Jenseits von Gut und Böse
Bestimmung von Lipoprotein-Subklassen
DOI: https://doi.org/10.47184/td.2021.01.01Im Rahmen der erweiterten Lipiddiagnostik kann die Bestimmung von Lipoprotein-Subklassen hilfreich sein, um das Atheroskleroserisiko besser einzuschätzen. Eine pauschale Einordnung als „gutes HDL-Cholesterin“ und „böses LDL-Cholesterin“ gilt heute als überholt.
Schlüsselwörter: sdLDL, HDL, Gelelektrophorese, Ultrazentrifugation, NMR-Spektroskopie
Die Messung von Lipiden im Blut ist fester Bestandteil der labormedizinischen Routinediagnostik. Als Basisparameter werden i. d. R. Triglyzeride, Gesamtcholesterin, LDL-Cholesterin und HDL-Cholesterin im Serum bestimmt. Mit diesen vier Werten ist eine praxistaugliche Klassifizierung der Lipidstoffwechselstörungen (Hypertriglyzeridämie, Hypercholesterinämie, Kombinierte Hyperlipoproteinämie, HDL-Mangel), eine kardiovaskuläre Risikoabschätzung und ein Therapiemonitoring zum großen Teil möglich [1]. Limitationen ergeben sich aus der Tatsache, dass die Lipide im Blut in Form äußerst komplex aufgebauter Lipoproteinpartikel vorliegen, die neben Triglyzeriden und verestertem sowie freiem Cholesterin noch zahlreiche andere Bestandteile wie Phospholipide, Apolipoproteine, Enzyme und fettlösliche Vitamine enthalten (Abb. 1).
Aufgrund ihrer unterschiedlichen Zusammensetzung bilden die Lipoproteine ein Kontinuum von sehr großen, leichten, lipidreichen bis sehr kleinen, dichten, lipidarmen Partikeln, sodass die Hauptlipoproteinklassen VLDL (very low density lipoprotein), LDL (low density lipoprotein) und HDL (high density lipoprotein) in weitere Subklassen unterteilt werden können, die sich in Größe und Dichte unterscheiden (Abb. 2).
In Abhängigkeit von der Stoffwechsellage kann die gleiche LDL-Cholesterinmenge beispielsweise entweder in wenigen großen oder aber in vielen kleinen LDL-Partikeln verpackt sein, was durch die bloße Messung des LDL-Cholesterins nicht feststellbar, aber von hoher klinischer Relevanz ist (Abb. 3). Auch das HDL-Cholesterin verschleiert die subklassenspezifischen Besonderheiten der HDL-Partikel.
LDL-Subklassen
LDL ist unter den bekannten Risikofaktoren für die ASCVD momentan der einzige, für den ein kausaler Zusammenhang mit dem atherosklerotischen Geschehen als wissenschaftlich bewiesen gilt [2]. Eine Senkung des LDL-Cholesterins ist deshalb Kernbestandteil sämtlicher Leitlinien für die Primär- und Sekundärprävention der atherosklerotischen kardiovaskulären Erkrankungen (ASCVD) [3, 4]. Unabhängig von der gewählten Strategie („Zielwertstrategie“ der europäischen Leitlinien oder „Strategie der festen Statin-Dosis“ der amerikanischen Leitlinien) herrscht vollständige Übereinstimmung darüber, dass eine stärkere LDL-Cholesterinsenkung mit einer größeren Risikoreduktion einhergeht [5]. Allerdings wird die vereinfachte Aussage „je niedriger das LDL-Cholesterin, desto geringer das Koronarrisiko“ der Komplexität der Zusammenhänge nur unvollständig gerecht. Die meisten Patienten mit Koronarer Herzkrankheit (KHK) haben z. B. einen „normalen“ oder nur leicht erhöhten LDL-Cholesterinspiegel [6, 7]. Andererseits ist ein höheres LDL-Cholesterin nicht zwangsläufig mit einem höheren KHK-Risiko assoziiert [8, 9]. Bei älteren Menschen über 60 Jahre gibt es sogar Hinweise darauf, dass eine negative Korrelation zwischen dem LDL-Cholesterinspiegel und der kardiovaskulären Mortalität wie auch der Gesamtmortalität bestehen könnte [10]. Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen haben trotz eines normalen oder verminderten LDL-Cholesterins ein deutlich erhöhtes kardiovaskuläres Risiko [11]. Bei terminaler Niereninsuffizienz besteht ein U-förmiger Zusammenhang zwischen LDL-Cholesterin und kardiovaskulärem Risiko, sodass unterhalb eines bestimmten LDL-Cholesterinspiegels das Risiko mit weiter sinkendem LDL-Cholesterin steigt [12, 13]. In mehreren Studien konnte bei Dialysepatienten unter Statin-Therapie trotz effektiver Senkung des LDL-Cholesterins keine Risikoreduktion für kardiale Ereignisse erreicht werden [14]. Sämtliche insulinabhängige Erkrankungen (Diabetes mellitus, Metabolisches Syndrom, Insulinresistenz, polyzystisches Ovarialsyndrom, nichtalkoholische Steatohepatitis) gehen mit einem erhöhten KHK-Risiko einher, ohne dass das LDL-Cholesterin erhöht sein muss [15–20].
Die Ursachen für diese scheinbar paradoxen Beobachtungen liegen zum Teil darin begründet, dass die Atherosklerose im Kern ein komplexes, entzündliches Geschehen darstellt, für das die Lipide zwar von zentraler, aber nicht von monokausaler Bedeutung sind [21, 22]. Darüber hinaus erlauben die Lipide der Basisdiagnostik nur eingeschränkt Rückschlüsse auf die Eigenschaften der kompliziert aufgebauten Lipoproteinpartikel und deren Subklassen. Diese sind jedoch entscheidend für die Atherogenität des in ihnen verpackten Cholesterins. In zahlreichen Studien hat sich gezeigt, dass kleine, dichte LDL (small, dense LDL = sdLDL) wesentlich atherogener als größere, leichtere LDL sind. Eine Dominanz der kleinen, dichten LDL erhöht das Herzinfarkt-Risiko um das drei- bis siebenfache und zwar unabhängig vom LDL-Cholesterin [23–26]. Bei 40–50 % aller Patienten mit einer KHK wurden vermehrt kleine, dichte LDL gefunden, ohne dass das LDL-Cholesterin auffällig erhöht war. Dabei korrelierte die Höhe des sdLDL-Cholesterins positiv mit dem Schweregrad der KHK. Die Vorhersagekraft der kleinen, dichten LDL für ein zukünftiges koronares Ereignis übertraf darüber hinaus die der Gesamt-LDL [27–29].
Die Gründe für die starke Atherogenität der sdLDL sind vielfältig. Während LDL mittlerer Größe der ideale Ligand für den LDL-Rezeptor sind, weisen sdLDL eine geringere LDL-Rezeptoraffinität auf, wodurch sich ihre Abbaugeschwindigkeit verringert und ihre mittlere Verweildauer im Serum von 2 auf ca. 5 Tage mehr als verdoppelt. Aufgrund ihrer geringeren Größe infiltrieren sdLDL leichter und schneller als größere LDL in den subendothelialen Raum, wo sie mit hoher Affinität an die Proteoglykane der Extrazellulärmatrix binden und akkumulieren [30, 31]. Dort sind sie einer prooxidativen Umgebung ausgesetzt und werden wegen ihres geringeren Gehaltes an Antioxidantien (Vitamin E) besonders leicht durch Radikale oxidiert, die aufgrund des Entzündungsgeschehens ständig anfallen. Die so gebildeten oxidierten LDL (oxLDL) sind die eigentlichen Auslöser und Beschleuniger des atherosklerotischen Prozesses.
