Prognostische und prädiktive Biomarker beim kolorektalen Karzinom: Klinische und molekulare Diagnostik

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2022.03.03

Neben dem Tumorstadium spielen für Prognose und Therapie des kolorektalen Karzinoms (CRC) heute vor allem zwei Fragen eine Rolle, nämlich die nach der Lage des Primärtumors im linken oder im rechten Hemikolon und jene nach der molekularen Konstellation. Außerdem haben neben bekannten Treibermutationen der Verlust von Tumorsuppressorgenen und auch epigenetische Faktoren eine Bedeutung für das Tumorwachstum. Die drei derzeit im klinischen Alltag wichtigsten molekularen Marker sind der RAS- und BRAF-Status sowie die Frage nach einer Mikrosatelliteninstabilität des Tumors.

Schlüsselwörter: Kolorektales Karzinom, RAS-Mutation, BRAF-Mutation, MSI-H, ctDNA, Immunoscore, CMS-Gruppen, HER2-Amplifikation, KRASG12C

Neben der Einteilung in Tumorstadien auf Basis der klinischen TNM-Kriterien gibt es verschiedene biologische Faktoren, die Einfluss auf die Prognose von Patienten mit CRC haben. Einige dieser molekularen Alterationen können auch als Zielstrukturen für spezifische zielgerichtete Therapien genutzt werden und erlangen damit prädiktive Bedeutung.

Lokalisation des Primärtumors

Zwischen links- und rechtsseitigen Tumoren scheinen definitiv genomische Unterschiede zu bestehen, sodass die Lokalisation des Primärtumors als eine Art Surrogatmarker für molekulare Subtypen dienen kann [1]. 

Prognostische Relevanz

Große prognostische Relevanz hat die Lokalisation des Primärtumors – allerdings variiert diese nach Therapiestadium. So haben Patienten mit einem rechtsseitigen Kolonkarzinom in den Stadien III und IV eine ungünstigere Prognose als Patienten mit linksseitigem Kolonkarzinom. 
Rechtsseitige Karzinome zeigen häufiger eine Hypermethylierung mit dem CpG Island Methylator Phenotype (CIMP), Hypermutationen aufgrund von Mikrosatelliteninstabilität (MSI) und BRAF-Mutationen. In den Stadien I und II sind die prognostischen Unterschiede allerdings weniger deutlich. 

Prädiktive Relevanz

Die Lokalisation des Primärtumors hat im metastasierten Stadium auch Auswirkungen auf die Therapie. So ist heute nach verschiedenen retrospektiven Analysen klar, dass Patienten mit RAS-Wildtyp nur bei linksseitigem Primärtumor von EGFR-Inhibitoren wie Cetuximab und Panitumumab zusätzlich zur Chemotherapie-Doublette profitieren [2, 3]. 
Ohne RAS-Mutation mit rechtsseitigem Primarius besteht dagegen kaum ein additiver Nutzen durch EGFR-Inhibitoren, sodass diese Patienten als Erstlinien­therapie eine Chemotherapie plus Bevacizumab (VEGF-Inhibitor) erhalten sollten. Bei RAS-mutierten Tumoren hat die Tumorlokalisation keinen Effekt.

CMS-Gruppen

Das CRC ist eine sehr heterogene Erkrankung. Ein internationales Konsortium hat deshalb molekulare Subgruppen des CRC definiert. Diese Consensus-Molecular-Subtypes(CMS)-Klassifikation unterscheidet vier Subtypen mit bestimmten molekularen Eigenschaften [4–7].

  • CMS1 (immunogen): hypermutiert, MSI-H, starke Aktivierung und Infil-tration von Immunzellen. Prognose (frühe Tumorstadien): eher schlecht
  • CMS2 (kanonisch): epithelial, chromosomal instabil, ausgeprägte Aktivierung des Wnt/MYC-Signalwegs. Prognose (frühe Tumorstadien): eher gut
  • CMS3 (metabolisch): epithelial, mit evidenter metabolischer Dysregula­tion. Prognose (frühe Tumorstadien): intermediär
  • CMS4 (mesenchymal): prominente Aktivierung von TGF-β, stromale Invasion und Angiogenese. Prognose (frühe Tumorstadien): intermediär

Prädiktive Relevanz

Für den klinische Alltag und die Wahl der Therapie haben die CMS-Subgruppen (noch) keine Bedeutung.

