Die Therapie des primären Zervixkarzinoms erfordert in besonderem Maße eine stadienadaptierte Behandlung. Bei der Therapieentscheidung ist neben dem Allgemeinzustand der Patientin, dem Vorliegen von Risikofaktoren (zum Beispiel Lymphangiosis) vor allem das klinisch/histologisch definierte Tumorstadium essentiell.
Während in den frühen Stadien die primäre Operation die Therapie der Wahl ist, empfiehlt die S3-Leitlinie ab dem FIGO(Fédération Internationale de Gynécologie et d’Obstètrique)-Stadium IIb die primäre simultane Radiochemotherapie (RCHT) mit Brachytherapie als Standard [1]. Ein Problem bei der systemischen Behandlung des fortgeschrittenen, nicht mehr operablen Zervixkarzinoms ist, dass die Patientinnenkollektive in den klinischen Studien oftmals sehr breit gefasst wurden und vielfach Mischkollektive aus primär metastasierten und rezidivierten Patientinnen mit unterschiedlichen Vortherapien randomisiert wurden.
Primärbehandlung des lokal fortgeschrittenen Zervixkarzinoms
Primäre Radiochemotherapie etabliert
Die RCHT hat die Prognose der Patientinnen mit lokal fortgeschrittenem Zervixkarzinom gegenüber der alleinigen Strahlentherapie deutlich verbessert [2]. Simultan zur Bestrahlung erhalten die Patientinnen eine Cisplatin-Monotherapie. Eine neue therapeutische Perspektive eröffnet für diese Patientinnen möglicherweise die Immuntherapie (IT). Rationale für den Einsatz der Immuntherapie ist eine erhöhte PD-L1(„programmed-death-ligand 1“)-Expression im Tumor-gewebe, die unter Strahlentherapie beobachtet wurde [3]. Klinische Studien prüfen derzeit Therapiekonzepte mit verschiedenen Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICI), die als Radiosensitizer in Kombination mit unterschiedlichen radiotherapeutischen Ansätzen oder nach abgeschlossener RCHT als Erhaltungstherapie eingesetzt werden [4].
In der randomisierten Phase-III-Studie CALLA mit dem PD-L1-Inhibitor Durvalumab, der bei Hochrisikopatientinnen (FIGO-Stadium Ib2–IIb, N+ [N ≥ 1] bzw. IIIa–IVa) zusätzlich zur RCHT mit Brachytherapie eingesetzt wurde, zeigte sich allerdings weder beim primären Studienendpunkt, dem progressionsfreien Überleben (PFS), noch beim Gesamtüberleben (OS) ein signifikanter Vorteil gegenüber einer alleinigen RCHT [5]. Demnächst werden die Ergebnisse der ATEZO-LACC-Studie (RCHT ± Atezolizumab; NCT03612791) und der Studie KEYNOTE-A18 (RCHT ± Pembrolizumab; NCT04221945) erwartet.
Neoadjuvante Konzepte in der klinischen Prüfung
Bereits seit einigen Jahren wird der neoadjuvante Einsatz der Chemotherapie in klinischen Studien beim lokal fortgeschrittenen Zervixkarzinom untersucht. Da die Datenlage bis dato uneinheitlich ist [6–9], hat sich das neoadjuvante Konzept bislang nicht in der klinischen Routine durchgesetzt und sollte primär im Rahmen klinischer Studien eingesetzt werden. Das gilt unabhängig davon, ob sich an die neoadjuvante Chemotherapie (NACT) eine radikale Operation oder eine RCHT anschließt. Im klinischen Alltag ist NACT Einzelfällen vorbehalten. Sie wird zum Beispiel diskutiert für Patientinnen, bei denen im Rahmen der präoperativen Diagnostik ein erhöhtes Risiko festgestellt wurde.
Solche Risikosituationen können vorliegen bei „Bulky Disease“ mit einer in der Bildgebung dokumentierten Tumorgröße > 4 cm, bei Verdacht auf positive Lymphknoten (LK; laut Bildgebung) sowie bei Nachweis mehrerer histopathologisch definierter Risikofaktoren wie G3, L1 oder V1. Die S3-Leitlinie fordert jeweils eine eindeutige Risiko-Nutzen-Abwägung [1]. Ebenso kann die NACT im Einzelfall für Frauen mit Kinderwunsch zur Ermöglichung eines Fertilitätserhalts oder für schwangere Zervixkarzinom-Patientinnen zur Prolongation der Schwangerschaft ohne Verzicht auf eine onkologische Therapie eine Option sein.
