ctDNA-Analysen beim Melanom im adjuvanten und palliativen Stadium: Starker prognostischer Biomarker

DOI: https://doi.org/10.47184/td.2023.03.06

Die Immuntherapie hat die Behandlung von Patient:innen mit metastasiertem Melanom revolutioniert. Da in Zukunft die Zahl der Therapieoptionen und Schemata (neoadjuvant/adjuvant/palliativ) immer weiter zunehmen wird, steigt auch der Bedarf an Biomarker-gesteuerten Sequenzierungstrategien. Dies zieht auch einen ungedeckten Bedarf an prädiktiven Biomarkern nach sich. Die Analyse der zirkulierenden Tumor-DNA bietet ein vielversprechendes Potenzial, diese und viele weitere klinische Entscheidungsfindungen zu unterstützen.

Schlüsselwörter: cfDNA, ctDNA, Liquid Biopsy, prognostische Biomarker, prädiktive Biomarker

Das Melanom ist die fünfthäufigste Krebserkrankung bei Männern und die vierthäufigste Krebserkrankung bei Frauen [1]. Die absolute Zahl der neu auftretenden Melanomfälle ist seit 1999 kontinuierlich gestiegen. Die Hemmung der Signaltransduktion (TT) sowie die Immun-Checkpoint-Inhibition (ICI) haben die Behandlung von Patient:innen mit metastasiertem Melanom revolutioniert und zu zahlreichen Therapiezulassungen geführt. Dennoch profitieren nicht alle Tumorpatient:innen dauerhaft, sodass noch Bedarf zur Identifizierung von prädiktiven Signaturen und Überwachungsinstrumenten für die Ansprechkinetik sowie die Bildung von Resistenzmechanismen unter Immuntherapie besteht. Die Erforschung zur frühzeitigen Erkennung von Resistenzen und die Entschlüsselung der zugrunde liegenden Resistenzmechanismen sind die aktuellen Herausforderungen zur Verbesserung der Immuntherapie im Feld der Onkologie. Zirkulierende Tumorprodukte aus dem Blutkreislauf (wie zirkulierende Tumorzellen/Tumor-DNA, Proteine, Exsomen etc.) können als alternative und minimalinvasive Methode genutzt werden, um Echtzeitinformationen über den Tumorstatus zu erhalten. Dieses Prinzip wird als Liquid Biopsy (LB) bezeichnet [2]. Sie gibt zeitnah umfassende Auskunft über die Entwicklung von Tumorzellen, therapeutische Ziele und Mechanismen der Therapieresistenz [3]. Durch serielle Flüssigbiopsie-Analysen, d. h. Längsschnittanalysen, werden die (sub-)klonale Tumorevolution und die zeitlichen Veränderungen der Tumorheterogenität, der Tumorlast und der entstehenden Therapieresistenz bewertet.

 

ctDNA als Biomarker

Zellfreie DNA (cfDNA), die im peripheren Blut zirkuliert, wird hauptsächlich durch Nekrose und Apoptose sowie durch Sekretion über extrazelluläre Vesikel freigesetzt. Bei Krebspatient:innen ist nur ein kleiner Teil der cfDNA (in der Regel 0,01 % bis 5 %) zirkulierende Tumor-DNA, kurz ctDNA, die von Tumorzellen ins Blut abgegeben wird [4].

