Syndrom beschrieben; das Akronym VEXAS steht hierbei für „Vakuolen, E1-Enzym, X-chromosomal, autoinflammatorisch, somatisch“. Auf dem Boden einer Mutation des Gens UBA1 („ubiquitin-like modifier activating enzyme 1“) kommt es hier zu einem hämatoinflammatorischen Krankheitsbild, das mit MDS assoziiert sein kann [3].
Die Exposition gegenüber aromatischen Kohlenwasserstoffen (z. B. Benzol) sowie vorangegangene Chemo- oder Strahlentherapien gelten als Risikofaktoren von myelodysplastischen Syndromen. Seltene angeborene Knochenmarkinsuffizienzen (Diamond-Blackfan-Anämie, Telomeropathien, GATA2-assoziierte Erkrankungen oder das Shwachman-Diamond-Syndrom) werden darüber hinaus als genetische Prädispositionssyndrome bezeichnet. Diese sind mit einem erhöhten Risiko verbunden, eine MDS in jüngeren Jahren zu entwickeln. In den meisten Fällen handelt es sich jedoch um primär erworbene MDS [4–6].
Pathophysiologie
Die Pathophysiologie der MDS ist komplex und umfasst somatische Mutationen, epigenetische Veränderungen und eine gestörte Immunantwort. Im Zentrum der Krankheitsentwicklung stehen dabei Mutationen der hämatopoetischen Stammzellen, die in den Frühstadien zu gestörten Apoptosemechanismen und einer hämatopoetischen Insuffizienz führen. Im Verlauf der Erkrankung kommt es durch weitere Mutationen in Tumorsuppressor- und regulatorischen Genen zur zunehmenden Selektion sowie zur Expansion des malignen Klons und schließlich zum Übergang in eine Hochrisiko-MDS beziehungsweise eine akute myeloische Leukämie (AML).
Die Vielzahl beteiligter Mutationen erklärt die Heterogenität des Krankheitsbilds. Die häufigsten Mutationen betreffen sowohl Transkriptionsfaktoren (z. B. RUNX1, ETV6, GATA2 und CUX1), die Signaltransduktion (z. B. PTPN11, NF1, NRAS und KRAS), die epigenetische Regulation (z. B. TET2, ASXL1, EZH2, DNMT3A und IDH1/2) und den Cohesin-Komplex (z. B. STAG2 und RAD21) als auch Splicing-Gene (z. B. U2AF1, SRSF2 und ZRSR2) und DNA-Reparaturgene wie zum Beispiel TP53 (Abb. 1) [7].