Das Mikrobiom im Dialog mit therapeutischen T-Zellen

DOI: https://doi.org/10.47184/ti.2021.03.01

Die Besiedlung unseres Darms mit Bakterien und Pilzen steht im Zusammenhang mit der Entstehung unterschiedlicher Entzündungs-, Autoimmun- und Tumorkrankheiten. Insbesondere lösliche, mikrobielle Stoffwechselprodukte sind in der Lage, die Aktivität von Immunzellen und somit die Effektivität von Immuntherapeutika zu modulieren. Das Verständnis der zellulären Wirkmechanismen ermöglicht spezifische Modifikationen, welche die Funktion von Tumor-spezifischen T-Zellen verbessern. Somit stellt das Mikrobiom eine „Schatzkiste” gefüllt mit biologisch aktiven Molekülen dar, die sowohl die Entwicklung neuartiger Immunzell-Therapien erlauben, als auch dabei helfen können, den Therapie-Erfolg anhand des Patienten-spezifischen Profils von Darmbakterien und mikrobiellen Metaboliten vorherzusagen.

Schlüsselwörter: Mikrobiom, Immuntherapie, T-Zell-Engineering

Einleitung

„Du bist, was du isst“ – dieser Ausspruch hat über die letzten Jahre in der Forschung an Bedeutung gewonnen, denn immer mehr Daten zeigen einen Zusammenhang zwischen unserer Ernährung, der Zusammensetzung an Darmbakterien und unserer Gesundheit. Unser Darm ist das Zuhause einer großen Gesellschaft von Mikroorganismen, die in ein komplexes zelluläres Netzwerk mit symbiotischem Charakter integriert ist. Die Vertreter des Mikrobioms unterstützen uns nicht nur bei der Verdauung unserer Nahrung, sondern besitzen ein großes Repertoire an Genen, die in Säugerzellen fehlen [1]. Jene Gene werden u. a. für Stoffwechselprozesse benötigt, deren Endprodukte meist selbst bioaktive Moleküle sind. Die löslichen Stoffwechselprodukte wie kurzkettige Fettsäuren (KKFS), sekundäre Gallsäuren oder Inosin überbrücken die Kluft zwischen kommensalen Bakterien und Immunzellen [2–4]. Sie tragen dabei zur Darm-Homöostase bei, einem Gleichgewicht der Bakterien-Säuger-Zell-Interaktionen und regulatorischer Mechanismen [5].

Mikrobielle Metaboliten beeinflussen Physiologie und Pathophysiologie

KKFS gehören zu den dominantesten Metaboliten des Darmmikrobioms und brachten die Forschung rund um diese in Bewegung. Vertreter dieser Substanzklasse wie Butyrat sind in der Lage, die Differenzierung naiver T-Zellen in regulatorische T-Zellen (Tregs) im Darm zu fördern [2]. Diese unterdrücken Entzündungsreaktionen durch das Herabregulieren der Immunzell-Aktivität. Butyrat ist zudem in der Lage, in Darm-Epithelzellen die Produktion antimikrobieller Substanzen anzuregen, die zur Darm-Homöostase beitragen [6]. Aktuelle Studien zeigen, dass die mikrobielle Komposition sowie ihre Metaboliten nicht nur lokal im Darm wirken, sondern auch im Kontext verschiedener physiologischer Prozesse, Organsysteme und Erkrankungen Einfluss nehmen können. KKFS sind u. a. bei Autoimmunkrankheiten wie multipler Sklerose oder allergischen Reaktionen wie Asthma untersucht worden [7, 8]. Studien belegen darüber hinaus, dass KKFS die Immunzellfunktion modulieren können. Nicht nur die Aktivierung von T-Zellen und Makrophagen, sondern auch die Antikörperproduktion durch B-Zellen können durch diese verstärkt werden, sodass eine erfolgreiche Abwehr gegen infektiöse Erreger wie Bakterien oder Viren gewährleistet wird [9, 10]. Neben KKFS haben auch sekundäre Gallsäuren Ursprung im Darm. Sie entstehen durch die Transformation ihrer primären Gegenstücke aus der Leber durch Darmbakterien und können hepatische Entzündungsreaktionen sowie Fettakkumulation beeinflussen. Mikrobielle Metaboliten greifen jedoch ebenso in physiologische Prozesse wie die Glukoseaufnahme in Leber sowie Darm ein [11]. 