Abkürzungsverzeichnis

3L/4L

dritte/vierte Therapielinie

AJCC

American Joint Committee on Cancer

ASCO 2023

American Society of Clinical Oncology Annual Meeting 2023

BRAF

proto-oncogene B-Raf

cfDNA

zellfreie DNA

CTCAE

Common Terminology Criteria for Adverse Events

ctDNA

zirkulierende Tumor DNA

ddPCR

digitale Tröpfchen-Polymerase-Kettenreaktion

HR

Hazard Ratio

ICI

Immun-Checkpoint-Inhibition

KI

Konfidenzintervall

LB

Liquid Biopsy

LDH

Laktat-Dehydrogenase

MEK

Mitogen-aktivierte Proteinkinase-Kinase

MRD

Minimal Residual Disease

NR

Normalized Ratio

PD-L1

Programmed Death-Ligand 1

RFS

Rezidiv-freies Überleben

TT

Targeted Therapy

ULN

Upper Limit Normal

Empfindliche molekular­bio­logische Analysemethoden ermöglichen die Identifizierung und Charakterisierung von ctDNA. Im Allgemeinen lassen sich die Technologien in zielgerichtete Ansätze unterteilen, die auf den Nachweis von Mutationen in einer Reihe von vordefinierten Genen abzielen und in nicht-zielgerichtete Ansätze, die auf das Screening des gesamten Genoms ausgerichtet sind [5]. Nicht-zielgerichtete Ansätze wie die Ganzgenomsequenzierung oder die Whole-Exome-Sequenzierung bieten die Möglichkeit, neue, klinisch relevante genomische Aberrationen nachzuweisen, ohne dass Informationen über den Primärtumor erforderlich sind [6, 7]. Im Allgemeinen haben die kostengünstigeren zielgerichteten Ansätze eine höhere analytische Sensitivität als nicht-zielgerichtete Ansätze; dennoch gibt es starke Bemühungen, die Nachweisgrenzen von nicht-zielgerichteten Ansätzen zu verbessern [8, 9]. Zukünftig werden aus dem Gewebe analysierte Mutationen (Tumor-informierter Ansatz) mit einem zielgerichteten Mutationspanel (Tumor-agnostischer Ansatz), bestehend aus den am häufigsten vorkommenden Mutationen unter Therapie, kombiniert werden[10]. Derzeit geht man davon aus, dass die während einer Immuntherapie ermittelte ctDNA-Konzentration für die Vorhersage des Ansprechens auf die Behandlung, des Wiederauftretens und der Resistenz geeignet ist [11, 12].

 

Adjuvante Situation beim Melanom

Aufgrund der Heterogenität des Primärtumors und der fortschreitenden klonalen Divergenz, die zum Wachstum aggressiverer Tumorpopulationen führt, kommt es bei der Mehrzahl der nicht-metastasierten Melanome im Frühstadium nach einem variablen krankheitsfreien Intervall zu einem Rezidiv. Letzteres entwickelt sich zu einem metastasierten Melanom und führt schließlich zum Tod [13]. Adjuvante therapeutische Strategien zur Beseitigung ruhender Zellen durch Beeinträchtigung wichtiger Überlebenswege oder Mechanismen, die Therapieresistenz vermitteln, sind vielversprechend [14]. Da die Zahl der Therapieoptionen und Schemata (neoadjuvant/adjuvant) in Zukunft enorm steigen wird, erhöht sich auch der Bedarf an Biomarker-gesteuerten Sequenzierungsstrategien sowie Entscheidungshilfen zur Risiko-Nutzen-Analyse (Abb. 1).

Die ultrasensitive Detektion und Charakterisierung von ctDNA ermöglicht die Identifizierung von Minimal Residual Disease (MRD) zu einem Zeitpunkt, an dem noch keine klinischen oder radiologischen Anzeichen von Fernmetastasen vorliegen [15]. Neuere Studien haben gezeigt, dass der Nachweis von ctDNA vor einer Operation mit der Aggressivität der Erkrankung korreliert. Durch den Nachweis von ctDNA zu Beginn und nach Operation in zwei unabhängigen prospektiven Kohorten wurden Melanompatient:innen im Stadium III mit dem höchsten Rückfallrisiko identifiziert, was die Entscheidung über eine adjuvante Therapie erleichtern könnte [16]. Gleiches kann für die Entscheidungsfindung im Stadium II gelten. Bereits bei Melanompatient:innen mit einem dicken Primärtumor, aber negativer Sentinel-Node-Biopsie im Stadium IIB und IIC kann ein hohes Rezidivrisiko nach einer vollständigen Operation bestehen. Hier bietet die Nutzung von ctDNA das Potenzial, Patient:innen mit hohem Rezidiv­risiko zu identifizieren. So würden nur diejenigen Patient:innen der potenziellen Toxizität durch Therapeutika ausgesetzt, die definitiv einen Therapienutzen haben (Abb. 1) [17, 18]. Zudem gibt es mehrere Genexpressionsprofile bzw. Immunhistochemische Tests für eine Biomarker-basierte Risikoklassifizierung von Patient:innen mit hohem Risiko für ein Krankheitsrezidiv.

