Design und Funktionsweise von mRNA-basierten Impfstoffen zum Schutz vor Infektionskrankheiten (COVID-19-Update)

Die mRNA-basierte Technologie zur Entwicklung von prophylaktischen Impfstoffen gegen Infektionskrankheiten entwickelt sich immer mehr zu einer vielversprechenden Alternative zu konventionellen Impfstoffansätzen. Präklinische und klinische Studien haben gezeigt, dass mRNA-basierte Impfstoffe eine verträgliche und langanhaltende Immun­antwort induzieren können. Diese Vakzine vereinen den minimalistischen Aufbau von Untereinheitenimpfstoffen, da viele nur für die schützenden Antigene kodieren, mit der vielversprechenden T-Zell-Induktionskapazität von lebend-attenuierten Impfstoffen. Durch die Möglichkeit einer schnellen, flexiblen und verhältnismäßig günstigen Produktion haben mRNA-basierte Impfstoffe das Potential, die gegenwärtige COVID-19-Pandemie sowie zukünftige pandemische Infektionskrankheiten effizient zu bekämpfen.

Schlüsselwörter: mRNA, LNP, Impfstoffe, Vakzine, Infektionskrankheiten, COVID-19, SARS-CoV-2, Coronavirus

Einleitung

Impfstoffe, auch Vakzine genannt, sind eine der größten Erfolgsgeschichten der Medizin zur Prävention und Kontrolle von Infektionskrankheiten. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass durch Impfungen jährlich 2–3 Milli­onen Menschenleben gerettet und darüber hinaus unzählige Erkrankungsfälle verhindert werden [1]. Als Resultat des umfassenden Einsatzes von Impfstoffen konnte das humane Pockenvirus weltweit ausgerottet und die Häufigkeit von beispielsweise Polio (Wildtyp-Virus vom Serotyp 2 gilt seit 2015 als ausgerottet), Masern und weiteren Infektionskrankheiten dramatisch reduziert werden [2]. Konventionelle Impfstoffansätze wie die Verwendung von lebend-attenuierten (abgeschwächten) oder inaktivierten Krankheitserregern sowie Untereinheitenimpfstoffe bieten Schutz gegen eine Vielzahl von gefährlichen Infektionskrankheiten. Trotz ihres Erfolges haben diese konventionellen Ansätze der Vakzinentwicklung auch ihre Einschränkungen: Lebend-attenuierte Impfstoffe bergen die Gefahr der Reversion zu einer krankheitserregenden Form (z. B. oraler Polio-Impfstoff Serotyp 2) und können bei Immunkompromittierten nur eingeschränkt angewendet werden; inaktivierte Impfstoffe sind in der Regel weniger wirksam und Untereinheitenimpfstoffe benötigen Adjuvantien (Wirkstoffverstärker) zur Verstärkung der induzierten Immunantworten, insbesondere einer T-Zell-Antwort. Neben den hohen Entwicklungskosten ist es vor allem auch die langwierige Entwicklungsdauer, die den Einsatz von konventionellen Impfstoffen in Bezug auf potentielle pandemische Ausbruchsszenarien erschwert. Wie die gegenwärtige COVID-19-Pandemie (siehe eigenes Kapitel), aber auch frühere rasche Ausbreitungen von schweren Infektionen wie SARS, Ebola oder Zika dramatisch aufzeigten, werden dringend neue Impfstofftechnologien benötigt, die schnell, effektiv und vielseitig auf neue, bisher unbekannte Gefahren reagieren können [3, 4].
Seit einigen Jahren repräsentieren Nukleinsäure-basierte Impfstoffe, wie virale Vektoren, Plasmid-DNA (pDNA) und Messenger-RNA (mRNA), vielversprechende Alternativen zu konventionellen Impfstoffen. Sie besitzen intrinsische Adjuvanseigenschaften, erlauben die Expression von beliebigen Antigenen in einer Zielzelle und können somit potente humorale als auch zelluläre Immunantworten induzieren. Diese Fähigkeit, beide Arme des Immunsystems zu aktivieren, macht Nukleinsäure-basierte Impfstoffe im Vergleich zu Untereinheitenimpfstoffen sehr attraktiv. Dagegen liegen die Vorteile im Vergleich zu lebend-attenuierten Impfstoffen vor allem in ihrem minimalistischen Aufbau und dem fehlenden Risiko der Reversion zu einer virulenten Form [4, 5]. Da die Charakteristika der Impfstoffklassen meist unabhängig vom kodierten Antigen sind, können viele der Produktions-, Aufreinigungs- und Validierungsmethoden innerhalb einer einzigen Produktionsstätte für verschiedene Impfstoffe verwendet werden. Dadurch reduzieren sich sowohl die Investitionskosten in neues Equipment als auch die Prozessentwicklungskosten sowie die Dauer für die Herstellung und Entwicklung von Nukleinsäure-basierten Impfstoffen [2, 3, 6]. Im Vergleich zu pDNA haben mRNA-basierte Impfstoffe noch einige weitere Vorteile: So müssen sie zur Proteinexpression (durch Translation an Ribosomen im Zytoplasma) nur die Plasmamembran der Zielzelle durchqueren, wohingegen pDNA-Impfstoffe für die Expression des Antigens bis in den Zellkern gelangen müssen, da sie dort zuvor noch in mRNA transkribiert werden müssen. Darüber hinaus können sich mRNA-Vakzine nicht ins Wirtsgenom integrieren. Im Vergleich zu viralen Vektoren generieren mRNA-basierte Impfstoffe keine infektiösen Partikel und sind aufgrund ihres Designs nicht in der Lage, eine Immunantwort gegen den Vektor zu induzieren [5, 7]. Jedoch sind auch im Feld der mRNA-Vakzine noch einige Hürden zu überwinden. So ist z. B. nackte mRNA sehr instabil und muss vor Verabreichung noch formuliert werden. Für viele dieser Formulierungskomponenten wurden bislang keine klinischen Toxizitätsprofile publiziert. Zudem ist die Rolle der angeborenen Immunantwort bei mRNA-basierten Impfstoffen sehr komplex. Während eine ausgewogene mRNA-induzierte systemische Typ-1-Interferonantwort eine starke adaptive Immunantwort fördert, kann sich eine übermäßige Induktion negativ auf die Expression und Immunogenität der mRNA auswirken [3, 5, 8].