Für die Bildung kleiner, dichter LDL spielen neben genetischen Faktoren (35–45 %) weitere Einflussgrößen wie Alter, Geschlecht, Ernährung, körperliche Aktivität, Hormone und Medikamente eine entscheidende Rolle. Der wichtigste metabolische Faktor, der die Variabilität der LDL-Größe zu ca. 50 % bestimmt, sind die Triglyzeride [32, 33]. Die vermehrte Bildung kleiner, dichter LDL ist fast ausschließlich oberhalb einer Triglyzeridkonzentration von 130 mg/dl (1,47 mmol/l) zu beobachten. Sehr häufig wird ein vermehrter Anteil kleiner, dichter LDL im Zusammenhang mit einer moderaten Hypertriglyzeridämie (> 180 mg/dl; > 2,0 mmol/l) bei normalem LDL- und verringertem HDL-Cholesterin gefunden. Diese Lipidstoffwechselstörung wird wegen ihrer besonders hohen Atherogenität als Atherogener Lipoprotein-Phänotyp (ALP) bezeichnet [34]. Aus epidemiologischer Sicht ist der ALP wahrscheinlich der häufigste lipidassoziierte Risikofaktor für die koronare Herzerkrankung. Eine Dyslipidämie im Sinne eines ALP findet man häufig bei Diabetes mellitus Typ 2, bei Insulinresistenz, beim Metabolischen Syndrom, bei der postprandialen Hypertriglyzeridämie, bei der nicht alkoholbedingten Fettleber und beim Polyzystischen Ovarialsyndrom (PCOS). Auch bei Patienten mit chronischen Nierenerkrankungen und bei Dialysepatienten wird diese Dyslipidämie typischerweise beobachtet.
HDL-Subklassen
Auch für die HDL wurden subklassenspezifische Unterschiede mit allerdings noch weitgehend unklaren Auswirkungen beschrieben [35]. Die Erkenntnisse bezüglich der beiden wichtigsten HDL-Subfraktionen HDL-2 und HDL-3 sind diskrepant. Einige Untersuchungen deuten darauf hin, dass die großen, leichten HDL-2 stärker und die kleinen, dichten HDL-3 weniger atheroprotektiv sind [36, 37]. Andere Studien kommen zu dem Schluss, dass die HDL-3 eine bessere protektive Wirkung aufweisen [38, 39] oder dass beide Subfraktionen mit einem reduzierten Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse korrelieren [40]. Als sicher gilt jedoch, dass unterschiedliche funktionelle Eigenschaften der verschiedenen HDL-Subklassen (reverser Cholesterintransport; antioxidative, antiinflammatorische und antithrombotische Eigenschaften) eine größere Bedeutung für deren antiatherogene Wirkung haben als das Gesamt-HDL-Cholesterin. Eine neuere Studie zeigt, dass nicht nur ein verringertes, sondern auch ein sehr hohes HDL-Cholesterin mit einem erhöhten KHK-Risiko assoziiert sein kann [41]. Das lange Zeit gültige Konzept des „guten HDL-Cholesterins“ ist deshalb heute nicht mehr haltbar. Eine verminderte atheroprotektive Wirkung der HDL wird aus pathobiochemischer Sicht am besten durch das Konzept der „dysfunktionalen HDL“ beschrieben.
Labordiagnostische Konsequenzen
Eine wachsende Zahl wissenschaftlicher Publikationen zeigt, dass die Erweiterung der Lipid-Basisdiagnostik durch zusätzliche Messungen von Lipoprotein-Subklassen, Partikelkonzentrationen und Partikeldurchmessern der Lipoproteine zu einer verbesserten Risikostratifizierung und Vorhersagekraft kardiovaskulärer Ereignisse bei bestimmten Patientengruppen beitragen kann. Obwohl der klinische Nutzen eines erweiterten Lipoproteinprofils noch in Diskussion ist, empfehlen einige Richtlinien und Expertenausschüsse die Messung von Lipoprotein-Subklassen und LDL-Partikeleigenschaften zur erweiterten Risikoabschätzung für kardiovaskuläre Erkrankungen und das Patientenmanagement [42–49].
