Direct to Consumer Testing (DTCT): Direktvermarktung von Labortests
DOI: https://doi.org/10.47184/td.2023.01.04Spätestens seit der Coronavirus-Pandemie sind Selbsttests in den Fokus der Laboratoriumsmedizin gerückt. Zeichnet sich hier womöglich ein Trend ab, der das klassische Labor bedroht? Oder ist DTCT ein zeitgemäßer Schritt in Richtung größerer Patientensouveränität? Auf jeden Fall ist es an der Zeit, sich mit dieser Entwicklung auseinanderzusetzen.
Schlüsselwörter: Direct to Consumer Testing, Selbsttestung, Genetic Testing
Patientenselbsttests ohne ärztliche Beteiligung gibt es nicht erst seit Corona. Vor allem Schwangerschaftstests werden heute üblicherweise direkt über den Ladentisch oder im Internet gekauft und zu Hause durchgeführt, ohne dass sich jemand groß darüber Gedanken machen würde, ob dieses Geschäftsmodell die klassische Laboratoriumsdiagnostik bedrohen könnte.
Doch mit der Corona-Pandemie nahm die Selbsttestung ein nie dagewesenes Ausmaß an: Ein Immunoassay, der normalerweise professionellen Laboren vorbehalten ist, wird nun im Supermarkt angeboten, erwirtschaftet Millionenumsätze und wird hinsichtlich Qualität und Aussagekraft so gut wie nicht geprüft. Was aber passiert, wenn Laien künftig noch mehr Lust auf „labormedizinische Souveränität“ bekommen und die Industrie diesen Wunsch nur zu gerne gewinnbringend erfüllt?
Das Schlagwort, mit dem sich unsere Autoren auf den nächsten Seiten kritisch auseinandersetzen, heißt DTCT (Direct to Consumer Testing). Wie so viele Trends kommt auch dieser aus den USA, wo sich die Food and Drug Administration schon in den 1980er-Jahren veranlasst sah, die Direktvermarktung von Medikamenten über das Fernsehen zu reglementieren.
Dieses DTC Marketing ist inzwischen durch das Internet in der Medizin omnipräsent und gilt gerade auch im Bereich der In-vitro-Diagnostik als milliardenschwerer Wachstumsmarkt. Besonders großen Zuspruch findet aktuell das DTC Genetic Testing (DTCGT), bei dem man eine Speichelprobe einsendet und eine Woche später eine umfangreiche Analyse genetischer Polymorphismen aus dem Internet downloaden kann. Diese SNPs geben Hinweise auf mögliche Krankheitsdispositionen oder auf den familiären Stammbaum (Genealogie).
Das wohl bekannteste Unternehmen 23andMe, dessen Name sich von den 23 Chromosomenpaaren des Menschen ableitet, hat seit 2006 bereits fünf Millionen derartige Analysen durchgeführt und setzt jährlich über 250 Millionen US-Dollar um.
Bislang beschränken sich DTC-Tests auf Untersuchungen aus nicht-invasiv gewonnenen Körperflüssigkeiten wie Urin oder Speichel (Abb. 1) und bedienen somit trotz aller Erfolge eher einen Nischenmarkt.
Inzwischen sind jedoch mehrere Systeme zur schmerzfreien Blutentnahme durch Laien auf dem Markt, die womöglich auch die klassische Laboratoriumsdiagnostik der Selbsttestung zugänglich machen. Es ist also an der Zeit, das Pro und Kontra dieser Entwicklung aus fachlicher Sicht zu beleuchten.