Design von mRNA-basierten Impfstoffen

Gegenwärtig existieren zwei Gruppen von mRNA-Vakzinen, die entweder auf nicht-replizierender oder selbst-amplifizierender mRNA basieren (Abb. 1). Beide Arten nutzen die Translationsmaschinerie der Wirtszelle zur Expression des kodierten Antigens. Dies wiederum induziert die Entwicklung einer antigenspezifischen Immunantwort [4]. Sowohl nicht-replizierende als auch selbst-amplifizierende mRNA-basierte Impfstoffe bestehen aus einer Cap-Struktur, 5’- und 3’-UTRs (untranslatierte Regionen) sowie einem polyadenylierten Bereich (Poly A) am 3’-Ende der mRNA. Diese Strukturen sind wichtig für die Stabilität der mRNA, die Ribosomenzugänglichkeit und die Interaktion mit der Translationsmaschinerie [5]. Zudem tragen beide mRNA-Arten auch die kodierenden Sequenzen des Antigens in Form eines offenen Leserahmens (open reading frame, ORF, Abb. 1), welches später von den Körperzellen exprimiert werden soll.

Im Gegensatz zu nicht-replizierenden mRNAs enthalten selbst-amplifizierende mRNAs einen weiteren offenen Leserahmen, der oft von der alphaviralen RNA-Replikationsmaschinerie abstammt. Dieser Leserahmen kodiert für ein virales Polyprotein, welches nach der Translation proteolytisch in vier Nichtstrukturproteine (nsP1–4) prozessiert wird. Diese Proteine formen einen Replikase-Komplex, der die mRNA innerhalb der Zielzelle vervielfältigt, wodurch nach Impfung eine erhöhte Menge an Antigen exprimiert werden kann [4]. Dies hat zur Folge, dass geringere Mengen an mRNA verabreicht werden können sowie ein zusätzlicher intrinsischer Adjuvanseffekt durch die Erzeugung von doppelsträngigen RNA-Intermediaten während der Replikation entsteht (z. B. durch Aktivierung von Toll-like-Rezeptor (TLR) 3; siehe folgendes Kapitel). Aufgrund ihrer unterschiedlichen Designphilosophie sind jedoch selbst-amplifizierende mRNAs substantiell länger als nicht-replizierende mRNAs. Dies wirkt sich wiederum negativ auf die maximale Größe des kodierenden Antigens sowie auf die Ausbeute bei der Herstellung aus. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass eine Immunantwort gegenüber den Nichtstrukturprotei­nen induziert wird oder eine potentielle Interaktion mit Wirtsfaktoren stattfindet [2, 3, 5, 7].
Um eine optimale Wirksamkeit des Impfstoffes zu gewährleisten, muss die mRNA noch formuliert werden (Abb. 1). Die Formulierung schützt die mRNA vor Degradation durch extrazelluläre Nukleasen und erhöht nach Impfung die Aufnahme und Expression der mRNA in den Körperzellen [8]. Eine der ersten Formulierungsansätze war die Komplexierung von mRNA mit Protamin, einem polykat­ionischen Peptid, welches die mRNA stabilisiert und zusätzliche Adjuvanseigenschaften vermittelt [9–11]. Für ein lyophilisiertes Protamin-formuliertes mRNA-Vakzin gegen Tollwut konnte eindrucksvoll demonstriert werden, dass es seine protektive Wirkung trotz mehrmonatiger Lagerung bei -80 °C bis hin zu 70 °C nicht verliert [12]. Jüngste Daten einer klinischen Studie zeigen die Induktion von virusneutralisierenden Antikörpern mit dieser Protamin-Formulierung, jedoch deuten sowohl die Höhe als auch die Langlebigkeit dieser Antworten darauf hin, dass verbesserte Formulierungen für mRNA-Vakzine benötigt werden [13]. Diese wurden in Lipid-Nanopartikeln (LNPs) gefunden [14]. Hierbei handelt es sich zurzeit um die vielversprechendsten und am häufigsten verwendeten Agenzien für die Formulierung von mRNA-basierten Impfstoffen. LNPs verkapseln die mRNA in kleine Vesikel, wodurch sie geschützt wird, und erhöhen zusätzlich die Aufnahme des Impfstoffes in die Zelle. Hierdurch wird eine erhöhte Expression erreicht [2, 8].
Neben der Formulierung kann die Effizienz von mRNA-basierten Impfstoffen auch noch durch weitere Modifikationen erhöht werden. Gängige mRNA-Optimierungsansätze sind etwa die GC-Anreicherung, die Entfernung von seltenen Codons oder die Verwendung von chemisch modifizierten Nukleotiden (keine Option bei selbst-amplifizierenden mRNAs) [3, 5].