Die Bestimmung von Lipoprotein-Subklassen ist z. B. indiziert für eine optimierte Risikostratifizierung bei Diabetes mellitus Typ 2, Metabolischem Syndrom, Insulinresistenz, PCOS, Dialysepatienten, chronischen Nierenerkrankungen, für die Diagnose eines ALP bei erhöhten Triglyzeriden mit gleichzeitig vermindertem HDL- und unauffälligem LDL-Cholesterin, für die Verifizierung der Verdachtsdiagnose einer Familiären Kombinierten Hyperlipoproteinämie (FKHL) und für die weiterführende Abklärung bei Patienten mit erhöhtem familiären Herzinfarktrisiko bei unauffälligem Lipidstatus. Auch für das Therapiemonitoring unter lipidsenkender Therapie kann eine erweiterte Lipoproteindiagnostik unter Einbezug von Lipoproteinsubfraktionen sinnvoll sein.
Methoden für die Bestimmung von Lipoprotein-Subklassen
Zurzeit gibt es keine generell akzeptierte Referenzmethode für die Bestimmung von Lipoprotein-Subklassen. Die im Einsatz befindlichen Verfahren (Ultrazentrifugation, NMR-Spektroskopie, Gelelektrophorese, HPLC, homogene Assays, Präzipitationsmethoden) basieren auf unterschiedlichen Eigenschaften der Lipoproteine (Dichte, Größe, Ladung), sodass die Ergebnisse der verschiedenen Methoden untereinander nicht vergleichbar sind [50, 51]. Folglich gibt es auch keine einheitliche, standardisierte Nomenklatur für Lipoprotein-Subklassen, deren Bezeichnung i. d. R. willkürlich in Abhängigkeit von der verwendeten Methodik festgelegt wurde. Die am besten validierten und am häufigsten eingesetzten Methoden für die Analytik von Lipoprotein-Subklassen sind Gelelektrophorese, Ultrazentrifugation, NMR-Spektroskopie und homogene Assays.
Gelelektrophorese
Bei der Gelelektrophorese [52] werden die Lipoproteinpartikel in einem linearen, nicht-denaturierenden Polyacrylamidgel aufgrund ihrer unterschiedlichen Größe in einzelne diskrete Banden aufgetrennt (VLDL, IDL, 7 LDL-Subklassen, HDL). Die Intensität jeder Bande wird densitometrisch erfasst und anschließend das Lipoproteinprofil über ein spezielles Computerprogramm quantitativ ausgewertet. Der Endbefund beinhaltet neben den einzelnen Messwerten für Triglyzeride, Gesamt-Cholesterin, LDL-Cholesterin einschließlich der 7 LDL-Subklassen, HDL-Cholesterin, VLDL-Cholesterin, IDL-Cholesterin und den LDL/HDL-Quotienten eine entsprechende grafische Darstellung mit Beurteilung. Für die Analytik wird 1 ml Serum oder EDTA-Plasma (Nüchternzustand) benötigt. Die Probe ist bis zu 7 Tage bei 2–8 °C stabil und kann per Standardtransport in das Labor versendet werden. Für eine längere Lagerung sollte die Proben kryogen bei -70 °C oder kälter eingefroren werden.
Ultrazentrifugation
Die Ultrazentrifugation gilt nach wie vor als „Goldstandard“ in der Lipoproteinanalytik. Diese Methode basiert auf dem Prinzip der Trennung von Lipoprotein-Subklassen in einem sich selbst aufbauenden, kontinuierlichen Dichtegradienten [53] und wird seit einigen Jahren erfolgreich in der erweiterten Lipoproteindiagnostik angewendet (Abb. 4). Sie kann neben der Bestimmung von Lipoprotein-Subklassen auch für die phänotypische Abklärung sämtlicher Lipoproteinstoffwechselstörungen eingesetzt werden. Der Vorteil der Methode liegt in der exakten quantitativen Messung der Lipoproteinkomponenten in insgesamt 20 Dichtefraktionen.
