Management der Adipositas: Wichtige Aufgaben für die Labormedizin

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2025.01.05

Eine Adipositas geht häufig mit Begleit- und Folgeerkrankungen einher. Ihre Diagnose ist wichtig für Überweisungen an Spezialist:innen und für das Einleiten einer geeigneten Therapie wie beispielsweise der bariatrischen Chirurgie oder der Agonisten des Glukagonlike-Peptide-1-Rezeptors. Der folgende Beitrag zeigt, welche Rolle die Labormedizin in diesem Zusammenhang spielt.

Schlüsselwörter: Body Mass Index, Komorbidität, GLP-1, MASLD, Monitoring, perioperatives Management

Die Adipositas ist in vielen Ländern durch ihre hohe und weiterhin steigende Prävalenz und ihre Folgekrankheiten ein großes Problem des öffentlichen Gesundheitswesens. Bei der GEDA-Erhebung des Robert Koch-Instituts in 2019/2020 [1] gaben 19 % der befragten erwachsenen Frauen und Männer einen Body Mass Index (BMI) von 30 kg/m2 oder mehr an. Die objektiv gemessenen Daten der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) fanden sogar Prävalenzen von 23 % [2]. Die Adipositas nimmt mit steigendem Alter zu. Nach der KiGGS-Studie haben bereits 6 % der Kinder und Jugendlichen in Deutschland eine Adipositas [3]. Laut GEDA steigen die Prävalenzen von 9 % bei den 18- bis 29-Jährigen auf ein Maximum von 24 % bei den 45- bis 64-Jährigen [1]. Im Vergleich zu normalgewichtigen Personen verkürzt Adipositas die Lebenserwartung um circa fünf Jahre, unter anderem, weil sie die Risiken für die Entstehung eines Diabetes mellitus Typ 2, atherosklerotischer Herz-Kreislauf-Erkrankungen und mindes­tens 13 verschiedener Krebserkrankungen erhöht. Tab. 1 fasst die Komorbiditäten der Adipositas zusammen, für deren diagnostische Abklärung es evidenzbasierte Empfehlungen gibt [4].

Tab. 1: Komorbiditäten, deren Diagnostik bei Personen mit Adipositas empfohlen ist [4, 5]. Abkürzungen: FIB4 = Fibrose-4-Index, LRS = Liver Risk Score, FNI = Fibrotic Nash Index. 

Komorbiditäten

Diagnostische Tests

Diabetes und Prädiabetes

Labor: Nüchternglukose, HbA1c, oraler 2-Stunden-Glukosetoleranztest

Dyslipidämie

Labor: Gesamt-, HDL-, LDL- und Non-HDL-Cholesterin sowie Triglyzeride

Arterielle Hypertonie

Systolischer und diastolischer Blutdruck

Kardiovaskuläre Krankheiten

Anamnese, körperliche Untersuchung und Bildgebung, wenn durch Spezialist:innen indiziert

Metabolisch assoziierte Fettlebererkrankung (MASLD)

Bildgebung (Ultraschall, Elastographie)

Labor: FIB4, LRS oder FNI. Bei Transaminasenerhöhung Ausschluss anderer Lebererkrankungen (z. B. Virushepatitiden, Hämochromatose)

Asthma, reaktive Atemwegserkrankung

Anamnese, körperliche Untersuchung, Lungen­funktionstests, Spirometrie

Obstruktive Schlafapnoe

Nackenumfang, spezielle Fragebögen, Polysomnographie

Gastroösophageale
Refluxkrankheit

Anamnese und Endoskopie, wenn durch Spezialist:innen indiziert

Osteoarthritis

Anamnese, körperliche Untersuchung und Radiologie,

wenn durch Spezialist:innen indiziert

Polyzystisches Ovarialsyndrom

Anamnese, körperliche Untersuchung und Ultraschall

Labor: LH, FSH, Testosteron, Androstendion, DHEA(-S)

Infertilität der Frau

Beratung von adipösen und übergewichtigen Frauen

hinsichtlich des erhöhten Risikos der Infertilität

Männlicher Hypo­gonadismus

Anamnese, körperliche Untersuchung

Labor: Testosteron

Stress-Urininkontinenz

Anamnese

Depression, Angst­störungen

Anamnese, neuropsychologische Tests

Binge-Eating-Störung

Anamnese

Stigmatisierung

Anamnese

Die Diagnose der Begleit- und Folge­erkrankungen ist wichtig für Überweisungen an Spezialist:innen und Therapieentscheidungen betreffend Komorbidität (z. B. Blutdrucksenkung) und Adipositas.

