Metastasierte Rektumkarzinome werden analog den metastasierten Kolonkarzinomen behandelt. Wesentliche Unterschiede in der Therapie von Kolon- und Rektumkarzinomen ergeben sich jedoch, wenn ein lokal fortgeschrittenes Rektumkarzinom vorliegt. Der Grund hierfür ist die anatomische Lage des Rektums in Bezug auf den Analsphinkter, die Harnblase, den Uterus bei der Frau beziehungsweise die Prostata und die Samenbläschen beim Mann.
Eine zu ausgedehnte Operation kann zum Verlust der Sphinkterfunktion des Anus führen und damit zu einer wesentlichen Einschränkung der Lebensqualität und der sozialen Funktion. Auch bei Sphinktererhalt kann es zu dem als LARS („low anterior rectum syndrome“) bezeichneten Symptomkomplex kommen, dieser geht mit einem unvorhersehbaren Stuhldrang, einer erhöhten Stuhlfrequenz, einer wiederkehrenden schmerzhaften Stuhlentleerung und Darmentleerungsstörungen einher [1]. Zu den Faktoren, die das Risiko für ein LARS nach der Therapie eines lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinoms erhöhen, gehören:
- die Resektionslinie (unteres Rektumdrittel > mittleres Rektumdrittel),
- die Intensität der neoadjuvanten Therapie (Bestrahlung > ohne Bestrahlung),
- der Anastomosentyp (coloanal > Pouchplastik),
- die Notwendigkeit eines protektiven Ileostomas (gegenüber keiner Ileostomie) und
- die Höhe der Ligation der Arteria rectalis superior.
Daher sollte – unter Wahrung des kurativen Ansatzes – eine möglichst wenig intensive neoadjuvante Therapie gewählt werden.
Allerdings können bei unzureichender lokaler Radikalität Lokalrezidive entstehen, die sich in den sakralen Bereich ausbreiten können. Das verursacht oft schwierig zu kontrollierende Schmerzen. Zudem kann es durch das Einwachsen in die Harnblase zu einer Kloakenbildung kommen. Lokalrezidive sind daher weitestgehend zu verhindern. Die Einführung der neoadjuvanten Radiochemotherapie [2] hat die Lokalrezidivrate signifikant verringert, ohne jedoch die Fernmetastasierungsrate zu beeinflussen. Daneben wurde durch die Einführung der totalen mesorektalen Exzision (TME) für Tumoren des unteren und mittleren Rektumdrittels die Operationstechnik revolutioniert, was eine weitere Reduktion von lokalen Rezidiven ermöglicht hat [3].
Durch die Publikation von neuen Studiendaten in den vergangenen fünf Jahren ist die Therapie des lokalen Rektumkarzinoms differenzierter zu sehen: Oftmals sind nicht alle drei Therapieformen (Strahlentherapie, Chemotherapie und Operation) notwendig. Hierauf soll im Folgenden eingegangen werden.
Nichtmetastasiertes LARC (pMMR/MSS)
Für die Auswahl der richtigen Therapiestrategie ist die initiale Diagnostik hochrelevant. Hierbei ist neben der bioptischen Sicherung sowie der Angabe der Lokalisation ab Anokutanlinie (gemessen mittels starrer Rektoskopie) eine Computertomografie (CT) vom Thorax und Abdomen (mit Kontrastmittel) zum Ausschluss einer metastasierten Erkrankung notwendig. Den in der S3-Leitlinie geforderten Ausschluss mittels Sonografie des Abdomens und Röntgen-Thorax finden wir nicht ausreichend, um eventuell die Indikation einer Strahlenchemotherapie mit anschließender Operation zu indizieren. Rektumkarzinome des oberen Rektumdrittels (> 10 cm bzw. > 12 cm ab Anokutanlinie) werden analog des Kolonkarzinoms initial operiert. Nach Ausschluss einer Fernmetastasierung ist eine Magnetresonanztomografie (MRT) des Rektums notwendig, um die lokale Ausbreitung festzulegen. Hierbei sollte darauf geachtet werden, dass der strukturierte Befund auf folgende fünf Risikofaktoren für die Entwicklung eines Rezidivs eingeht:
- Infiltration ins perirektale Fettgewebe (cT4-Tumor?),
- Beziehung des Tumors zur mesorektalen Faszie (Invasion der mesorektalen Faszie [CRM] positiv?),
- extramurale Gefäßinfiltration (extramurale Gefäßinvasion [EMVI] positiv?),
- lokale Lymphknoten (auffällig, wenn Durchmesser in der kurzen Achse > 9 mm) und
- laterale Lymphknoten (auffällig, wenn Durchmesser in der kurzen Achse > 7 mm).
Aufgrund der fünf Kriterien sowie der Höhenangabe lässt sich das lokale Rektumkarzinom des unteren und mittleren Drittels in die folgenden Risikogruppen einteilen (analog ESMO-Guideline 2017 [4]) (Tab. 1).