Mikrosatelliteninstabilität

Bei etwa 15 % aller CRC lässt sich eine hohe Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H) feststellen (Abb. 1), im metastasierten Stadium deutlich seltener.

Durch Funktionsverlust der Mismatch-Reparatur- (MMR)-Proteine akkumulieren bei diesen Tumoren genomweit Mutationen durch nicht reparierte Basenfehlpaarungen, was zu einer hohen Bildung von Neoantigenen führt. Bis zu 3 % der Fälle haben ihre Ursache in einer ererbten Keimbahnmutation, bei 12 % der Fälle beruht die MSI-H auf spontanen Mutationen [8–11].
Sowohl die American Society of Clinical Oncology (ASCO) als auch das National Comprehensive Cancer Network (NCCN) der USA empfehlen nach der Diagnose eines CRC die Testung auf MSI-H bzw. eine defiziente Mismatch-Reparatur (dMMR) am Biopsiematerial [4, 13]. Diese Testung sollte upfront als „Reflextestung“ erfolgen. Die Bestimmung des MSI-Status vor Therapieeinleitung dient der molekularpathologischen Charakterisierung der Erkrankung, der prognostischen Einschätzung und auch der Gewinnung prädiktiver Informationen hinsichtlich der Therapieauswahl [14].
Zwei Testverfahren kommen hierbei zum Einsatz: zum einen PCR-Analysen, die direkt die Ursache der dMMR detektieren, und zum anderen die Immun­histochemie (IHC), die die Konsequenzen – nämlich den Expressionsverlust der Reparatur-Proteine MSH2, MLH1, MSH6 und PMS2 – nachweisen. Die European Society for Medical Oncology (ESMO) empfiehlt ein zweistufiges Testverfahren mittels IHC, ggf. gefolgt  von einer PCR- oder NGS-Testung [15].
In frühen Tumorstadien findet man beim CRC signifikant häufiger MSI-H-Tumoren als im metastasierten Stadium. Am häufigsten werden MSI-H-Tumoren im Tumorstadium II diagnostiziert (22 %), gefolgt vom Stadium III (12 %). Im Stadium IV sind es lediglich 3 % [16]. 

Relevanz für Prognose und Therapie

In den frühen Tumorstadien ist MSI-H ein prognostischer Faktor. In den Stadien II oder III sind diese Tumoren mit einer besseren Prognose und einer geringeren Fernmetastasierungsrate assoziiert als CRC ohne dMMR [17, 18]. Aus diesem Grund sollte bei diesen Tumoren im Stadium II keine adjuvante Chemotherapie mit 5-Fluorouracil (Pyrimidinanalogon)  erfolgen [4, 14].
Im Stadium III ist der positive Einfluss des MSI-H-Status auf das rezidivfreie Überleben und das Gesamtüberleben geringer [4]. Aus diesem Grund ist eine adjuvante Chemotherapie für MSI-H-Tumoren im Stadium III weiterhin sinnvoll [19, 20].
Im metastasierten Stadium scheinen die Überlebensdaten bei MSI-H-Tumoren deutlich schlechter zu sein als bei CRC mit geringer MSI (MSI-Low/MSI-L) oder Mikro­satellitenstabilität (MSS). Eine Ursache hierfür könnte möglicherweise eine hohe Rate an konkordant auftretenden BRAF-Mutationen sein [17, 21, 22]. Allerdings haben diese Tumoren insgesamt einen immunogenen Phänotyp, sodass sie für eine Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren infrage kommen [17, 23, 24]. Patien­ten mit metastasiertem MSI-H/dMMR-CRC können eine Erstlinientherapie mit Pembrolizumab bzw. nach Versagen einer fluoropyrimidinbasierten Kombinationschemotherapie die duale Immuntherapie mit Nivolumab plus Ipilimumab erhalten (sie­he Ergebnisse der KEYNOTE-177- bzw. CheckMate-142-Studie) [9, 25].

