Die Behandlungsplanung für Patient:innen mit einem HCC sollte interdisziplinär im Rahmen eines Tumorboards erfolgen, das die Kompetenz von Vertreter:innen aus Onkologie, Hepatologie, Chirurgie (möglichst mit hepatobiliärem/Transplantationsschwerpunkt), interventioneller Radiologie, Nuklearmedizin sowie Strahlentherapie einbezieht. In die Therapieentscheidungen sollten hierbei nicht nur der Tumorstatus (Größe, Anzahl, Ausbreitung und Gefäßinvasion), sondern auch die Leberfunktion, vorliegende Begleiterkrankungen sowie der allgemeine Leistungszustand einfließen. Auch während einer Behandlung ist es wichtig, das Ansprechen der Tumoren auf eine Therapie regelmäßig zu beurteilen und die Leberfunktion engmaschig zu überwachen [1].
Zur longitudinalen Beurteilung der Leberfunktion wurden neben dem Child-Pugh Score (CP-Score) neuere Scores wie der ALBI-Score (ALBI: Albumin-Bilirubin) eingeführt, in den die prognostisch bedeutsamen Parameter Albumin und Bilirubin in unterschiedlicher Gewichtung einfließen und der insbesondere in der Gruppe der CP-Score-A-Patient:innen prognostisch relevante Abstufungen ermöglicht. Mithilfe des ALBI-Scores lassen sich drei Risikogruppen (ALBI 1–3) abgrenzen, die sehr gut mit dem Überleben korrelieren.
Stadienabhängige Therapie
Anhand der BCLC(Barcelona Clinic of Liver Cancer Algorithm)-Klassifikation lässt sich das HCC in fünf klinische Stadien einteilen [2]: sehr frühes Stadium (BCLC 0), frühes Stadium (BCLC A), intermediäres Stadium (BCLC B), fortgeschrittenes Stadium (BCLC C) und terminales Stadium (BCLC D).
Die internationalen und europäischen Leitlinien empfehlen eine stadienabhängige Behandlung von Patient:innen mit einem HCC [3, 4]. Eine kurze Zusammenfassung zur Behandlung in den frühen und intermediären Stadien sowie eine Übersicht zur Erstlinientherapie des fortgeschrittenen HCC finden Sie im Artikel „Hepatozelluläres Karzinom: Systemische Erstlinientherapie im fortgeschrittenen Setting wird immer vielfältiger“ in dieser Ausgabe von Trillium Krebsmedizin.
In diesem Beitrag gehen wir auf die Zweitlinientherapie in fortgeschrittenen Stadien des HCC und auf die biomarkergestützte Behandlung ein.
Zweitlinientherapien
Nach dem Versagen der Erstlinientherapie stehen derzeit die zwei Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) Regorafenib und Cabozantinib sowie der antiangiogene Antikörper Ramucirumab für die systemische Therapie des HCC zur Verfügung. Für alle Zweitlinienoptionen beschränkt sich die Zulassung formal allerdings gemäß der aktuellen Studienlage auf die Sequenztherapie nach einer vorangegangenen Erstlinientherapie mit dem oralen Multi-TKI Sorafenib.
Zweitlinientherapie mit Regorafenib
Der seit dem Jahr 2017 in der EU zugelassene orale Multi-TKI Regorafenib wird beim HCC angewandt, wenn eine Sorafenib-Therapie versagt hat. Regorafenib übt über die Blockade von verschiedenen Kinasen einen hemmenden Effekt auf die Neo-Angiogenese (VEGFR), das Tumormikromilieu (FGFR2, PDGFR) und onkogene Signalwege (u. a. RET, RAF) aus. Die zulassungsrelevante Phase-III-Studie RESORCE lieferte die ersten positiven Daten für Patient:innen, deren fortgeschrittenes HCC trotz einer Sorafenib-Therapie weiter progredient war [5].