Das Mikrobiom in der Immuntherapie ist Neuland

Insbesondere der Einfluss des Mikrobioms auf das Tumorwachstum sowie auf den Erfolg von Anti-Tumor-Therapien ist in den letzten Jahren immer mehr in den Fokus der Forschung gerückt. Kürzlich konnte nachgewiesen werden, dass intra-tumorale Bakterien Enzyme besitzen, die Chemotherapeutika wie Gemcitabin abbauen können [12]. Die entstandene Chemoresistenz konnte durch Antibiotika-Gabe behoben werden. Zudem wurde früh beobachtet, dass insbesondere keimfreie Mäuse, die keinerlei bakterielle Besiedlung besitzen, nicht auf Immuntherapie-Ansätze reagieren [13]. Welche Mechanismen darin involviert sind, ist bis heute allerdings nur oberflächlich untersucht worden. Deswegen besteht ein großes Interesse daran, die Interaktion zwischen mikrobiellen Metaboliten und dem Immunsystem zu verstehen, um diese Erkenntnisse für die Entwicklung neuer Krebs-Therapeutika zu nutzen. T-Zellen spielen dabei eine zentrale Rolle. Zu den Hauptzweigen der Immuntherapie gehören die Immun-Checkpoint-Blockade (ICB) sowie der Einsatz von chimären Antigen-Rezeptor (CAR-)T-Zellen. Am Beispiel von KKFS und Inosin, zweier Klassen bakterieller Metaboliten, soll der Einfluss löslicher Mikro­biom-Faktoren auf die T-Zell-vermittelte Tumortherapie im Folgenden besprochen werden.

Mikrobielles Inosin verstärkt die Immun-Checkpoint-Therapie

Im Rahmen der ICB werden blockierende Antikörper gegen Ziel-Checkpoint-Moleküle wie programmed cell death protein 1 (PD-1) oder cytotoxic T lymphocyte-associated antigen 4 (CTLA-4) eingesetzt. Die Blockade dieser immun-inhibitorischen Moleküle führt zu einer stärkeren Infiltration des Tumors durch T-Zellen, die ihre Anti-Tumor-Aktivität länger aufrechterhalten können. Obwohl diese Therapieform bereits große Erfolge bei Responder-Patienten erzielen konnte, gibt es gleichsam solche, die nicht auf eine ICB ansprechen (Non-Responder) [13, 14]. Um diesen Aspekt zu erforschen, haben Wissenschaftler keimfreie Mäuse mit Mikrobiota von Patienten durch Stuhltransplantation besiedelt, die eine PD-1-Blockade erhalten hatten. Während Mäuse mit den Mikrobiota von Respondern eine Verbesserung der Tumorabwehr bei Anti-PD-1-Verabreichung zeigten, blieb diese bei Transfer von Non-Responder-Stuhl aus [14]. Die Versuche betonten die Abhängigkeit der Therapie-Effizienz vom Mikrobiom, ließen jedoch die Rolle löslicher Faktoren im Unklaren. Kürzlich wurde das Purin-Derivat Inosin als Produkt des kommensalen Bakteriums Bifidobacterium pseudolongum aus dem Darmlumen identifiziert. Es wurde gezeigt, dass Inosin in der Lage ist, die Frequenz der T-Helfer-Zell-Population Th1 zu erhöhen. Diese zeichnet sich durch die Expression des Transkriptionsfaktors T-bet sowie des inflammatorischen Zytokins IFN-γ aus. Die Verabreichung von Inosin führte zum einen zu einer verstärkten Präsenz des Rezeptors IL12RB2 und zum anderen zu der Aktivierung des Rezeptors A2AR. Die Signalkaskaden beider Oberflächenmoleküle förderten die Differenzierung sowie die Anti-Tumor-Aktivität von Th1-Zellen, die in A2AR-defizienten Tieren stark reduziert waren (Abb. 1) [4]. 

Die Studie legt nahe, dass die Produktion von Mikro­biota-produziertem Inosin als Adjuvans eingesetzt werden könnte, um Nutzen aus dessen therapeutischen Potential bei der Effizienz-Steigerung von ICB-Behandlungen zu ziehen.

Das Konzept der zellulären Immuntherapie

T-Zellen sind eine essentielle Immunzell-Gruppe bei der Tumorbekämpfung. Obwohl sie Zielstrukturen mit hoher Spezifität über ihren T-Zell-Rezeptoren (TZR) erkennen können, ist dieser auf die Präsentation jener Antigene über HLA-Moleküle auf körpereigenen Zellen angewiesen. Aufgrund des hohen Variantenreichtums der Humanen-Leukozyten-Antigen(HLA)-Moleküle zwischen Menschen ist es nur schwer möglich, T-Zellen mit einem vordefinierten TZR von einem Spender auf den jeweiligen Empfänger zu übertragen. Um diesen Nachteil zu kompensieren, haben Forscher die variable, Antigen-bindende Region von Antikörpern mit den Signal-übertragenden Elementen des TZRs kombiniert. Auf diese Weise entstand ein chimärer Antigen-Rezeptor (CAR), der seine Zielantigene HLA-unabhängig erkennt und die CAR-T-Zelle aktiviert. Für die klinische Anwendung werden dem Patienten T-Zellen entnommen, die den CAR ex vivo über viralen Gentransfer erhalten. Die so hergestellten CAR-T-Zellen können danach als therapeutisches Produkt in den Körper zurücktransferiert werden [15].  Obwohl die Wirksamkeit der CAR-Therapie bei der Behandlung von B-Zell-Lymphomen großen Erfolg verzeichnet, ist ihre Wirksamkeit bei soliden Tumoren bislang noch begrenzt, bedingt durch das immunsuppressive Tumor-Mikromilieu, sodass neue Modifikationen gesucht werden, um CAR-T-Zellen gegen dieses zu wappnen.

