Die Therapie von Patienten mit Darmkrebs ist – wie vieles in der Onkologie – einem ständigen Wandel unterworfen. Neben der Erschließung neuer Therapiefelder wie der neoadjuvanten Therapie von lokalisiertem Darmkrebs verändern auch neue diagnostische Techniken die Therapieführung unserer Patienten. In diesem Schwerpunktheft von Trillium Krebsmedizin fassen wir daher die aktuellen Standards zusammen und ordnen aktuelle Entwicklungen ein, welche die Therapie von morgen für uns Behandelnde und unsere Patienten verändern werden.
Kolonkarzinomscreening
Seit über zehn Jahren ist die Screeningkoloskopie als Darmkrebsvorsorge in Deutschland etabliert. Nichtsdestotrotz gibt es immer wieder neue Entwicklungen und Daten, die meist die Wichtigkeit dieser Maßnahme zur Verhinderung von Krebsentstehung und Metastasierung beleuchten. Neue Studien, insbesondere aus den skandinavischen Ländern, haben noch einmal die Diskussion entfacht, welche Maßnahmen sinnvoll sind und welche hingegen nicht durchgeführt werden sollten. Der erste Beitrag in diesem Heft beschäftigt sich mit diesem Thema und fokussiert sich zudem auf die nicht durch ein Screening zu erfassende Kohorte der jungen (< 50 Jahre) Kolonkarzinompatienten.
Lokal begrenztes Kolonkarzinom
Im Beitrag gehen wir dezidiert auf die Therapie des lokal begrenzten Kolonkarzinoms ein. Die etablierte Therapie im Stadium II mit Risikofaktoren sowie im Stadium III ist durch die Ergebnisse der IDEA-Studienkooperation für die meisten Patienten von sechs auf drei Monate verkürzt worden. Dies führt zu einer deutlich geringeren oxaliplatinbedingten Polyneuropathie und damit langfristig zu einer besseren Lebensqualität der behandelten Personen.
Die klassischen Risikofaktoren im Stadium II basieren auf klinischen und pathologischen Charakterisierungen. Durch die sich entwickelnde Technik der Flüssigbiopsie (Liquid Biopsy) ergibt sich nun auch bei soliden Tumoren die Möglichkeit, eine minimale Resterkrankung („minimal residual disease“; MRD) festzustellen. Dies bedeutet, dass eventuell schon vor der Bildgebung ein molekularer Progress der Erkrankung durch erhöhte Spiegel von zirkulierender Tumor-DNA (ctDNA) nachweisbar wird. Wie wir mit diesen Daten umgehen sollen, ist aktuell Stand der wissenschaftlichen Diskussion. Sicherlich werden wir in Zukunft ebenso über Flüssigbiopsien eine Risikostratifizierung und damit eventuell auch eine Therapieentscheidung ableiten können.
Zunehmend ergeben sich auch Studienoptionen für eine zielgerichtete adjuvante Therapie des Kolonkarzinoms. Hier sind die bekannten Zielstrukturen KRASG12C und BRAFV600E zu nennen, die – neben anderen genetischen Alterationen – im Rahmen von Studien aktuell therapeutisch angegangen werden.
Das neue Feld in der Therapie von Darmkrebs ist die neoadjuvante Therapie des Kolonkarzinoms. Bei lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinomen ist dies schon seit gut 20 Jahren Standard. Inwieweit lokal fortgeschrittene Kolonkarzinome ebenso von einer präoperativen Systemtherapie profitieren können – unter Reduktion beziehungsweise Auslassen der adjuvanten Therapie –, wird derzeit in Studien untersucht. Der Beitrag gibt zu diesem Thema wichtige Hinweise und kann als Leitfaden für die aktuelle Entwicklung angesehen werden.
Fortgeschrittenes Rektumkarzinom
Ebenso spannend sind die Entwicklungen des lokal fortgeschrittenen Rektumkarzinoms. Der durch die Deutsche Rektum-Studiengruppe im Jahr 2004 gesetzte Standard der Radiochemotherapie ist durch die Ergebnisse der Studien RAPIDO und PRODIGE-26 für Patienten mit hohem Rezidivrisiko durch die „totale“ neoadjuvante Therapie ersetzt worden. Neben der Eskalation der Therapie für Patienten mit hohem Rezidivrisiko zeigen aktuelle Studiendaten aber auch die Möglichkeit der Deeskalation für jene mit einem geringeren Rezidivrisiko. Hier gilt es anhand einer genauen Diagnostik (Magnetresonanztomografie des Rektums) sowie der Beachtung der individuellen Patientenwünsche die richtigen Entscheidungen zwischen Organerhalt, Einsparung von Toxizität, Verringerung der Radikalität und Heilungschancen zu finden. Unser Beitrag gibt hierzu wichtige Entscheidungskriterien und zeigt die momentane Studienlage auf.
Metastasiertes kolorektales Karzinom
Die Therapie des metastasierten kolorektalen Karzinoms ist ein ebenso wichtiges Thema, das im Beitrag aufgegriffen wird. Neben der Einordnung des neu zugelassenen Inhibitors des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktorrezeptors (VEGFR) Fruquintinib verändert die Kombination von altbekannten Therapieprinzipien die therapeutische Landschaft. Spannend sind die präzisionsonkologischen Ansätze, die zunehmend auch in deutschen rekrutierenden Studien untersucht werden. Die molekulare Klassifikation der Tumoren erhält hierdurch zunehmende Wichtigkeit.
Neue chemotherapiefreie Therapieansätze wie zum Beispiel die Kombination aus Encorafenib und Cetuximab für das BRAFV600E-mutierte metastasierte kolorektale Karzinom ebnen den Weg, nun genauso RAS-Mutationen therapeutisch anzugehen. Aktuelle Studien, in denen die Kombination aus Chemotherapie und Präzisionsonkologie verwendet worden ist, haben ermutigende Daten ergeben und werden in Zukunft unsere therapeutischen Algorithmen wesentlich beeinflussen.
Darüber hinaus verspricht die Kombination aus zwei Immuncheckpoint-Inhibitoren für die seltenen Tumoren mit hoher Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H) zusätzliche Effektivität für diese besondere Patientengruppe. Aber auch im Bereich der MSI beim Kolonkarzinom laufen bereits Studien, in denen die Immuntherapie ebenso in dieser Population weiter untersucht wird.
Insgesamt tut sich viel im Bereich der Kolonkarzinombehandlung, und wir hoffen, dass Sie beim Lesen wichtige Entwicklungen in Ihre tägliche Praxis mitnehmen können.