Postulierter Wirkmechanismus von mRNA-basierten Impfstoffen

Der genaue Mechanismus der Immunsystemaktivierung durch mRNA-basierte Impfstoffe ist noch nicht vollständig aufgeklärt. Er ist stark vom Ort der Immunisierung als auch von der mRNA selbst und ihrer Formulierung abhängig. Systemisch (intravenös) verabreichte LNP-formulierte mRNA reichert sich etwa in der Leber an, während eine intramuskuläre, intradermale oder subkutane Verabreichung zu einer verlängerten Protein­expression am Injektionsort führt [2, 4, 7].
Für LNPs wurde beispielsweise gezeigt, dass sie über Endozytose in die Zielzelle gelangen, und erst bei der Bildung von späten Endolysosomen mit der Membran fusionieren und die mRNA ins Zytosol abgeben, wo die mRNA von Ribosomen translatiert wird [5, 8]. Intrazellulär kann die mRNA auch über endosomale (z. B. TLR3, TLR7 oder TLR8) oder zytoplasmatische RNA-Sensoren (z. B. RIG-1 (retinoic acid inducible gene-I) und MDA5 (melanoma differentiation-associated gene 5)) erkannt werden. RNA-Sensoren werden ausschließlich intrazellulär exprimiert und sind in der Lage, RNA von viraler oder bakterieller Herkunft zu erkennen [15]. Durch Aktivierung von RNA-Sensoren kommt es zur Freisetzung von Zytokinen und Chemokinen an der Immunisierungsstelle, was wiederum zur Infiltration von Immunzellen des angeborenen Immunsystems führt (z. B. Neutrophile, Monozyten, dendritische Zellen (DCs) oder Makrophagen) [3, 4, 7, 16]. Für Protamin-formulierte nicht-replizierende mRNA wurde gezeigt, dass sie sowohl von Nicht-Immunzellen, als auch von Antigen-präsentierenden Zellen aufgenommen und durch DCs zum drainierenden Lymphknoten transportiert wird. Dort konnten die Expression des kodierten Antigens und die Aktivierung von Immunzellen gezeigt werden, die für die Induktion einer adaptiven Immunantwort notwendig sind [11]. Für einen LNP-formulierten nicht-replizierenden mRNA-basierten Impfstoff konnte nach intramuskulärer Immunisierung eine starke Aktivierung des angeborenen Immunsystems an der Injektionsstelle sowie im drainierenden Lymphknoten gezeigt werden. Dabei wurde eine transiente Induktion von proinflammatorischen Zytokinen und Chemokinen sowie eine Aktivierung der Mehrheit an Immunzellen im drainierenden Lymphknoten nachgewiesen [14]. Eine weitere Studie konnte demonstrieren, dass mRNA-basierte Impfstoffe eine Typ-1-Inter­feron-abhängige Immunaktivierung induzieren, die zu einer Differenzierung von Antigen-spezifischen CD4+-T-Zellen im drainierenden Lymphknoten führt [17]. Unter den professionellen Antigen-präsentierenden Zellen spielen vor allem DCs eine wichtige Rolle bei der Induktion einer Antigen-spezifischen Immunantwort nach Immunisierung mit einem mRNA-basierten Impfstoff [3]. Nach Internalisierung des mRNA-Vakzins durch z. B. konventionelle DCs am Injektionsort exprimieren diese das kodierte Antigen in seiner nativen Form [17], prozessieren es zu antigenen Peptiden und präsentieren diese im drainierenden Lymphknoten über die Haupthistokompatibilitäts­komplex-Moleküle MHC-Klasse-I an CD8+-T-Zellen bzw. nach Aufnahme und Prozessierung von bereits exprimierten, extrazellulären Antigenen über MHC-Klasse-II an CD4+-T-Zellen. Dies führt auf der einen Seite zur Aktivierung von zytotoxischen T-Zellen und auf der anderen Seite zur Unterstützung der Differenzierung von B-Zellen zu Antikörper-sezernierenden Plasmazellen durch T-Helferzellen [3, 17]. Abb. 2 fasst die Vorgänge von der Verabreichung eines mRNA-LNP-Impfstoffes bis hin zur Aktivierung des adaptiven Immunsystems nochmals grafisch zusammen.

