FIA-Testung von influenzaverdächtigen Patienten in der Notaufnahme: Eine Kosten-Nutzen-Analyse
Um kostendeckend zu arbeiten, müssen Krankenhäuser die Aufenthalts- und Behandlungsdauer von Influenzapatienten so kurz wie möglich halten. Da PCR-Untersuchungen häufig außerhalb des Krankenhauses und in Sammelproben durchgeführt werden, kann schon die Diagnostik zu einer Verzögerung von ein bis zwei Tagen führen. Moderne schnelle Fluoreszenzimmunoassays, die am Point of Care durchgeführt werden, könnten hier Abhilfe schaffen.
Schlüsselwörter: GKV, Lateral-Flow-Technologie, Entscheidungsmodell, probabilistische Sensitivitätsanalyse
Die saisonale Influenza ist eine globale und jährlich wiederkehrende Herausforderung für jedes nationale Gesundheitssystem. In Deutschland gab es in der Saison 2018/2019 182.109 laborbestätigte Fälle von Influenza, wobei die Prävalenz bei Patienten mit einer Influenza-ähnlichen Erkrankung (ILI) 25,9 % betrug und 21,9 % der ILI-Patienten hospitalisiert werden mussten (Referenzen siehe sämtlich in [1]). Da alle stationären Patienten mit Influenzaverdacht zunächst in einem Einzelzimmer isoliert werden müssen, bis davon ausgegangen werden kann, dass sie nicht mehr ansteckend sind, ist die korrekte Einstufung einer ILI als Influenza entscheidend.
Darüber hinaus ist die schnelle Diagnose einer Influenza für das Management knapper wirtschaftlicher Ressourcen von großer Bedeutung. Die Vergütung der Krankenhauskosten in Deutschland basiert auf dem deutschen DRG-System, das jedem Influenza-Fall in Abhängigkeit von weiteren Komorbiditäten eine von zwei Kategorien (D62Z oder E79D) zuordnet. Diese sieht eine feste Basispauschale für 7 bzw. 13 Behandlungstage vor. Wenn die Krankenhausbehandlung die vom InEK-Institut berechnete sogenannte „mittlere Aufenthaltsdauer“ überschreitet, nämlich 3,5 (Kategorie D62Z) bzw. 6,7 Tage (Kategorie E79D), deckt die von der GKV an das Krankenhaus gezahlte Pauschale in der Regel nicht mehr dessen Kosten. Dementsprechend müssen Krankenhäuser bei der Behandlung von Influenzapatienten versuchen, die Dauer des Krankenhausaufenthalts so kurz wie möglich zu halten.
In Deutschland verfügen derzeit 81,4 % aller Krankenhäuser nicht über ein eigenes Labor. Um die korrekte Diagnose zu gewährleisten, müssen Nasopharyngeal-Abstriche von Patienten mit Verdacht auf Grippe daher meistens zur zentralen PCR-Untersuchung an klinische Labore außerhalb des Krankenhauses versandt werden. Da diese PCR-Influenza-Assays häufig in Sammelproben durchgeführt werden, führt dies normalerweise zu einer Zeitverzögerung von mindestens einem Tag, an Wochenenden sogar zwei Tagen, bevor das Testergebnis verfügbar wird.
Weitaus schneller könnte man mit neuen, schnellen Point-of-Care(POC)-Systemen ein Ergebnis erhalten. Im Jahr 2019 haben wir daher für einen Fluoreszenzimmunoassay (FIA), der auf Lateral-Flow-Technologie basiert und Influenza A und B nachweist, eine Kosten-Nutzen-Analyse erstellt [1]. Die kombinierte Sensitivität und Spezifität des FIA-Tests lagen bei 75,3 % (95-%-KI: 59,2 bis 91,5 %) und 95,3 % (95-%-KI: 91,5 bis 99,2 %) gegenüber einer im Labor mittels PCR bestätigten Influenza. In Abhängigkeit von der Viruslast der Probe werden positive Ergebnisse in nur 3 Minuten angezeigt, negative Ergebnisse in 15 Minuten. Die klinische Beurteilung einer Influenza weist demgegenüber eine Sensitivität von 71,3 % (95-%-KI: 65,4 bis 76,7 %) und eine Spezifität von 60,1 % (95-%-KI: 57,2 bis 63 %) auf.