Der Erfolg der zielgerichteten Therapie und der Immuntherapie bei Patient:innen mit metastasiertem Melanom führte zur Entwicklung einer adjuvanten Therapie für Hochrisiko-Melanome. Diese Therapien sind inzwischen zum Standard der Behandlung geworden. Nach einer vermeintlich kurativen Therapie ohne nachweisbaren Tumor kann jedoch bei etwa einem Viertel der Betroffenen innerhalb der ersten fünf Jahre nach der ersten Krebsbehandlung ein Rezidiv auftreten[16, 19, 20]. Die Analyse von ctDNA kann bei der Überwachung nach adjuvanter Therapie und zur Vorhersage dieser Rezidive beitragen. Denn bei ctDNA-negativen Patient:innen wurde ein signifikant längeres Rezidiv-freies Überleben (RFS) im Vergleich zu zu Beginn der Behandlung ctDNA-positiven Patient:innen beobachtet (RFS-Ereignisrate von 20,9 % (23/110) gegenüber 80,0 % (12/15); HR (Hazard Ratio) = 0,150; 95%-KI 0,073, 0,306). Nachweisbare ctDNA zu Beginn der Therapie war zudem signifikant mit einem höheren Krankheitsstadium, LDH (Laktat-Dehydrogenase) ≥ ULN (upper limit normal), PD-L1 (Programmed death-ligand 1) < 5 % und einer Interferon-gamma-Signatur unter dem Median verbunden [19]. Aktuelle Ergebnisse der KEYNOTE-942- und Checkmate-238-Studie, die auf dem diesjährigen ASCO 2023 (American Society of Clinical Oncology Annual Meeting 2023) vorgestellt wurden, bestätigen dieses Potenzial der ctDNA. Zudem ermöglichte die Analyse der ctDNA-Dynamik das Potenzial des Therapiemonitorings. Die Teilnehmenden der Checkmate-238-Studie im Nivolumab-Arm mit nicht nachweisbarer ctDNA vor der Behandlung (n = 308), die in Woche 7 positiv wurden (n = 22), zeigten ein kürzeres RFS (medianes RFS 20,68 Monate [95%-KI 2,79, NR]) als Patient:innen, bei denen die ctDNA nach der Behandlung nicht nachweisbar war (n = 286) (medianes RFS, NR [95%-KI 61,1, NR]) [21, 22] (Tab. 1).

Tab. 1: Eine Auswahl an Studien/klinischen Studien zur Einführung der ctDNA-Analyse in die klinische Praxis beim Melanom.

Abkürzungen: AUC = Fläche unter der Kurve; CI = Konfidenzintervall; ctDNA = zirkulierende Tumor-DNA; CTX = Chemotherapie; ddPCR = digitale Tröpfchen-PCR; DDFS = fernes krankheitsfreies Überleben; DFS = krankheitsfreies Überleben; ECOG = Eastern Cooperative Oncology Group; HR = Hazard Ratio; OS = Gesamtüberleben; Pat. = Patient:innen; RF = rückfallfreies Überleben; RT = Strahlentherapie.

Melanoma

AJCC Stadium

n

pat.

Methodik

Hauptresultate

Referenz

Tan et al.

(2019)

reseziertes Stadium III

 

133

ddPCR

Pat. mit hohem Rezidivrisiko wiesen ctDNA zu Therapiebeginn (RFS,HR 2,9; 95% CI: 1,5-5,6; P = 0,002] und postoperativ auf (HR 10; 95% CI 4. 3-24; P < 0,001). Der Nachweis von ctDNA bei Studienbeginn (HR 2,9; 95% CI 1,3-5,7; P = 0,003 und postoperativ (HR 11; 95% CI 4,3-27; P < 0,001] war ebenfalls mit einem schlechteren Fernmetastasen-freien Überleben (DMFS) verbunden.

[16]

Lee et al.

2019

IV

76

ddPCR

Die longitudinale Bewertung der ctDNA bei Pat. mit met. Melanom, die mit PD1-Inhibitoren behandelt werden, ist ein genauer Prädiktor für das Ansprechen des Tumors, das PFS und das OS. Pat., bei denen die ctDNA unter der Therapie dauerhaft erhöht war, hatten eine schlechte Prognose mit einem medianen OS von 9,2 Monaten (HR 0,02; P < 0,001), was für die Kombination und Sequenzierung nachfolgender Therapien hilfreich sein kann.