mRNA-basierte Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten

Eine zunehmende Zahl an präklinischen Studien konnte bereits das protektive Potential von mRNA-basierten Impfstoffen gegen viele gefährliche Krankheitserreger in verschiedenen Tiermodellen demonstrieren. Darunter befinden sich beispielsweise mRNA-Vakzine gegen das Influenza-Virus [14, 18], das Tollwut-Virus [19], das Zika-Virus oder das Ebola-Virus. Neben viralen Erkrankungen können mRNA-basierte Impfstoffe aber auch einen Schutz gegen bakterielle und parasitäre Infektionen vermitteln, wie am Beispiel von Streptokokken und Malaria bereits eindrucksvoll gezeigt wurde [3, 5]. Eine kürzlich publizierte in vitro Studie zeigt die Verwendung von mRNA transfizierten Monozyten-gereiften DCs für Staphylococcus aureus. Im Gegensatz zu nativem Protein-Antigen induziert mRNA-kodiertes Antigen eine von T-Helferzellen vom Typ 1 (TH1) dominierte Immunantwort in vitro und verhindert dadurch die Entwicklung einer Immuntoleranz gegen diesen wichtigen nosokomialen bakteriellen Erreger [20].
Aufgrund dieser Erfolge in der präklinischen Forschung wurden bereits zahlreiche klinische Studien mit mRNA-Vakzinen gestartet. Bei dem ersten mRNA-basierten prophylaktischen Impfstoff gegen eine Infektionskrankheit, der in der Klinik evaluiert wurde, handelte es sich um ein Protamin-formuliertes nicht-replizierendes mRNA-Vakzin gegen Tollwut [13]. Der Impfstoff zeigte ein akzeptables Sicherheitsprofil in der Phase I. Außerdem war er in der Lage, nach intra­dermaler, nadelfreier Injektion virusneutralisierende Antikörper zu induzieren, die über einem Schwellenwert lagen, der laut WHO mit Protektion korreliert. Diese Studie lieferte wichtige Erkenntnisse für die Entwicklung von verbesserten Impfstoffkandidaten. Erste Ergebnisse einer anschließenden klinischen Studie mit einem LNP-formulierten nicht-replizierenden mRNA-Vakzin gegen Tollwut deuten darauf hin, dass nach intramuskulärer Verabreichung bereits mit einer sehr niedrigen Dosierung von 1 µg Immunantworten (virusneutralisierende Antikörper) induziert werden können, die mit Protektion korrelieren und gut verträglich sind [21].
In der Folge wurden klinische Studien mit anderen mRNA-basierten Impfstoffen gegen weitere Infektionskrankheiten gestartet. Darunter befinden sich auch zwei Studien mit mRNA-Vakzinen gegen Influenza-Viren, in denen gezeigt wird, dass durch die Impfstoffe funktionale Antikörper induziert werden können, die für saisonale Grippe-Impfstoffe mit Schutz korrelieren [22, 23]. Ein mRNA-Vakzin gegen das humane Zytomegalievirus wird derzeit nach positiven Ergebnissen einer laufenden Phase-I-Studie als erster mRNA-Impfstoff gegen eine Infektionskrankheit in einer klinischen Phase-II-Studie getestet [24]. Die Ergebnisse weiterer klinischer Studien mit mRNA-basierten Impfstoffen z. B. gegen das Zika-Virus oder das Chikungunya-Virus stehen noch aus [5].

