Vom „Good Cop“ zum „Bad Cop“

Will man die Funktion des Immunsys­tems einfach erklären, spricht man häufig von der Polizei des Körpers. Eindringlinge werden von ihr unschädlich gemacht. Wird das Immunsystem supprimiert, beispielsweise durch Tumor- oder Stoffwechsel­erkrankungen, können Erreger wie Candida auris die Oberhand gewinnen und lebensbedrohliche Infektionen hervorrufen.

Bei Organtransplantationen wird das Immunsystem bewusst mit Medikamenten herunterreguliert, weil es sonst den „Eindringling“ Transplantat angreift und zu Abstoßungsreaktionen führt. Wie genau die Mechanismen funktionieren, ist immer noch nicht zur Gänze verstanden, aber in den vergangenen Jahren war der Wissenszuwachs enorm. Je mehr wir über die Rolle des Immunsystems bei der Transplantatabstoßung wissen, desto mehr neue Therapieansätze werden entdeckt. Einer von ihnen ist der Einsatz des fäkalen Mikrobiomtransfers zur Modulation einer Graft-versus-Host-Erkrankung nach allogener Stammzelltransplantation.

Auch ein nichtkompatibles Blutprodukt, das eigentlich Leben retten soll, kann vom Körper als Eindringling angesehen werden. Daher ist es wichtig, die Blutgruppe möglichst passend zu wählen, um zum Beispiel hämolytische Transfusionsreaktio­nen zu vermeiden. Die Diagnostik kann hier immunhämatologisch – neuerdings auch unter Einsatz von rekombinanten Blutgruppenantigenen – oder molekulardiagnostisch erfolgen.

Bei der Heparin-induzierten Thrombozytopenie werden – meist nach Heparingabe – Antikörper gegen den PF4-Heparin-Komplex gebildet. Deren Bindung an den Komplex führt unter anderem zur Aktivierung von Thrombozyten, welche wiederum zu einer übermäßigen Thrombinbildung führt. Hieraus können lebensbedrohliche thrombotische Komplikatio­nen resultieren.

Wie oben beschrieben, kann der gute Polizist, der uns vor Infektionen schützt, manchmal auch zum „Bad Cop“ werden, der dem Körper schadet und sogar unser Leben bedrohen kann. Besonders deutlich wird dies im Kontext von Auto­immunerkrankungen, bei denen sich das Immunsystem gegen körpereigene Strukturen richtet und Krankheitsbilder wie nichtinfektiöse Enzephalitiden, Vaskulitiden und rheumatologische Erkrankungen hervorruft. Sowohl die Symptomatik als auch die klinischen Befunde inklusive Labor sind hier sehr variabel, was die Diagnostik erschwert. Künstliche Intelligenz könnte hier in Zukunft Abhilfe schaffen und dem „Bad Cop“ Einhalt gebieten.

Autor
Dr. med. vet. Sabine Ramspott
Chefredakteurin