Immunoscore

Auch das Tumor-Mikroenvironment spielt für eine adäquate Immunantwort eine wichtige Rolle. So wird angenommen, dass eine hohe Anzahl an tumorzell­infiltrierenden Lymphozyten eine Wirkung von Checkpoint-Inhibitoren begünstigt. 
Dabei geht es zum einen um die Dichte von Lymphozytenpopulationen, zum anderen um die Diversität der infiltrierenden Immunzellen. So wurde ein kombinierter Immunoscore, der die Dichte von CD3+- und CD8+-Immunzellen in bestimmten Regionen der Tumorprobe berücksichtigt, bei über 2.500 Patienten mit CRC im Stadium I–III untersucht. 
Der Immunoscore erwies sich als stark prädiktiv für die Zeit bis zum Rezidiv sowie für das krankheitsfreie Überleben und das Gesamtüberleben, und zwar unabhängig von Alter und Geschlecht der Patienten, dem MSI-Status und anderen prognostischen Faktoren [26].

Prognostische Relevanz

Im Zusammenspiel mit der TNM-Klassifikation könnte der Immunoscore dazu beitragen, die Prognose von Patienten mit frühem CRC genauer zu bestimmen. Allerdings ist der prognostische Stellenwert im Stadium II weniger klar [27]. 

EGFR-Signalweg

Beim metastasierten CRC kann in rund 70 % der Tumoren eine EGFR-Expression nachgewiesen werden. Vor Initiierung einer Anti-EGFR-Antikörper-basierten Therapie beim mCRC ist keine Analyse des Expressions-Scores notwendig, wohl aber des RAS-Mutationsstatus, da die intakte Signalübertragung über die RAS-Moleküle Voraussetzung für die Wirksamkeit der Anti-EGFR-Antikörper ist. Außerdem muss, wie bereits erwähnt, die Lokalisation des Primärtumors berücksichtigt werden, da Patienten mit rechtsseitigem Primärtumor auch bei RAS-Wildtyp nicht von Anti-EGFR-Antikörpern profitieren. 

RAS-Mutation 

Bei etwa der Hälfte aller CRC liegt eine aktivierende somatische Mutation im KRAS- oder NRAS-Gen vor [28–30]. Die Mutationen führen zu einer konstitutiven Aktivierung des RAS-RAF-MEK-ERK-Signalwegs unter Ausschluss einer Regulation durch EGFR. Somit verliert eine Blockade des EGFR durch gegen die extrazelluläre Domäne des EGFR gerichtete Antikörper ihre Wirkung. RAS-Mutationsanalysen sind daher unabdingbare prädiktive molekularpathologische Tests beim metastasierten CRC (mCRC) [31]. 

RAS-Testung beim mCRC

Bis zu 90 % der KRAS-Mutationen werden in den Codonen 12 und 13 des Exon 2 festgestellt. Die RAS-Testung sollte gemäß den ESMO-Empfehlungen mindestens die Mutationsanalysen von KRAS und NRAS (Exone 2, 3 und 4; Codone 12, 13, 59, 61, 117 und 146) beinhalten [31]. Auch die S3-Leitlinie empfiehlt die Analyse des Mutationszustands der RAS-Gene KRAS und NRAS (Hotspot-Regionen der Exone 2, 3 und 4) und zwar essentiell noch vor Einleitung der Erstlinientherapie. Die Mutationsanalyse kann entweder am Primär­tumorgewebe oder an Metastasen erfolgen, da grundsätzlich von einer hohen Konkordanz des RAS-Mutationsstatus im Primarius und in Metastasen auszugehen ist. Für den Fall, dass die RAS-Mutations­analyse aus Tumorgewebe nicht möglich ist, kann eine Liquid Biopsy den RAS-Status aus der im Blut zirkulierenden Tumor-DNA (ctDNA) ermitteln [14]. CRC in fortgeschrittenen Stadien setzen in hohem Maße Tumor-DNA ins Blut frei. Vorteil einer Liquid Biopsy ist, dass sie auch die intra- und interläsionale Heterogenität der Tumorerkrankung berücksichtigt.
Beim mCRC schließen sich RAS- und BRAF-Mutationen fast immer aus [28]. Aus diesem Grund ergibt sich die Möglichkeit einer Stufendiagnostik, nur bei RAS-Wildtyp erfolgt die Bestimmung des BRAF-Mutationsstatus [14].