Annahmen und Methodik
In der nachfolgenden Analyse wird anhand der Testeigenschaften eines FIA-Tests untersucht, ob eine dauerhafte Implementierung zu direkt messbaren wirtschaftlichen Vorteilen aus der Sicht des Krankenhauses führen kann. In unserem Modell wird das Testsystem in der Notaufnahme eines Krankenhauses oder in ihrer unmittelbaren Nähe durchgeführt und mit der konventionellen klinischen Beurteilung zur Bestätigung oder zum Ausschluss der Influenza bei ILI-Patienten verglichen, die aufgrund der Schwere der Erkrankung schließlich stationär aufgenommen werden mussten.
Unter der Voraussetzung, dass der Patient die Notaufnahme innerhalb der ersten 48 Stunden nach Symptombeginn aufsucht, wird ferner angenommen, dass der Hälfte der Patienten sofort der Neuraminidase-Inhibitor Oseltamivir verabreicht wird, um die Symptomdauer durch Verringerung der Viruslast zu kürzen. Im Falle eines Krankenhausaufenthalts würde der Patient ab dem Zeitpunkt der vermuteten Diagnose bzw. bei einem positiven FIA-POC-Testergebnis während der ersten sieben Tage des Aufenthalts (oder nach Abklingen von Fieber und respiratorischen Symptomen für weitere 24 Stunden) isoliert werden. Angesichts der hohen Spezifität, aber nur mäßigen Empfindlichkeit des untersuchten FIA-POC-Tests (95,3 bzw. 75,3 %), bleibt im Falle eines negativen Ergebnisses trotzdem eine anschließende Überprüfung mittels PCR erforderlich. Dieser in einem externen Labor durchgeführte PCR-Test hat idealerweise eine Sensitivität und Spezifität von 100 % und vermag zu klären, ob die Krankheit auf Influenza zurückzuführen ist oder nicht; falsch-negative Ergebnisse im FIA-POC-Test können so korrigiert werden. In der täglichen klinischen Praxis wird dieses (kostspielige) Verfahren normalerweise aber nicht für die milden Fälle durchgeführt, in denen eine geringe Viruslast angenommen werden kann, und bei denen daher kein Krankenhausaufenthalt erforderlich ist.
Zusätzliche Kosten aus Sicht des Krankenhauses sind die sogenannten „Opportunitätskosten“, die anfallen können, solange ein Influenza-Verdächtiger unnötigerweise isoliert bleibt. Diese entstehen bei falsch-positiver klinischer Beurteilung oder einem falsch-positiven Schnelltest. Unter der Voraussetzung, dass die meisten Influenzapatienten in einem Zweibettzimmer untergebracht sind und die Krankenstationen in Deutschland während der Influenzasaison nahezu ausgelastet sind, kommt es durch die Blockierung des zweiten Betts, das ansonsten anderweitig hätte belegt werden können, zu entsprechenden wirtschaftlichen Verlusten für das Krankenhaus selbst.
Wenn ein Patient aufgrund einer fehlerhaften klinischen Beurteilung isoliert wird (keine Influenza vorhanden), kann die Isolierung beendet werden, sobald der Bericht über das negative Labor-PCR-Ergebnis verfügbar ist. Die Verabreichung von Oseltamivir wird 5 Tage lang fortgesetzt, wenn die Influenza-Infektion durch die externe PCR bestätigt wird, oder sofort abgebrochen, falls das PCR-Ergebnis negativ ist. Es wird angenommen, dass sich die Krankheitsdauer von Patienten mit Oseltamivir in den meisten Fällen um einen Tag verkürzt und diese einen Tag früher entlassen werden können. Da das Krankenhaus eine feste DRG-Basispauschale erhält, würde dies zu einem wirtschaftlichen Vorteil für das Krankenhaus führen.
Bei der Anwendung des FIA wird ein falsch-positives Testergebnis nach 1 bis 2 Tagen jedoch nicht korrigiert, da nur im Falle eines negativen Testergebnisses ein externer PCR-Test durchgeführt wird. Im ungünstigsten Fall würden Patienten, die fälschlicherweise positiv getestet wurden, 7 Tage lang isoliert und 5 Tage lang ineffektiv Oseltamivir erhalten; eine um einen Tag frühere Entlassung käme dann nicht in Frage.