Auch Lp(a) (Lipoprotein klein a), ein besonders atherogenes, LDL-ähnliches Lipoprotein im HDL-Dichtebereich, wird als separater Peak im Dichteprofil sicher erkannt (Abb. 5). Es gibt keinerlei Einschränkungen für die korrekte quantitative Analytik, sodass z. B. auch extrem lipämische Seren und atypisch zusammengesetzte Lipoproteine (Dyslipoproteinämie) präzise analysiert werden können. Nachteile sind der relativ hohe zeitliche und personelle Aufwand und der beschränkte Probendurchsatz. Auch Partikeleigenschaften wie Konzentration und mittlerer Durchmesser der Lipoprotein-Partikel können mit dieser Methode nicht bestimmt werden. Der Befundbericht beinhaltet neben den Messwerten (Triglyzeride, Gesamt-Cholesterin, LDL-Chol, HDL-Chol, LDL/HDL-Quotienten, VLDL-Chol, IDL-Chol, LDL-1-Chol, LDL-2-Chol, LDL-3-Chol, HDL-2-Chol, HDL-3-Chol, Lp(a)-Chol, sdLDL-Anteil, Non-HDL-Cholesterin, Triglyzerid/HDL-Quotient) eine ausführliche Interpretation mit grafischer Darstellung. Für die Analytik werden 2 ml Nüchtern-Serum (kein Plasma) benötigt. Die Probe ist bis zu 5 Tage bei 2–8 °C stabil und kann per Standardtransport in das Labor versendet werden. Für eine längere Lagerung sollte die Proben kryogen bei -70 °C oder kälter eingefroren werden.
Kernspinresonanzspektroskopie
Die NMR(nuclear magnetic resonance)-Spektroskopie ist ein rein physikalisches Verfahren, bei dem aus den NMR-Signalen der terminalen Methylgruppen von Lipiden die Partikelkonzentration, der Partikeldurchmesser und die Lipidkonzentrationen (Triglyzeride, Cholesterin) der Lipoprotein-Partikel mittels patentierter mathematischer Verfahren berechnet werden [54–56]. NMR-spektroskopische Messungen sind hochpräzise und damit auch langfristig hochreproduzierbar. Sie erfordern einen geringen personellen Aufwand und können halbautomatisiert in großen Serienlängen (mehrere hundert Proben am Tag) abgearbeitet werden. Nachteile sind messtechnische Probleme, die bei sehr hohen Triglyzeridkonzentrationen (> 1.000 mg/dl), bei atypisch zusammengesetzten Lipoproteinen (Dyslipoproteinämien) und bei extrem niedrigen Lipoproteinkonzentrationen (LDL-Cholesterin < 55 mg/dl) auftreten können. Der Befundbericht enthält folgende Messwerte: Triglyzeride, Gesamt-Cholesterin, LDL-Cholesterin und HDL-Cholesterin, die Partikelkonzentrationen der Lipoprotein-Subklassen (VLDL, alle LDL, große LDL, kleine LDL, alle HDL, große HDL, kleine HDL) und die mittleren Partikeldurchmesser der Lipoproteine (VLDL, LDL, HDL). Außerdem gibt es eine grafische Darstellung der Ergebnisse (Abb. 6) mit Befundinterpretation. Die NMR-Spektroskopie eignet sich insbesondere für Fragestellungen, bei denen vordergründig die Partikeleigenschaften (Partikelkonzentration, Partikelgröße) der Lipoproteine interessieren (z. B. KHK-Risikostratifizierung, Therapiemonitoring unter Statintherapie). Für die Analytik werden 1 ml Nüchtern-Serum (kein Plasma) benötigt. Die Probe ist bis zu 3 Tage bei 2–8 °C stabil und kann per Standardtransport in das Labor versendet werden. Für eine längere Lagerung sollte die Proben kryogen bei -70 °C oder kälter eingefroren werden.