Die Verhaltens-, Ernährungs-, Bewegungs- und Pharmakotherapie sowie die bariatrische Chirurgie bieten evidenzbasierte und teilweise komplementäre Behandlungsalternativen (Tab. 2) [4–6].

Tab. 2: Methoden der Adipositas-Therapie [4, 5].

Methode

Indikationen

Beispiele

Gewichtsverlust in
12 bis 24 Monaten

Intensive und kombinierte Interventionen bezüglich des Verhaltens und des Lebensstils

• BMI > 30 kg/m2

• BMI > 25 kg/m2 plus Komorbiditäten

Verschiedene Methoden mit oder ohne

Begleitung durch Fachleute

1 bis 9 %

Ernährung

• BMI > 30 kg/m2

• BMI > 25 kg/m2 plus Komorbiditäten

Vermeidung bestimmter Lebensmittel und Verringerung der Energiezufuhr:

Frauen 1.200–1.500 kcal/d

Männer 1.500 – 1.800 kcal/d

Intensiv < 800 kcal/d

 

 

3 bis 8 %

 

10 %

Körperliche Aktivität

Alle Menschen,

unabhängig vom BMI

> 150 min/Woche moderat-intensiv
oder > 75 min/Woche anstrengend

> 200 min/Woche Erhaltungstherapie

Kraftübungen 2–3 Mal/Woche

1 bis 3 %

Pharmakotherapie

(Ziffer hinter Medikamenten)

1 FDA/EMA-zugelassen für Langzeittherapie

2 FDA/EMA-zugelassen für Kurzzeittherapie

3 Off-Label-Anwendungen

BMI > 30 kg/m2

BMI > 27 kg/m2 plus Komorbiditäten

Unzureichendes Ansprechen auf Lebensstilinter­ventionen

Semaglutid1, 3

Liraglutid1, 3

Tirzepatid1, 3

Phentermin2

Topiramat3

Phentermin-Topiramat1

Naltrexon-Bupropion1, 3

Bupropion3

Diethylpropion2

Orlistat1

Metformin3

SGLT2-Inhibitoren3

12,5 %

5,4 %

17,8 %

4,4 %

4,7 %

7,5 %

4,4 %

3,6 %

6,6 %

4,1 %

3,5 %

2,1 %

Metabolische und bariatrische Chirurgie

Unzureichendes Ansprechen auf Lebensstilinterventionen und

BMI > 40 kg/m2

BMI > 35 kg/m2 plus Komorbiditäten

BMI >  30 kg/m2 bei medikamentös unzureichend  einstellbarem DIabetes

Laparoskopische Sleeve-Gastrektomie

Roux-en Y Magen-Bypass

25 bis 35 %

Das Vorgehen und die Ziele der Therapie sollen gemeinsam von Patient:in und Arzt/Ärztin entschieden werden, zum Beispiel basierend auf dem 5A-Prinzip: Assess, Advise, Agree, Assist, Arrange [4]. Allerdings gibt es auch regulatorische Limitationen für die Therapieauswahl – insbesondere für die bariatrische Chirurgie und für medikamentöse Therapien. Umgekehrt werden pharmakologische Methoden auch off-label eingesetzt, sei es ärztlich verordnet in bestimmten klinischen Situationen oder durch Selbstbeschaffung und -anwendung durch übergewichtige oder adipöse Menschen zum Teil auf dem Schwarzmarkt. Tab. 3 fasst die für die verschiedenen medikamentösen Therapien idealen klinischen Anwendungssituationen, Kontraindikationen, positiven Effekte und Nebenwirkungen zusammen [4, 6].

Tab. 3: Indikationen, Kontraindikationen, zusätzliche Wirkungen und Nebenwirkungen medikamentöser Adipositas-Therapien [4, 5]. Die Fettschrift beschreibt Situationen, deren Diagnostik oder Monitoring labormedizinischer Untersuchungen bedarf. 