Im Gegensatz zu anderen Phase-III-Studien im Zweitlinien-Setting mussten die in die Studie eingeschlossenen Child-A-Patient:innen vorab Sorafenib in einer Dosierung von mindestens 400 mg täglich über mindestens 20 der vergangenen 28 Behandlungstage gut vertragen haben. Randomisiert erhielten die Studienteilnehmenden entweder 160 mg Regorafenib oder Placebo für jeweils 21 Tage eines 28-tägigen Zyklus. Im primären Endpunkt der RESORCE-Studie verbesserte sich das mediane Gesamtüberleben (mOS) unter der Regorafenib-Therapie in der Zweitlinie um 2,8 Monate im Vergleich zum Kontrollarm (10,6 vs. 7,8 Monate unter Placebo). Post-hoc-Analysen illustrierten zudem den Vorteil der Sequenz Sorafenib-Regorafenib gegenüber Sorafenib-Placebo hinsichtlich eines „kumulativen OS“ ab Beginn einer Systemtherapie von 26 Monaten versus 19,2 Monaten.
Der Überlebensvorteil war dabei unabhängig von der letzten Sorafenib-Dosierung oder der Zeit bis zur Progression unter Sorafenib [6], eine Selektion von studiengeeigneten Patient:innen vor Beginn der Zweitlinie muss jedoch in der Interpretation der Daten berücksichtigt werden.
Im Rahmen der RESORCE-Studie wurden umfangreiche Biomarkeranalysen durchgeführt. Dabei konnten verschiedene Proteine wie Alpha-1-Fetoprotein (AFP) und c-MET als prognostische Biomarker bestätigt bzw. erstmalig identifiziert werden. Außerdem wurden fünf prädiktive Biomarker (ANG-1, LAP, TGF-b1, LOX-1, MIP-1a) gefunden, die bei einer niedrigen Expression mit einer verbesserten Wirksamkeit von Regorafenib einhergingen [7]. Gerade angesichts zunehmender Therapieoptionen in der Zweitlinie bedarf es einer Verifizierung dieser Untersuchungen in prospektiven Studien, um sie langfristig in biomarkeradaptierte Therapieentscheidungen beim HCC einfließen zu lassen.
Zweitlinientherapie mit Cabozantinib
Cabozantinib ist ebenso wie Sorafenib und Regorafenib ein oraler Multi-TKI, der unter anderem auf MET, VEGFR und die TAM-Kinasefamilie (TYRO-3, AXL und MER) abzielt. Neben der Anti-VEGFR-Komponente leistet möglicherweise insbesondere die Funktion als MET- und AXL-Inhibitor einen Beitrag zur Antitumorwirkung in der Sequenztherapie, da der Aktivierung dieser Kinasen eine Rolle in der Resistenzentwicklung gegen Sorafenib zugeschrieben wird. Genau wie Regorafenib ist Cabozantinib für die Therapie des HCC nach einem Progress unter Sorafenib zugelassen (seit 2018).
Die Zulassung basierte auf der Phase-III-Studie CELESTIAL [8], in welcher der Nutzen von Cabozantinib (60 mg täglich) in vorbehandelten Child-A-Patient:innen mit fortgeschrittenem HCC evaluiert wurde. Im Gegensatz zur RESORCE-Studie war in dieser Untersuchung eine gute Sorafenib-Verträglichkeit keine Voraussetzung zur Studienteilnahme. Darüber hinaus hatte fast ein Drittel der Patient:innen neben Sorafenib bereits eine weitere Systemtherapie, in der Regel eine Chemotherapie, erhalten. Trotz einer geringen Gesamtansprechrate von 4 % verbesserte sich das OS unter Cabozantinib um 2,2 Monate verglichen mit dem Placebo-Arm (10,2 vs. 8,0 Monate) und das mediane PFS um 3,5 Monate (5,4 vs. 1,9 Monate). Dieser vorzeitige Wirksamkeitsnachweis führte zum Studienabbruch bereits nach der zweiten Interimsanalyse. In einer Lebensqualitätsanalyse der CELESTIAL-Studie schnitt Cabozantinib zusätzlich besser ab als Placebo [9].
In einer Post-hoc-Analyse konnte erstmals die Bedeutung der Leberfunktion in der Zweitlinie des HCC gezeigt werden. Analog den Beobachtungen zur Studie REFLECT in der Erstlinie war das Überleben der Patient:innen mit guter Leberfunktion (ALBI 1) etwa doppelt so lang im Vergleich zu jenen mit einem ALBI-Grad 2 (Cabozantinib 17,5 Monate; Placebo 11,4 Monate vs. Cabozantinib 8 Monate; Placebo 6,4 Monate) [10] (Abb. 1).