[23]

COMBI-MB

Phase-2-Multikohortenstudie wurde orales Dabrafenib (150 mg zweimal täglich) plus orales Trametinib (2 mg einmal täglich) bei vier Patientenkohorten mit Melanom-Hirnmetastasen

IV

125

THxID BRAF Assay

Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 8-5 Monaten (IQR 5-5-14-0), erreichten 44 (58%; 95% CI 46-69) von 76 Patienten in Kohorte A (BRAFV600E+, asympt. Melanom-Hirnmetastasen ohne vorherige lokale Hirntherapie, ECOG 0 oder 1) ein intrakranielles Ansprechen. Ein intrakranielles Ansprechen wurde nach Einschätzung des Prüfarztes auch bei neun (56 %; 95 % KI 30-80) von 16 Patienten in Kohorte B (BRAFV600E +, asymptomatische Melanom-Hirnmetastasen mit vorheriger lokaler Hirntherapie, ECOG 0 oder 1), sieben (44 %; 20-70) von 16 Patienten in Kohorte C (BRAFV600D/K/R-+, asymptomatische Melanom-Hirnmetastasen mit oder ohne vorherige lokale Hirntherapie, ECOG 0 oder 1) und zehn (59 %; 33-82) von 17 Patienten in Kohorte D (BRAFV600D/E/K/R +, symptomatische Melanom-Hirnmetastasen mit oder ohne vorherige lokale Hirntherapie und einem ECOG 0, 1 oder 2.) erreicht.

[36]

Haselmann et al 2018

I-IV

634

OncoBEAMTM V600E assay (Sysmex Inostics)

Konkordanz von 90,9 % (Studie 1) bzw. 90,1 % (Studie 2) zwischen den Mutations-Ergebnissen der Plasma- und Gewebetests.  Interessanterweise waren abweichende Ergebnisse in einigen Fällen mit dem Nichtansprechen auf BRAFi (n = 3) oder einem sekundären BRAF-mutierten Malignom (n = 5) verbunden. Die ctDNA-Ergebnisse korrelierten in 95,7 % der Fälle mit dem klinischen Verlauf der Erkrankung und dem Ansprechen auf die Behandlung. Der Nachweis von BRAF-mutierter ctDNA sagt einen Rückfall spezifischer als S100 und Laktatdehydrogenase im Serum voraus.

[32]

NCT03070392

(ASCO 2023)

Phase II randomisierte, Open-label, Multizentrische Studie (IMCgp100 im Vergleich zur Wahl des Prüfarztes bei HLA-A*0201-positiven Pat. mit zuvor unbehandeltem fortgeschrittenem Aderhautmelanom)

IV

245

zielgerichteter mPCR-NGS assay für Mutationen in 15 Genen u.a.: GNAQ, GNA11, SF3B1, CYSLTR2, PLCB4 and EIF1AX

Bis zur 9. Behandlungswoche wurde bei 34/36 (94%) auswertbaren SD-Pat. eine Reduktion der ctDNA beobachtet, darunter 29/36 (81%) mit einer Reduktion von ≥ 0,5 log, 18/36 (50%) mit einer Reduktion von ≥ 2 log und 16/36 (44%) mit nicht nachweisbarer ctDNA (Clearance). Reduzierungen der ctDNA waren mit einem besseren OS verbunden (≥0,5 log, 0,61 (0,23-1,64), ≥ 2 Jahre OS = 53%; ≥2 log, 0,33 (0,14-0,78), 2 Jahre OS = 72%; ≥3 log (ctDNA-Clearance), 0,28 (0,12-0,67), ≥ 2 Jahre OS =75%)

[40]

KEYNOTE-942

(ASCO 2023)

 

Randomisierte Phase-2-Studie zur adjuvanten Immuntherapie mit dem personalisierten Krebsimpfstoff mRNA-4157 und Pembrolizumab im Vergleich zu Pembrolizumab allein nach vollständiger Resektion eines Hochrisiko-Melanoms

Reseziertes Hochrisiko-Stadium III / IV

257

WES

personalized amplicon-based NGS assay (Inivata - RaDaR)

Bei ctDNA neg. Pat. zu Studienbeginn wurde in allen Studienarmen eine signifikant längere RFS im Vergleich zu ctDNA pos. Pat. beobachtet (RFS-Ereignisrate von 20,9 % (23/110) gegenüber 80,0 % (12/15); HR = 0,150; 95 % CI: 0,073, 0,306). Im Kombinationsarm aus mRNA-4157/V940 und Pembrolizumab wurde bei Pat. mit ctDNAneg im Vergleich zu ctDNApos-Proben eine signifikant längere RFS beobachtet (RFS-Ereignisrate von 10,4 % (8/77) gegenüber 76,9 % (10/13); HR = 0,087; 95 % KI: 0,034, 0,222).