Große Erwartungen ruhen auf den Ergebnissen der laufenden neoadjuvanten Studie INTERLACE (NCT01566240) mit Carboplatin/Paclitaxel gefolgt von einer Standard-RCT versus Standard-RCHT allein. Wird eine NACT eingesetzt, kann der Therapieerfolg mit vaginalem Ultraschall oder Kernspintomographie überprüft werden – wichtig ist, das primäre Diagnoseverfahren einzusetzen. Werden Patientinnen nach NACT operiert, ist unklar, welche therapeutischen Konsequenzen der Nachweis tumorbefallener LK hat. Unklar ist derzeit auch, in welchen Resektionsgrenzen nach NACT operiert werden sollte. Die S3-Leitlinie empfiehlt, in den alten Grenzen zu operieren (so wie vor NACT) [1].
Adjuvante Chemotherapie in der Diskussion
Kritisch diskutiert wird auch die adjuvante Chemotherapie nach primärer Operation und/oder RCHT. Aufgrund der großen Heterogenität der Studien und zum Teil kleiner Fallzahlen ist eine definitive Aussage schwierig. Die Indikation einer adjuvanten Chemotherapie wurde in den Studien bei Patientinnen mit hohem Risiko, sprich mehreren Risikofaktoren (L1, V1, tiefe Stromainfiltration, R1-Resektion oder FIGO-Stadium ≥ IIb) untersucht. Die Ergebnisse zeigen keine sichere Verbesserung des OS durch die adjuvante Chemotherapie bei Zunahme der Toxizität [1, 10, 11].
Rezidiviertes und metastasiertes Zervixkarzinom
Bei Patientinnen mit lokalem Rezidiv muss für eine optimale Therapieplanung eine Fernmetastasierung mittels Bildgebung ausgeschlossen worden sein. Die Behandlung umfasst in Abhängigkeit von der Lokalisation und der Ausdehnung des Lokalrezidivs sowie den bereits erfolgten Therapien in der Primärsituation das komplette therapeutische Spektrum der operativen Maßnahmen und der Bestrahlung bzw. RCT bis hin zu den medikamentösen Optionen [1].
Ist das Rezidiv inoperabel und die RCHT nicht möglich, wird das rezidivierte Zervixkarzinom wie ein metastasierter Tumor behandelt. Bei metastasierten Patientinnen steht die Systemtherapie an erster Stelle. Eine Ausnahme stellen Patientinnen mit isolierten Metastasen dar, wenn diese durch eine lokale Therapie – Operation, lokale Bestrahlung oder lokal destruierende Therapieverfahren – erfolgreich behandelt werden können [1].
Systemtherapie in der rezidivierten und metastasierten Situation
In einer palliativen Situation des metastasierten Zervixkarzinoms hat sich die Kombinationstherapie Cisplatin/Paclitaxel als ein Erstlinienstandard etabliert [1]. Mögliche Alternativen sind die Kombination aus Cisplatin plus Topotecan, Gem-citabin oder Vinorelbin sowie die Gabe von Carboplatin/Paclitaxel [1]. Bezüglich der Chemotherapiekombinationen wird auf die zitierten Studiendaten verwiesen [12–14]. Der Angiogenese-Inhibitor Bevacizumab ist seit 2015 beim inoperablen rezidivierten bzw. metastasierten Zervixkarzinom in Kombination mit Cisplatin/Paclitaxel bzw. Topotecan/Paclitaxel (sofern kein Platin möglich ist) zugelassen.
In der offenen randomisierten vierarmigen GOG-240-Studie wurden besagte Patientinnen mit Cisplatin/Paclitaxel ± Bevacizumab bzw. Topotecan/Paclitaxel ± Bevacizumab behandelt [15]. Die zusätzliche Bevacizumab-Gabe verlängerte nicht nur das mediane PFS (8,2 vs. 6,0 Monate; HR 0,68; 95%-KI 0,56–0,84; p = 0,0002), sondern auch das mediane OS der Patientinnen jeweils signifikant (mOS 16,8 vs. 13,3 Monate; HR 0,77; 95%-KI 0,62–0,95; p = 0,0068), ging allerdings mit einer höheren Toxizität einher [16]. Die S3-Leitlinie empfiehlt die zusätzliche Bevacizumab-Gabe, sofern keine Kontraindikationen gegen Bevacizumab bestehen (Abb. 1) [1].