Medikament

Ideale
Anwendung bei

Kontra­indikationen

Zusätzliche
Wirkungen

Nebenwirkungen

Semaglutid

Diabetes Typ 2,
Prädiabetes,

kardiovaskuläre Krankheit

Eigenanamnese C-Zell-Karzinom, Familien­anamnese mit MEN2

Optimierung Lipidprofil und Glykämie Risikosenkung für kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität

Übelkeit, Diarrhö, Verstopfung, Dyspepsie, Erbrechen, Haarausfall, Sinustachykardie, Bauchschmerzen (akute Pankreatitis)

Liraglutid

Tirzepatid

Optimierung Lipid­profil und Glykämie

Phentermin

 

Unkontrollierte Hypertonie, MAO-Inhibitor-Therapie, Hyperthyreose

 

Parästhesien, trockener Mund, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Obstipation

Topiramat

Migräne, chron. Alkoholismus, Binge-Eating-Störung, Gewichtszunahme unter Antipsychotika-Therapie

Glaukom, Calciumphosphat-Nephrolithiasis, metabolische Azidose

Migräne-Prophylaxe

(Glaukom, Nephrolithiasis)

Naltrexon

Chronischer Alkoholismus, Rauchen

Schwangerschaft, Opioid-Konsum, Leberzirrhose

Erleichtert Rauchstopp und Alkoholabstinenz

Kopfschmerzen, Übelkeit

Bupropion

Depression, ADHS, Angststörungen

Hypertonie, Epilepsie, Therapie mit MAO-Inhibitor

 

Schlafstörungen, trockener Mund, Nervosität (Anfälle, Suizidalität)

Diethylpropion

 

Kardiovaskuläre Krankheiten, Therapie mit Sedativa und anderen Anorektika, Amphetamin-Konsum, Alkoholismus

 

Trockener Mund, Obstipation, Angst, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Blutdruckerhöhung (Kardiotoxizität)

Orlistat

 

Schwangerschaft, chronische Maladsorption, frühere bariatrische Chirurgie, Cholestase, Calciumoxalat-Uro­lithiasis

Optimierung Lipid­profil und Glykämie

Steatorrhö

Metformin

Diabetes Typ 2, Prädiabetes, Polyzystisches Ovarialsyndrom, Gewichtszunahme unter Antipsychotika-Therapie, chronische Obstipation

Leberzirrhose,

eGFR < 30 ml/min,
fortgeschrittene Herz­insuffizienz

Optimierung Glykämie

Gastrointestinale Nebenwirkungen, Verminderung der eGFR, wenn < 45 ml/min

(Vitamin-B12-Mangel)

SGLT2-Inhibitoren

Diabetes mellitus,

eGFR-Erniedrigung, Albuminurie,

Herzinsuffizienz

 

Risikosenkung für kardio­vaskuläre und renale Morbidität und Mortalität

 

Labormedizinische Untersuchungen liefern wichtige Informationen während mehrerer Phasen des medizinischen Managements von adipösen Patient:innen, nämlich für

  • die Diagnostik von Komorbiditäten,
  • die Auswahl der Adipositas-Therapie und auch die Indikation von gewichtsreduzierenden Medikamenten bei nichtadipösen Menschen,
  • das perioperative Management bei der bariatrischen Chirurgie sowie
  • das langfristige Monitoring von Wirksamkeit und Nebenwirkungen der Adipositas-Therapie selbst, aber auch der Komorbiditäten. 

Die für die Diagnostik und Verlaufskontrolle der Komorbiditäten relevanten Laborparameter sind in Tab. 1 durch Fettdruck hervorgehoben.