mRNA-basierte Impfstoffe gegen COVID-19

Bei COVID-19 (coronavirus disease 2019) handelt es sich um eine neuartige, vornehmlich respiratorische Infektionskrankheit, verursacht durch das Coronavirus SARS-CoV-2 (severe acute respiratory syndrome coronavirus 2). Die meisten Patienten mit COVID-19 zeigen leichte bis mittelschwere Symptome, ungefähr 15 % entwickeln jedoch eine schwere Lungenentzündung und bei rund 5 % der Patienten führt die Infektion schließlich zu einem akuten Atemnotsyndrom (ARDS), einem septischen Schock und/oder einem multiplen Organversagen [25]. SARS-CoV-2 ist wahrscheinlich durch eine Zoonose von Fledermäusen (möglicherweise über einen Zwischenwirt) auf den Menschen übergesprungen und breitet sich nun durch Mensch-zu-Mensch-Übertragungen aus. Die ersten Berichte von COVID-19 stammen von Anfang Dezember 2019 aus Wuhan, China, wo der Ausbruch einer bis dahin unbekannten viralen Infektionskrankheit mit einem lokalen Fisch- und Wildtiermarkt assoziiert wurde. Seither hat sich SARS-CoV-2 innerhalb weniger Wochen weltweit verbreitet, weshalb im März 2020 COVID-19 von der WHO zur Pandemie erklärt wurde. Innerhalb weniger Monate haben sich mehrere Millionen Menschen in nahezu allen Ländern der Erde infiziert, wobei bis Ende April 2020 bereits mehr als Zweihunderttausend Menschen an COVID-19 und hierdurch ausgelösten Komplikationen verstorben sind [26]. Da es derzeit keine Therapeutika oder Impfstoffe gegen diese Infektionskrankheit gibt, haben viele Länder massive Einschränkungen des öffentlichen Lebens eingeführt, um die Ausbreitung der Pandemie zu verlangsamen. Maßnahmen wie Grenzschließungen, Reisebeschränkungen, Versammlungsverbote und Quarantäneverordnungen haben dramatische sozioökonomische Konsequenzen zur Folge. Es drohen eine weltweite Rezession und eine Weltwirtschaftskrise [27].   
Weltweit wird fieberhaft an einem Impfstoff gegen COVID-19 geforscht. Die WHO listet mit Stand 5. Mai 2020 bereits 8 Impfstoffkandidaten, die klinisch getestet werden, und 100 Vakzine, die derzeit präklinisch untersucht werden. Darunter befinden sich auch insgesamt 16 mRNA-basierte Impfstoffkandidaten [28]. Das zu einem so frühen Zeitpunkt nach dem Auftreten eines neuen Erregers bereits mehrere Impfstoffkandidaten in der klinischen Entwicklung sind, ist sehr ungewöhnlich und spiegelt die Schwere der aktuellen Pandemie dar. Jedoch ist dies auch durch präklinische und klinische Forschungen in den letzten Jahren möglich geworden, da vor allem für Impfstoffplattformen, also Technologien, die für mehrere Pathogene nutzbar sind, Daten zu Sicherheit dieser Technologien für verschiedene Vakzinkandidaten in toxikologischen und klinischen Studien gesammelt werden konnten. Dies ermöglicht einen beschleunigten Eintritt in die klinische Prüfung ohne längere zusätzliche präklinische Studien. Zudem basiert die Herstellung bei den mRNA-Plattformen immer auf denselben Schritten, sodass z. B. die Firma Moderna 63 Tage nach der Veröffentlichung der Sequenz des SARS-CoV-2 S-Proteins die klinische Prüfung beginnen konnte, indem sie eine Herstellungsplattform verwendet haben, die für die individualisierte Krebstherapie entwickelt wurde. Hierbei hat sicherlich geholfen, dass Vordaten zu einem Impfstoffkandidaten gegen das verwandte MERS-Virus vorlagen [29]. Der Eintritt in die klinische Entwicklungsphase durch die Firma BioNTech geschah ebenfalls sehr rasch. Bereits Ende April hat das Unternehmen die Zulassung für eine klinische Prüfung mit gleich vier mRNA-basierten Impfstoffkandidaten gegen COVID-19 genehmigt bekommen [30]. Die CureVac AG berichtet, dass sie Mitte des Jahres mit der klinischen Prüfung eines mRNA-Vakzins beginnen will, was im Gegensatz zu einer herkömmlichen Impfstoffentwicklung, bei der auch mehrere Jahre in der präklinischen Phase verbracht werden können, immer noch sehr schnell ist [31].