KKFS modulieren die zelluläre Immuntherapie

Kürzlich konnte eine Rolle mikrobieller KKFS bei der Modulation Tumor-spezifischer T-Zellen und CAR-T-Zellen beschrieben werden. Die kleinen Moleküle sind Produkte der bakteriellen Ballaststoff-Fermentation und wirken über unterschiedliche Mechanismen. KKFS können nicht nur die Signalübertragung in T-Zellen beeinflussen, sondern sind zudem in der Lage, Veränderungen in deren Stoffwechsel sowie deren epigenetischer Genregulation zu verursachen. Zum einen können sie die Stoffwechselaktivität der Zellen in Richtung Glykolyse verschieben, die mit der Effektorfunktion von zytotoxischen T-Zellen assoziiert ist [16]. Zum anderen wirken KKFS als Hemmstoffe für Histon-Deacetylasen (HDACs), die den dynamischen Prozess der Histon-Acetylierung im Zusammenspiel mit Histon-Acetyl-Transferasen steuern. HDAC-Inhibition führt zu einer Akkumulation von Acetylgruppen an den Histonen, verringert die Verpackungsdichte des Chromatins und macht dieses so zugänglicher für die Transkriptionsmaschinerie. Außerdem konnten biochemische Analysen kürzlich neue KKFS-basierte Histon-Acetylierungen wie Propionylierung und Butyrylierung als Zeichen aktiven Chromatins bei eukaryotischen Zellen nachweisen [17]. Die KKFS Pentansäure/Valeriansäure, produziert von dem Bakterium Mega­sphaera massiliensis, vermittelte die Hemmung von HDACs und induziert die Expression verschiedener Faktoren, die mit zytotoxischen T-Zellen assoziiert sind. Der adoptive Transfer von in vitro modulierten Tumor-spezifischen T-Zellen und von CAR-T-Zellen konnte eine Verbesserung ihrer Anti-Tumor-Aktivität in Mausmodellen für solide Tumoren erzielen (Abb. 2) [18]. 

Eine weitere Studie wies nach, dass die KKFS Butyrat über ähnliche Mechanismen die Anti-Tumor-Antwort verbessert, indem sie die Signalgebung durch das Zytokin Interleukin-12 hochreguliert [19]. Neben diesen positiven Beobachtungen darf nicht unerwähnt bleiben, dass auch negative Effekte von KKFS auf die Tumorimmunologie beschrieben worden sind. Diese beinhalten die Reduktion kostimulatorischer Signale auf dendritischen Zellen oder auf die Wirkung von ICB [20]. Zusammengefasst sind KKFS ein Beispiel, wie mikrobielle Metabolite im metabolisch-epigenetischen Dialog mit Immunzellen stehen, sodass ihre Funktionen sowie ihre Anti-Tumor-Aktivität beeinflusst werden. 

Zukunftsperspektiven

Unser Mikrobiom setzt sich aus einer Vielzahl von Mikrorganismen zusammen, die als kleine Fabriken betrachtet werden können. Ihre Produkte entstammen dem bakteriellen Stoffwechsel und sind in der Lage, unsere Zellen sowie ihre Funktion auf verschiedenen Ebenen zu verändern. Verstehen wir die molekularen Mechanismen dahinter, können wir dieses Wissen zur Reprogrammierung therapeutischer Immunzellen nutzen. Es ist denkbar, dass wir die Modulation von therapeutischen T-Zellen durch mikrobielle Metaboliten in ihr Herstellungsprotokoll integrieren können, um die Effektivität der Zellprodukte zu steigern. Gleichzeitig würde ein tieferes Verständnis der zellulären Veränderungen gestatten, die daraus entstehenden neuen Funktionen über genetische Veränderungen zu konservieren. Studien, welche die Mikrobiom- und Metaboliten-Profile von Krebs-Patienten zu verschiedenen Zeitpunkten der Immunzell-Therapie mit dem klinischen Ergebnis korrelieren, könnten helfen, die Erfolgschancen des Zellproduktes vorherzusagen. Die Mikro­biom-Immunzell-Interaktion hat das Potential, nicht nur die zelluläre Tumor-Therapie zu beeinflussen, sondern wird sicherlich ebenso eine Rolle bei der Entwicklung von Zellprodukten gegen entzündliche und autoimmune Erkrankungen spielen.

Danksagung

Diese Arbeit wurde von der P. E. Kempkes-Stiftung (01/2019) und der DFG (DFG-VI562/7-1) unterstützt.
 

Autoren
Prof. Dr. Alexander Visekruna
Institut für Medizinische Mikrobiologie & Krankenhaushygiene
Philipps-Universität Marburg
Dr. Maik Luu
Medizinische Klinik und Poliklinik II
Universitätsklinikum Würzburg
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