Prädiktive Relevanz 

Eine RAS-Mutation ist ein negativer prädiktiver Marker im Hinblick auf die Wirksamkeit einer Anti-EGFR-Therapie. 

Therapie nach RAS-Mutationsstatus

Patienten mit RAS-Wildtyp und einer linksseitigen Lokalisation des Kolonkarzinoms erhalten als Erstlinientherapie eines mCRC präferentiell eine Chemotherapie-Doublette in Kombination mit einer Anti-EGFR-Therapie [2, 32]. 
Patienten mit RAS-Wildtyp und rechtsseitigem Tumor sollten dagegen die Chemotherapie in Kombination mit Bevacizumab erhalten [14]. 
Aufgrund des Selektionsdrucks durch eine EGFR-Blockade kommt es zu einer komplexen klonalen Evolution. Für einen Progress unter Anti-EGFR-Therapie bei initialem RAS-Wildtyp können daher zum Beispiel neu aufgetretene RAS-Mutationen verantwortlich sein. In einer beim diesjährigen ASCO-Kongress präsentierten kleinen Phase-II-Studie wurde die ctDNA der untersuchten Patienten mit mCRC auf das Vorhandensein von RAS-Mutationen und EGFR-Ektodomäne-Klonen, die mit einer Resistenz gegen Anti-EGFR-Antikörper einhergehen, geprüft, um die Entscheidung für oder gegen eine Anti-EGFR-Rechallenge zu treffen [33]. Die ctDNA-gesteuerte Rechallenge erwies sich als erfolgreich: Bei den solchermaßen für eine erneute Anti-EGFR-Therapie selektionierten Patienten konnte eine Ansprechrate von 30 % und eine Krankheitskontrollrate von 63 % erreicht werden.
Patienten mit RAS-mutierten Tumoren profitieren unabhängig von der Tumorlokalisation nicht von der Hinzunahme von EGFR-Antikörpern zur Chemo­therapie. 
Allerdings weiß man mittlerweile, dass auch bei mCRC-Patienten mit einer RAS-Mutation der Mutationsstatus nicht unveränderlich festgelegt sein muss, sondern Änderungen unterworfen sein kann. So kann sich ein NeoRAS-Wildtyp entwickeln, der unter Therapie von initial RAS-mutiert zu RAS-Wildtyp gewechselt hat [34, 35].

BRAF-Mutationen

Beim metastasierten CRC liegt bei 8–12 % der Patienten eine BRAF-V600E-Mutation („BRAF-Mutation“) vor [22, 31, 36–39]. RAS- und BRAF-Mutationen schließen sich wie oben erwähnt fast immer gegenseitig aus. Pathologisch zeichnen sich die BRAF-V600E-mutierten Tumoren durch eine schlechtere Differenzierung, eine muzinöse Histologie und Assoziation mit MSI-H aus; zudem sind BRAF-mutierte Tumoren meist größer und sitzen häufiger im rechtsseitigen Kolon [40–42]. Beim BRAF-mutierten CRC finden sich eher peritoneale Metastasen als Lungenmetastasen oder auf die Leber beschränkte Filiae [43]. Ältere Patienten und Frauen haben häufiger ein CRC mit BRAF-Mutation [44]. 
Besondere Bedeutung kommt der KRASG12C-Mutation zu. Hier gibt es seit Anfang des Jahres 2022 für das KRASG12C-mutierte NSCLC mit Sotorasib einen zugelassenen Inhibitor. Für die Behandlung des KRASG12C-mutierten mCRC werden aktuell in Deutschland zwei Phase-III-Studien durchgeführt: Die KRYSTAL-10-Studie überprüft dabei die Wirksamkeit von Adagrasib in Kombination mit Cetuximab in der Zweitlinien­situation. Die CodeBreak-300-Studie untersucht bei vorbehandelten Patienten die Wirksamkeit von Sotorasib in Kombination mit Panitumumab. Da die jeweiligen Phase-II-Studien erfreulich gute Effektivitätsdaten gezeigt haben, sollten Patienten mit der seltenen KRASG12C-Mutation wenn möglich einem Studienzentrum vorgestellt werden.