Viele der getesteten COVID-19-Impfstoffe konzentrieren sich auf das virale Oberflächen-Glykoprotein „Spike“ (S-Protein) als Zielantigen. Das S-Protein dient der Rezeptorerkennung und Membranfusion mit der Wirtszelle und ist für eine Infektion von Körperzellen essentiell. Als Wirtsrezeptor fungiert ACE2 (angiotensin-converting enzyme 2), welcher eine wichtige Rolle in der Reifung von Angiotensin hat, einem Peptidhormon, das die Vasokonstriktion und den Blutdruck steuert. Während der Virusinfektion wird das trimere S-Protein in S1- und S2-Untereinheiten gespalten und die S1-Untereinheiten werden beim Übergang zur Postfusionskonformation freigesetzt. Die S1-Untereinheit enthält die Rezeptorbindungsdomäne (RBD), die direkt an die Peptidasedomäne von ACE2 bindet, während die S2-Untereinheit für die Membranfusion verantwortlich ist [32]. Bei SARS-CoV, einem engen Verwandten von SARS-CoV-2 und Erreger von SARS, wurde gezeigt, dass vor allem die RBD des S-Proteins das Ziel von virusneutralisierenden Antikörpern – und somit auch von großem Interesse für die Vakzinentwicklung gegen COVID-19  – ist [33]. Interessanterweise wurde bereits eine Korrelation zwischen einer IgG-Antikörperantwort gegen die RBD des S-Proteins von SARS-CoV-2 und virusneutralisierenden Antiköpertitern in COVID-19-Patienten nachgewiesen [34]. Aufgrund der großen Anzahl von Impfstoffkandidaten thematisiert dieser Artikel nur mRNA-basierte Impfstoffkandidaten gegen COVID-19 und fokussiert sich hier auf die Entwicklungsaktivitäten der drei großen Unternehmen auf dem Gebiet der mRNA-Technologie CureVac, Moderna und BioNTech, da es momentan unwahrscheinlich erscheint, dass z. B. akademische Ansätze rechtzeitig die notwendigen Produktionskapazitäten aufbauen können und somit einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der COVID-19-Pandemie nehmen könnten.
Der Ansatz von CureVac zur Entwicklung eines COVID-19-Vakzins beruht auf LNP-formulierter nicht-replizierender mRNA, die für das S-Protein von SARS-CoV-2 kodiert (unpublizierte Daten). Moderna verwendet einen ähnlichen Ansatz wie CureVac, der ebenfalls auf dem S-Protein basiert, jedoch chemisch modifizierte anstatt unmodifizierter Nukleotide bei der Herstellung der mRNA nutzt [35]. BioNTech wiederum plant vier LNP-formulierte Impfstoffkandidaten in der Klinik zu testen. Zwei Kandidaten beinhalten chemisch modifizierte Nu­kleotide, einer verwendet unmodifizierte Nukleotide, und der vierte Impfstoffkandidat nutzt selbstamplifizierende mRNA. Dabei kodieren zwei mRNAs für das gesamte S-Protein, während die anderen beiden nur die optimierte RBD des S-Proteins beinhalten [30]. Studien haben gezeigt, dass es durchaus Unterschiede in der Höhe der induzierten Zytokin-, B-Zell- und T-Zell-Antworten zwischen den verschiedenen mRNA-Formaten gibt. Jedoch ist derzeit unklar, ob und welche mRNA-Formate effektiver in der Bekämpfung verschiedener Infektionskrankheiten sind [36]. Darum ist es für die schnelle Entwicklung eines wirksamen mRNA-basierten Impfstoffes gegen COVID-19 von großem Vorteil, wenn gleichzeitig mehrere Hersteller verschiedene Ansätze in klinischen Studien testen.
Im Zusammenhang mit der Impfstoff­entwicklung gegen COVID-19 werden in den Medien unterschiedliche Zeitlinien gehandelt. Zum Teil gibt es Aussagen zu sehr kurzen Zeitlinien, ohne das klar ist, was nach dieser kurzen Zeitlinie als „Impfstoff“ vorliegt und welche Schritte der klinischen Entwicklung bis dahin abgeschlossen sind. Zeitlinien von 12 bis 18 Monaten werden mit dem Nachweis von Wirksamkeit in Verbindung gebracht. Ob diese Zeitlinien jedoch bereits eine regulatorische Zulassung beinhalten und nach welchem Verfahren diese Zulassung erfolgen soll (und durch welche Behörden in welchen Ländern) ist nicht gesichert. Aufgrund der fehlenden klinischen Daten ist es auch nicht bekannt, welche Dosis eines Impfstoffkandidaten eine optimale Immunantwort geben wird, von Wirksamkeitsdaten ganz zu schweigen. Zusätzlich sind die Produktionskapazitäten für den jeweiligen Impfstoff nicht bekannt, was insofern nicht unerwartet ist, da die Produktionsanlagen für eine Marktversorgung noch nicht ausreichend etabliert wurden. Die Firma CureVac hat eine Finanzierung von der Europäischen Kommission für den Aufbau einer solchen Produktionsanlage erhalten [31]. Von Moderna ist bekannt, dass sowohl das Zulassungsverfahren als auch der Ausbau der Herstellung für eine Marktversorgung von der US-Regierungsorganisation BARDA finanziert wird [35]. BioNTech ist eine Allianz mit zwei anderen Firmen eingegangen, Fosun Pharma für die Entwicklung und Vermarktung in China sowie dem Pharmaunternehmen Pfizer für die restliche Welt [30].