 

Therapieauswahl

Für die Indikation bestimmter medikamentöser oder chirurgischer Therapien müssen zusätzlich zur Erfüllung der BMI-Kriterien und dem Versagen von Verhaltens- und Lebensstilinterventionen häufig Komorbiditäten vorliegen [4, 6]. Labormedizinische Untersuchungen helfen, diese nachzuweisen oder auszuschließen (in Tab. 3 durch Fettschrift hervorgehoben): zum Beispiel die Bestimmung von Glukose und HbA1c für Diabetes oder Prädiabetes als Indikation für die bariatrische Chirurgie oder die Therapie mit Agonisten des Glukagon-like-Peptide-1(GLP-1)-Rezeptors (Liraglutid und Semaglutid) oder dem kombinierten GLP-1/Glukose­abhängigen insulinotropen Polypeptid (GIP)-Rezeptor-Agonisten Tirzepatid. Die durch Leber-Scores (z. B. Fibrose-4-Index [FIB4], Liver Risk Score [LRS], Fibrotic Nash Index [FNI]) unterstützte Dia­gnose einer fortgeschrittenen metabolisch assoziierten Fettlebererkrankung (MASLD) kann die Indikation einer bariatrischen Intervention befördern. Die Diagnose eines Polyzystischen Ovarialsyndroms (LH, FSH, Testosteron und androgene Steroidhormone) unterstützt die Indikation von Metformin, während die Diagnosen einer chronischen Nierenkrankheit durch Messung von Krea­tinin und Albuminurie und/oder einer Herzinsuffizienz mittels B-Typ natriuretischer Peptide die Indikation von Hemmern des Sodiumglukose-Transporters 2 (SGLT2) befördern. Auch die Prüfung von bestimmten Kontraindikationen (Tab. 3) [4, 6] erfordert Labormedizin, beispielsweise für den Ausschluss einer Schwangerschaft insbesondere vor dem Beginn einer Behandlung mit Naltrexon oder Orlistat sowie die Ausschlüsse von Opiat- und Amphetamin-Konsum vor der Behandlung mit Naltrexon bzw. Diethylpropion, einer Leberzirrhose vor Behandlung mit Naltrexon oder Metformin und einer fortgeschrittenen Niereninsuffizienz vor Beginn einer Metformin-Therapie. Uro- und Nephrolithiasis sind dann Kontra­indikationen für die Behandlung mit Topiramat oder Metformin, wenn diese aus Calciumphosphat bzw. Calciumoxalat bestanden, sodass die labormedizinische Untersuchung der Konkremente (sofern vorhanden) oder die Urinausscheidung von Calcium, Phosphat und Oxalat bei Patient:innen mit Urolithiasis-Anamnese relevant ist.

 

Perioperatives Management

Die Amerikanischen Gesellschaften für Endokrinologie, Adipositas, metabolische und bariatrische Chirurgie sowie Anästhesiologie publizierten 2019 klinische Praxisempfehlungen für das perioperative Management von Patient:innen, die sich einer bariatrischen Chirurgie unterziehen [7]. Diese enthalten auch Empfehlungen zur Durchführung labormedizinischer Untersuchungen. Präoperativ sind dies:

  1. Routinelabor: Nüchternglukose, HbA1c, Lipidstatus, eGFR, Leberenzyme und Bili­rubin (inklusive Berechnung von Leber-Scores als Basis für das langfris­tige Monitoring von MASLD), Albumin, Urin­status und -sediment, großes Blutbild, Prothrombinzeit/INR und Blutgruppe.
  2. Ernährungsstatus: Eisenstatus, Vitamin B12 und Folsäure (optional auch Folsäure in Erythrozyten, Homocystein, Methylmalonsäure), 25-OH-Vitamin D (optional auch Vitamine A und E sowie weitere Vitamine und Spurenelemente abhängig von Symptomen und Risiken der Maladsorption).
  3. Hormone: TSH bei Verdacht auf oder bei erhöhtem Risiko für Schilddrüsenerkrankungen, Androgene bei Verdacht auf Polyzystisches Ovarialsyndrom, Kurzzeit-Dexamethason-Hemmtest, freies Cortisol im Speichel oder 24-Stunden-Urin bei Verdacht auf Morbus Cushing.