Das Risiko für Sekundärübertragungen auf Krankenhauspersonal bei unerkannter Influenza beträgt 20,2 % (95-%-KI: 15,4 bis 25,6 %), wobei bei einer durchschnittlichen Wirksamkeit des Impfstoffes von maximal 49 % und einer Impfquote von 40,1 % bei mindestens 80,4 % der Mitarbeiter kein Impfschutz besteht.
In einem deterministischen Entscheidungsmodell (Abb. 1) wurden nun die Kosten und der monetäre Nutzen durch den Einsatz des FIA im Vergleich mit der alleinigen klinischen Beurteilung zur Bestätigung oder aber zum Ausschluss der Influenza bei erwachsenen ILI-Patienten berechnet. Das Modell berücksichtigt auch die Kosten des Arbeitsausfalls von erkranktem Personal infolge nosokomialer Übertragung durch zunächst unerkannte Influenza-Patienten. Die für die Kalkulation erforderlichen Parameter sind in Tab. 1 dargestellt.
Um die Wechselwirkungen von mehreren Variablen zu erfassen, wurden in einer probabilistischen Sensitivitätsanalyse (PSA) allen Parametern eine geeignete statistische (Wahrscheinlichkeits-) Verteilung zugewiesen, aus denen gleichzeitig alle Werte zufällig in einer Monte-Carlo-Simulation (n = 10.000 Patienten) gezogen wurden. Alle Kosten (€) beziehen sich auf das Jahr 2019.
Ergebnisse
In der Basisanalyse ist die Verwendung des FIA-POC-Tests bei ILI-Patienten im Vergleich zum konventionellen klinischen Ansatz im Durchschnitt um 52,16 € pro hospitalisiertem Patienten günstiger, auch wenn alle negativen Ergebnisse durch eine externe PCR erneut überprüft werden. In der PSA spart die Implementierung des FIA unter allen plausiblen Annahmen durchschnittlich sogar 119,89 € (Tab. 2). Der größte Teil der Kosteneinsparungen, 113,17 € oder 94,4 %, ist dabei auf die hohe Spezifität des POC-Tests zurückzuführen, die zu einer Reduzierung unnötiger Bettblockierungen um 91 % führt. Die frühe Oseltamivir-Behandlung nach einem positiven FIA-POC-Testergebnis spielt hingegen nur eine untergeordnete Rolle: Bei den falsch-negativ getesteten Patienten kann, bevor das Testergebnis durch den späteren externen PCR-Test korrigiert wird, eine Behandlung mit Oseltamivir ja nicht sofort eingeleitet werden. Da 24,7 % der Influenzapatienten vom FIA falsch-negativ getestet wurden, betragen die Einsparungen zugunsten des Krankenhauses daher nur 4,33 € pro Patient im Vergleich zu einem Szenario, in dem kein Oseltamivir angeboten wird.
Schlussfolgerungen
Fortgeschrittene FIA-POC-Tests weisen mit 75,3 % nur eine um wenige Prozentpunkte höhere Empfindlichkeit zur Detektion einer Influenza auf als die des herkömmlichen klinischen Ansatzes. Daher ist der Mehrwert des neuen Tests gering, wenn es um die Entscheidung geht, ob ein ILI-Patient, der aufgrund der Schwere seiner Symptome stationär aufgenommen werden muss, tatsächlich an Grippe leidet und sofort mit Oseltamivir behandelt werden sollte. Aufgrund einer Spezifität von über 95 % kommt der hier untersuchte FIA-Test aber derjenigen von Labor-PCR-Tests nahe, indem er unmittelbar diejenigen Patienten, die sich in der Notaufnahme mit einer nicht-influenzabedingten ILI vorstellen, identifiziert und deren Isolierung zu vermeiden hilft. In dieser Hinsicht ist er dem herkömmlichen klinischen Ansatz überlegen. Trotz einer nicht optimalen Testempfindlichkeit kann ein solcher POC-Test die Krankenhausausgaben in der Influenzasaison daher erheblich senken. Sofern die Influenza-Prävalenz zwischen 20 % und 42,6 % variiert, ist die Ausgabensenkung dabei unabhängig von der Influenza-Prävalenz in der jeweiligen Saison.