Homogene Assays
Homogene Assays erfassen in der Regel nur eine bestimmte Lipoprotein-Subklasse (z. B. sdLDL-Cholesterin) [57]. Diese Methoden sind voll automatisierbar und können somit im großen Stil für die Routinediagnostik und breit angelegte Studien eingesetzt werden. Wie sich die Bestimmung des sdLDL-Cholesterins gegenüber dem LDL-Cholesterin innerhalb der Lipiddiagnostik positioniert, wird die weitere Entwicklung der Studienlage und der Leitlinienempfehlungen zeigen.
Alternativen zur Messung von Lipoprotein-Subfraktionen
Neben dem LDL-Cholesterin gibt es noch weitere Tests zur Messung proatherogener Lipoproteine wie das Non-HDL-Cholesterin und das Apolipoprotein B-100 (ApoB-100), die beide in den 2019 ESC/EAS-Leitlinien als Alternativen zum LDL-Cholesterin aufgeführt sind [3]. Unter bestimmten Umständen (Hypertriglyzeridämien, Diabetes mellitus, Adipositas, sehr niedriges LDL-Cholesterin) sind sie besser geeignet als das LDL-Cholesterin und können in der Stufendiagnostik noch vor der aufwendigeren Subfraktionierung angesiedelt werden. Das Non-HDL-Cholesterin ist eine einfache Rechengröße (Non-HDL-Cholesterin = Gesamtcholesterin – HDL-Cholesterin), die dem Cholesterin sämtlicher atherogener Lipoproteine entspricht und die als Ergänzung zum Basisprofil von jedem Labor zusätzlich berichtet werden kann. Das ApoB ist das Hauptapolipoprotein aller atherogenen Lipoproteine (VLDL, IDL, LDL, Lp(a)), wobei ein Lipoproteinpartikel genau ein ApoB-Molekül enthält. Die molare ApoB-Konzentration entspricht demzufolge der Konzentration der ApoB-haltigen Lipoproteinpartikel. In der Tat gibt es eine gute Korrelation zwischen der ApoB-Konzentration und der mittels NMR-Spektroskopie gemessenen LDL-Partikelkonzentration, wobei im Einzelfall durchaus deutliche Abweichungen möglich sind. Die Diskrepanzen können zum Teil dadurch erklärt werden, dass die Erkennung von ApoB-Epitopen durch die Antikörper der verwendeten Immunoassays von der Lipidzusammensetzung der LDL-Partikel abhängt, die unter verschiedenen Stoffwechselbedingungen variieren kann [58]. Eine Differenzierung der ApoB-haltigen Lipoproteinpartikel ist mittels ApoB-Bestimmung nicht möglich und der NMR-Spektroskopie vorbehalten.
Das Wichtigste auf einen Blick
Die Atherogenität des LDL-Cholesterins hängt nicht nur von seiner absoluten Konzentration, sondern wesentlich von dessen Verteilung auf verschiedene LDL-Subklassen ab. Kleine, dichte LDL (small, dense LDL = sdLDL) sind wesentlich atherogener als große, leichte LDL und gelten heute als ein eigenständiger neuer Risikofaktor für die Atherosklerose.
Subklassenspezifische funktionelle Eigenschaften der HDL-Partikel sind für deren atheroprotektive Wirkung wichtiger als das Gesamt-HDL-Cholesterin, weshalb der Begriff des „guten HDL-Cholesterins“ heute als überholt gilt.
Die über die Basisdiagnostik hinausgehende Messung von Lipoprotein-Subklassen, für die unterschiedliche Methode zur Verfügung stehen, ermöglicht eine differenziertere Beurteilung des Lipidstatus und des daraus resultierenden atherogenen Risikos.