Magenleck, Infektionen, Blutungen, Obstruktion oder Stenose sowie Hypoglykämie und Hypoalbuminämie sind die häufigsten Komplikationen nach der bariatrischen Chirurgie. In einer Metaanalyse von 14 Studien stellten sich niedrige Albuminspiegel im präoperativ untersuchten Plasma als bester prädiktiver Marker heraus. Änderungen der CRP-Konzentration und der Leukozytenzahl zwischen dem dritten und fünften postoperativen Tag im Vergleich zum präoperativen Wert sowie der Neutrophilen-Lymphozyten-Ratio am Tag 1 relativ zur präoperativen Ratio waren ebenfalls mit dem Eintritt postoperativer Komplikationen assoziiert [8]. Zur frühzeitigen Erkennung einer Hypoglykämie wird Glukose engmaschig gemessen, gegebenenfalls sogar kontinuierlich [7]. Hochrisikopatient:innen für kardiovaskuläre Ereignisse sollten in Bezug auf das Eintreten eines Myokardinfarkts überwacht werden. Bei kardialen Symptomen sollten kardiale Troponine mit hochsensitiven Tests gemessen werden [7]. Insbesondere Personen mit extremer Adipositas (BMI > 55 kg/m2) haben ein erhöhtes Risiko einer Rhabdomyo­lyse, sodass die Aktivität der Kreatinkinase überwacht werden sollte [7]. Der ausgeprägte Katabolismus nach baria­trischer Chirurgie erhöht das Risiko von Hyperurikämie und Gichtanfällen, sodass auch die Kontrolle der Harnsäure empfohlen ist, insbesondere wenn bereits präoperativ eine Hyperurikämie bestand [7].

 

Längerfristiges Monitoring

Ein längerfristiges labormedizinisches Monitoring ist nach bariatrischer Chirurgie empfohlen, um die metabolische Wirksamkeit in Bezug auf Glykämie, Lipämie und MASLD sowie Sicherheitsrisiken bezüglich Hypoglykämie und Maladsorp­tion festzustellen. Tab. 4 fasst die empfohlenen Untersuchungen zusammen [7, 9].

Tab. 4: Labormedizinisches Monitoring nach bariatrischer Chirurgie oder Anti-Adipositas-Medikation. Nach [9] durch Ergänzung aus [4, 6, 8]. ✓: regelhaft; (✓): nur wenn symptomatisch oder hohes Risiko oder unter Substitution. * G = GLP1-Rezeptor-Agonisten (Semaglutid, Liraglutid, Tirzepatid); O = Orlistat; S = SGLT2-Inhibitoren; M = Metformin. 

Laborparameter

Restriktive OP

Maladsorptive OP

Medikamentöse Therapien*

Großes Blutbild

 

Ionisiertes oder
korrigiertes Calcium

 

Na+, K+, Harnstoff, Kreatinin/eGFR

✓ (S, M)

Leberfunktionstests, MASLD-Scores

 

HbA1c

wenn Diabetes

wenn Diabetes

wenn Diabetes

(G, S, O, M)

Kompletter
Lipidstatus

wenn Dyslipidämie

wenn Dyslipidämie

wenn Dyslipidämie

(G, S, O, M)

Ferritin und CRP
(ggf. sTfR)

(✓ G)

Vitamin A

(✓)

(✓)

✓ O; (✓ G)

Vitamin B1 (Thiamin)

(✓)

(✓)

(✓ G)

Vitamin B12 & Folat

(✓ G)

25-OH-Vitamin D

✓ O; (✓ G)

Vitamin E

(✓)

(✓)

✓ O; (✓ G)

Vitamin K1

(✓)

(✓)

(✓ O, G)

Kupfer

(✓)

(✓ G)

Selen

(✓)

(✓ G)

Zink

(✓)

(✓ G)

Manche Untersuchungen sind bei allen Patient:innen empfohlen, andere nur bei Personen mit Manifestation, Symptomen oder Risiken einer Krankheit oder nur während der Substitutionstherapie. Die meis­ten Kontrolluntersuchungen finden im ersten Jahr viertel- und halbjährlich, dann jährlich statt [7]. Ausnahmen sind ohnehin häufiger empfohlene Kontrolluntersuchungen wie zum Beispiel vierteljährliche HbA1c-Kontrollen bei Diabetiker:innen oder Patient:innen unter Substitution mit Thyroxin, Folsäure, Vitamin B12 oder Thiamin [7]. Für den Nachweis der verhinderten Progression oder gar Regression von MASLD haben sich im Vergleich zum Goldstandard Leberbiopsie und -histologie die neueren Scores LRS und FNI insbesondere durch höhere Spezifität gegenüber dem eta­blierten FIB4-Index als deutlich überlegen erwiesen [10]. Hypoglykämien (Glukose < 3,0 mmol/l) sind die Lebensqualität und Leistungsfähigkeit und allenfalls auch vital bedrohliche Nebenwirkungen insbesondere der RYGB-Operation mit Prävalenzen, die zwischen 6 und 60 % variieren [11]. Risikopatient:innen sollten allenfalls ein kontinuierliches Glukose-Monitoring durchführen. Erhöhte Risiken haben jüngere Frauen, Patient:innen nach Cholezystektomie oder unter Medikation mit Anti­depressiva (SSRI/SNRI), mit sehr hohem Gewichtsverlust oder stark fluktuierenden Glukose-Spiegeln postoperativ. Potenzielle Biomarker sind niedriges HbA1c und hohe IGF1-Spiegel [11]. Osteoporose und zunehmender Alkoholkonsum sind weitere Risiken.