Hinsichtlich einer möglichen Zulassung von COVID-19-Impfstoffen erscheint eine Genehmigung durch den Weg der klassischen Phase-III-Effizienzstudien aufgrund der Dramatik der Pandemie als zu zeitintensiv. Alternative Wege könnten beschleunigte Zulassungsverfahren sein, wie die „Emergency Use Authorization“ der US-amerikanischen FDA oder auch der Weg der „Conditional Approval“ durch die europäische Zulassungsbehörde EMA. Die Firma Moderna hat sich zu diesem Aspekt dahingehend zu Wort gemeldet, dass sie eine „Emergency Use Authorization“ anstreben würde [29]. Dabei liegt der Schwerpunkt der Zulassung darauf, dass sich das Medizinprodukt als sicher erwiesen hat, jedoch noch keine Effizienzdaten aus klinischen Effizienzstudien der Phase III vorliegen müssen. Auch für die Zulassung unter einer „Conditional Approval“ liegen nicht genug Effizienzdaten vor, die eine Zulassung auf dem herkömmlichen Weg erlauben; das Produkt muss jedoch vor allem sicher sein. Sehr wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass das Risikoprofil der Impfstoffe ausreichend gut ist. Vollständige Effizienz- und weitere Sicherheitsdaten würden im Nachgang der bedingten Zulassung erbracht werden, was wiederum später eine volle Zulassung ermöglichen könnte.
Darüber hinaus wurden viele dieser sehr schnell begonnenen klinischen Studien auch aufgrund der raschen Finanzierungszusagen durch die globale Impfallianz CEPI (Coalition for Epidemic Prepardness Innovation) möglich gemacht. Diese erst 2017 gegründete und daher noch sehr junge Organisation hat es sich zum Ziel gemacht, die Impfstoffentwicklung gegen Pathogene mit pandemischem Potential (jedoch auch gegen eine unbekannte Erkrankung „Disease X“) zu finanzieren, um epidemische Ausbrüche zu verhindern, bevor sie sich zu humanitären Katastrophen ausweiten können. Zu diesem Zweck finanziert CEPI bereits seit einigen Jahren Entwicklungsprojekte, um Impfstoffplattformen zu evaluieren, damit zukünftig noch schneller auf Epidemien reagiert werden kann. Das Auftreten von COVID-19 fällt nun genau in den Zeitraum, in dem diese Plattformen gerade aufgebaut werden, wodurch das volle Potential noch nicht einsatzbereit ist. Jedoch zeigen die derzeit sehr schnell beginnenden klinischen Entwicklungen, was möglich ist, und dass die Idee hinter CEPI keine Science-Fiction ist. Es ist zu erwarten, dass hier zusätzliche technische Entwicklungen gefördert und die Reaktionszeiten bei solchen Ausbrüchen noch weiter reduziert werden können. Es ist zu hoffen, dass neben CEPI und der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung (die sowohl ein Geldgeber für CEPI und der Impfallianz Gavi ist und weltweit viele andere Impfstoffprojekte fördert) nationale und weitere internationale Forschungsförderer die Innovation in diesem Gebiet weiter fördern und diese wichtige Förderung noch zusätzlich ausbauen. In einer idealen Welt würden wir in den nächsten Jahren Impfstoffkandidaten gegen alle bekannten humanen Erkrankungen mit pandemischem Potential, aber auch gegen weitere Pathogene, die bisher nur in Tieren aufgetreten sind, jedoch ein zoonotisches Potential haben, entwickeln. Dies würde zur Folge haben, dass die Menschheit beim nächsten Ausbruch von Zika, MERS, SARS, pandemischer Influenza, weiteren Coronaviren und um welches Virus es sich auch immer handeln wird, noch besser gerüstet ist. mRNA-basierte Impfstoffe werden, so sie denn ihre Versprechen halten, hierbei eine wichtige Rolle spielen. Auch weil wir noch schnellere Antworten auf Pandemien wie COVID-19 brauchen. Für diese Vorbereitung müssen wir auch von COVID-19 lernen und die Zeit nutzen, denn das nächste Virus ist nur eine Tierspezies entfernt. In Anbetracht der nun durch COVID-19 und seine Folgen anfallenden gigantischen Kosten sind die hierfür benötigten Forschungs- und Investitionsmittel sehr gut investiert.