BRAF-Testung

Eine Bestimmung von (ALL) RAS und BRAF-Mutationen soll noch vor Einleitung der Erstlinientherapie im metastasierten Stadium erfolgen [14]. Die BRAF-Mutationsanalyse kann an Paraffinmaterial oder Plasma (Liquid Biopsy) durchgeführt werden. Neben Real-time-PCR-basierten Plattformen kommen auch NGS-basierte Verfahren zum Einsatz. 

Prognostische und prädiktive Relevanz

Die Prognose von CRC-Patienten mit BRAF-Mutation ist schlecht [14, 45]. Während eine BRAF-Mutation kein prädiktiver Biomarker für das Ansprechen auf eine Standard-Chemotherapie zu sein scheint [39], lieferte eine Meta-Analyse Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen BRAF-Mutation und reduziertem Ansprechen auf eine Anti-EGFR-Therapie [46]. Es gibt allerdings auch gegenteilige Ergebnisse [47]. 
Auf dem diesjährigen ASCO hat nun die Phase-II-Studie FIRE-4.5 erstmalig prospektive, randomisierte Daten zur Frage der Rolle von EGFR-Inhibitoren beim BRAF-mutierten mCRC geliefert. Die AIO-Studie verglich in 2:1-Randomisierung die Chemotherapie-Triplette FOLFOXIRI in Kombination mit Cetuximab oder Bevacizumab als Erstlinien-Therapie bei Patienten mit metastasiertem RAS-Wildtyp-CRC mit BRAF-V600E-Mutation. Die Ansprechrate unter der Chemo-Anti-EGFR-Kombination war mit 49,2 % schlechter als unter der Kombination Chemo-Bevacizumab (60 %; Odds Ratio 1,55; p = 0,33). Das mediane PFS betrug unter der Bevacizumab-basierten Therapie 10,1 Monate gegenüber nur 6,3 Monaten unter der Cetuximab-haltigen Kombination (HR 2,02; p = 0,01) [48]. Damit ist FOLFOX(IRI) plus Bevacizumab weiterhin das zu bevorzugende Regime bei BRAF-V600E-Mutation, das gerade bei fitten Patienten bereits frühzeitig empfohlen wird [14, 39]. 
Zur Frage, ob die Triplette aus FOLFOXIRI oder die FOLFOX-Doublette jeweils in Kombination mit Bevacizumab gegeben werden sollte, gab es im letzten Jahr eine interessante Metaanalyse aus der italienischen TRIBE-Studiengruppe [49]. Hier zeigte sich in der retrospektiven Analyse kein wesentlicher Unterschied für die Gabe der Triplette, sodass offensichtlich auch die FOLFOX-Doublette mit Bevacizumab zu einem vergleichbaren Therapieansprechen führt.
Während eine Monotherapie mit BRAF-Inhibitor beim metastasierten CRC wenig vielversprechend war [50], zeigten sich die Kombination aus BRAF- und EGFR-Inhibitor [51] und aus BRAF-, MEK- und EGFR-Inhibitor wirksam [52, 53]. 
Seit Juni 2020 ist die Kombination des BRAF-Inhibitors Encorafenib und des Anti-EGFR-Antikörpers Cetuximab zur Behandlung von Patienten mit mCRC und BRAF-V600E-Mutation nach Versagen einer vorausgegangenen systemischen Therapie auf Basis der BEACON-Studie [45] zugelassen.

HER2 

Bei 2–3 % aller mCRC findet sich eine HER2-Amplifikation, ganz überwiegend bei RAS/BRAF-Wildtyp-Patienten[55]. Derzeitiger Therapiestandard bei diesen mCRC-Patienten ohne RAS/BRAF-Mutation ist eine Chemotherapie in Kombination mit einer Anti-EGFR-Therapie. Die Therapie mit HER2-Inhibitoren ist beim CRC nicht zugelassen und bedarf zuvor einer Kostenübernahmebestätigung durch die entsprechenden Kostenträger.