Auch die medikamentöse Therapie der Adipositas erfordert labormedizinische Untersuchungen zur Kontrolle der metabolischen Wirksamkeit bei Diabetes und Dyslipidämie sowie zur frühen Erkennung von Komplikationen (Tab. 4) [4, 6].

Insbesondere bei GLP1-Rezeptor-Agonisten kann es aufgrund einer verlangsamten Magenentleerung und enteraler Funktions­störungen zu Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen kommen. Dies kann eine verminderte Nahrungsaufnahme und somit dieselben Mikronährstoffmangelzustände wie die chirurgische Adipositas-Therapie nach sich ziehen [4, 6]. Da dies allerdings nicht regelhaft geschieht, müssen die betroffenen Vitamine und Spurenelemente nur bei Patient:innen mit entsprechenden Mangelsymptomen oder mit durch Mangel­ernährung erhöhten Risiken kontrolliert werden [4, 6]. Die massiv reduzierte Resorption von Nahrungsfett und dadurch auch der fettlöslichen Vitamine unter Therapie mit Orlistat bedingt eine regelhafte Kontrolle der Vitamine A, D und E sowie optional K bei Hämorrhagien [4, 6]. GLP1-Rezeptor-Agonisten erhöhen das Risiko einer akuten Pankreatitis. Trotzdem wird von der Kontrolle der Aktivitäten von Lipase oder Pankreas­amylase abgeraten, da diese unter GLP1-Rezeptor-Agonisten-Therapie auch bei asymptomatischen Personen ansteigen, ohne dabei eine prädiktive Bedeutung für das Auftreten einer Pan­kreatitis zu haben [4, 6]. Besonders erwähnt werden sollten die Nebenwirkungen und Risiken einer Metformin-Behandlung, nämlich Verstärkung einer chronischen Niereninsuffizienz, Vitamin-B12-Mangel und der sehr seltenen Laktatazidose vor allem bei Überdosierung [4, 6]. Diethylpropion, das zur Kurzzeittherapie der Adipositas verwendet wird, ist potenziell kardiotoxisch, sodass kardiales Troponin I oder T sowie B-Typ-natriuretische Peptide überwacht werden sollten [4, 6].

Alle verfügbaren medikamentösen und chirurgischen Anti-Adipositas-Therapien führen nicht nur zu einer Abnahme des Körperfetts (gemessen als Body Fat Mass), sondern auch der Muskelmasse (gemessen als Lean Body Mass). Auch wenn diese Verminderungen proportional sind und jede Anti-Adipositas-Therapie durch körperliche Aktivität zum Erhalt der Muskelmasse begleitet werden soll, werden die Risiken der Sarkopenie insbesondere der GLP1-Rezeptor-Agonisten diskutiert [12]. Das Management der Sarkopenie und assoziierter Risiken könnte durch Biomarker verbessert werden. Einfach aus Routinelaborparametern ableitbare Indizes sind die Cystatin C/Kreatinin- oder die AST/ALT-Ratio. Diese haben laut einer Meta­analyse gepoolte Sensitivitäten von 51 bis 86 % bzw. 62 % und gepoolte Spezifitäten von 55 bis 77 % bzw. 66 % [13]. Es gibt also Spielraum für eine Verbesserung durch neue Sarkopenie-Biomarker [14].

Autor
Prof. Dr. med. Arnold von Eckardstein
Institut für Klinische Chemie
Universitätsspital Zürich
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