Fazit

Im letzten Jahrzehnt haben sich mRNA-basierte Impfstoffe zu einer vielversprechenden Vakzin-Plattform entwickelt. Diese neue, vielseitige, stabile, schnelle und verhältnismäßig günstige Technologie bietet die Chance, bestehende Impfstoffe zu verbessern und gegenwärtige sowie zukünftige Infektionskrankheiten mit hohem pandemischem Potential effizient zu bekämpfen. Darüber hinaus ergibt sich die Möglichkeit, auf neue Bedrohungen, wie z. B. multiresistente Erreger, schnell zu reagieren. Weitere Studien sind notwendig, um die Funktionsweise und das Potential von mRNA-basierten Impfstoffen vollständig zu verstehen. Es scheint jedoch nur eine Frage der Zeit zu sein, bis mRNA-Vakzine zur Bekämpfung von Infektionskrankheiten bei Menschen und Tieren zugelassen werden können.


Dieser Beitrag basiert auf dem in Trillium Immunologie 2019; 3(3):159–163 erschienenen Beitrag „Design und Funktionsweise von mRNA-basierten Impfstoffen zum Schutz vor Infektionskrankheiten“ und wurde für diese Ausgabe überarbeitet und ergänzt.


Interessenskonflikte

Sandro Roier und Benjamin Petsch sind Angestellte der CureVac AG, einer Firma, die mRNA-basierte prophylaktische und therapeutische Impfstoffe entwickelt. Darüber hinaus sind beide als Erfinder in Patenten/Patentanmeldungen zu mRNA-Vakzinen genannt.

Danksagungen

Wir danken unseren Kollegen Dr. Stefan O. Mueller und Dr. Dimitris Voliotis für das kritische Lesen des Manuskripts sowie Dr. Bettina Danker für die Bereitstellung der exzellenten grafischen Illustrationen.