Prädiktive Relevanz 

Unsere Therapieentscheidungen kann der HER2-Status in zweierlei Hinsicht beeinflussen: 
Zum einen wissen wir heute, dass eine HER2-Amplifikation mit einer Resistenz gegen Anti-EGFR-Substanzen verbunden sein kann [55]. 
Zum anderen bietet sich uns bei RAS-Wildtyp-Tumoren im späteren Verlauf der Behandlung die Möglichkeit einer (off-label) Anti-HER2-Therapie. Die Studie HERACLES hat gezeigt, dass Patienten mit RAS-Wildtyp-mCRC, die gegen eine Standardtherapie (einschließlich Cetuximab oder Panitumumab) refraktär waren und eine HER2-Überexpression aufwiesen, von einer Behandlung mit Trastuzumab plus Lapatinib profitierten [56].

ctDNA-Nachweis

Bisher wird der Nachweis von ctDNA („Liquid Biopsy“) im CRC (noch) nicht durch die Kostenträger übernommen. Nach kurativ intendierter Tumorresek­tion zirkulierende Tumor-DNA (ctDNA) im Sinne einer Minimal Residual Disease (MRD) wurde für CRC im Stadium I–III als Marker für ein erhöhtes Rezidivrisiko untersucht. 
Als prognostischer Biomarker liefert die MRD Hinweise auf das Vorhandensein von Mikrometastasen und auf die Notwendigkeit einer systemischen adjuvanten Therapie. Die Idee: Über- und Untertherapien sollen auf diese Weise vermieden werden. 
Die Bestimmung der ctDNA mittels Liquid Biopsy ist allerdings mit einer Reihe von Schwierigkeiten behaftet, unter anderem der oft extrem geringen Konzentration von ctDNA. Entsprechend den Leitlinien der ESMO kann die Bestimmung der ctDNA als zusätzlich zu pathologischen Charakteristika und zu MSI-Status eingesetztes prognostisches Instrument zur Individualisierung der adjuvanten Therapie und zur individuellen Entscheidungsfindung erwogen werden [27].

Prognostische Relevanz

  • Verschiedene Studien haben ein erhöhtes Rezidivrisiko bzw. verkürztes krankheitsfreies Überleben bei Patienten mit ctDNA-Nachweis nach erfolgter Operation gezeigt [57–59]. Bei Patien­ten mit ctDNA auch nach adjuvanter Chemotherapie ist das Rezidivrisiko besonders hoch [59]. 
  • Das Potenzial hinsichtlich der prognostischen Aussagekraft des Instruments scheint vorhanden zu sein. Dennoch müssen die Ergebnisse weiterer Studien abgewartet werden, bevor die Bestimmung der ctDNA einen festen Platz in der Entscheidungsfindung pro oder contra adjuvante Therapie in der klinischen Routine bekommen kann.
  • Die prospektive Studie CIRCULATE der AIO (AIO-KRK-0217) untersucht derzeit den prädiktiven Stellenwert der ctDNA für eine adjuvante Chemo­therapie im Stadium II; ein ähnliches Vorgehen wurde auch in der US-amerikanischen Studie COBRA (NCT04068103) gewählt.

Fazit

Eine Reihe von – meist molekularen – Markern sind heute bereits etablierter Baustein der Therapiesteuerung und ermöglichen zum Teil eine immunonkologische oder zielgerichtete Behandlung beim CRC. Die im Artikel genannten Marker geben die möglichen therapeutischen Ziele nicht vollständig wieder, wie das in Abb. 2 gezeigte Tortendiagramm andeutet. 

Weitere Marker befinden sich auf dem Weg und in der wissenschaftlichen Erforschung. Vielversprechende Möglichkeiten scheint schon heute die Liquid Biopsy zu eröffnen, um Resistenzen zu erkennen oder um in der adjuvanten Situation durch den Nachweis von ctDNA eine zunehmend personalisierte Therapie zu ermöglichen.   

Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit Mascha Pömmerl, wurde in Trillium Krebsmedizin 2021; 30(7): 503–509 erstpubliziert und für diese Veröffentlichung aktualisiert.

Autoren
Prof. Dr. med. Sebastian Stintzing
Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie (CCM)
Charité – Universitätsmedizin Berlin
Dr. med. Ivan Jelas
Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie (CCM)
Charité – Universitätsmedizin Berlin