[21]

CheckMate 238

 

(ASCO 2023)

 

Randomisierte, doppelblinde Phase-3-Studie zur adjuvanten Immuntherapie mit Nivolumab im Vergleich zu Ipilimumab

Reseziertes Stadium IIIB/C oder IV bei Pat. mit hohem Rezidivrisiko

906

Digital droplet PCR: BRAF V600E/K, NRAS Q61R/L/K, oder TERT C228T/C250T

Prä-Tx-ctDNA war signifikant mit einem höheren Krankheitsstadium, LDH ≥ ULN, PD-L1 < 5% und einer Tumor-IFNg-RNA-Signatur-Expression unter dem Median verbunden. Der Nachweis von ctDNA vor der Behandlung war sowohl im NIVO- als auch im IPI-Arm mit einem kürzeren RFS und DMFS verbunden, verglichen mit nicht nachweisbarer ctDNA: Im NIVO-Arm hatten die Pat. mit nicht nachweisbarer ctDNA vor der Behandlung (n=308), die in Woche 7 positiv wurde (n=22), ein kürzeres RFS (medianes RFS 20,68 Monate [95% CI, 2,79, NR]) als Pat., bei denen die ctDNA nach der Behandlung nicht nachweisbar war (n=286) (medianes RFS, NR [95% CI, 61,1, NR]). Pat. mit positiver ctDNA vor der Therapiebeginn (n=42), die bei w7 (n=23) positiv blieben, hatten ein deutlich kürzeres RFS (medianes RFS, 3,35 Monate [95% CI, 2,73, 20,44]) als Pat., bei denen die ctDNA nach der Therapie nicht mehr nachweisbar war (n=19) (medianes RFS, NR [95% CI, 14, NR]). Ähnliche Ergebnisse wurden in der IPI-Gruppe beobachtet.

[22]

Syeda MM et al. 2021

IV

Combi-d: 345, COMBI-MB 76: 76

ddPCR

Eine erhöhte BRAFV600-Mutations-positive ctDNA-Konzentration in der COMBI-d-Studie mit einem schlechteren Gesamtüberleben assoziiert (Hazard Ratio [HR] 1–13 [95%-KI 1-09-1-18], p < 0–0001 durch univariate Analyse). Ein ctDNA-Cutoff-Punkt von 64 Kopien pro ml Plasma stratifizierte die in COMBI-d eingeschlossenen Patienten als Hoch- oder Niedrigrisikopatienten im Hinblick auf die Überlebensergebnisse (HR 1-74 [95%-KI 1-37-2-21], p < 0–0001 für das progressionsfreie Überleben; 2–23 [1-73-2-87], p < 0–0001 für das Gesamtüberleben) und wurde in derCOMBI-MB-Kohorte validiert (3–20 [1-39-7-34], p = 0–0047 für das progressionsfreie Überleben; 2–94 [1-18-7-32], p = 0–016 für das Gesamtüberleben).In COMBI-d war nicht nachweisbare ctDNA in Woche 4 signifikant mit einem verlängerten progressionsfreien und Gesamtüberleben verbunden, insbesondere bei Patienten mit erhöhten Laktatdehydrogenase-Konzentrationen (HR 1–99 [95%-KI 1-08-3-64], p = 0–027 für progressionsfreies Überleben; 2–38 [1-24-4-54], p = 0–0089 für Gesamtüberleben).

[41]

Dennoch zeigten mehrere Berichte über Melanome [16, 23–25] (Tab. 1) oder Lungen- [26] und Darmkrebs [27], dass die Prävalenz von ctDNA-positiven Patient:innen nach der Resektion trotz des Einsatzes hochempfindlicher digitaler PCR-Techniken eine Herausforderung bleibt. Um die Sensitivität von ctDNA-Tests zu erhöhen, könnte man insbesondere die Abfrage mehrerer Mutationen mit personalisierten Genpanels auf der Grundlage der Primärtumor-Sequenzierung, die Analyse größerer Plasmavolumina und wiederholte Probennahmen empfehlen, um die Sensitivität des Mutationsnachweises zu erhöhen [27].

 

Fortgeschrittene Situation beim Melanom

In der Therapie des fortgeschrittenen Melanoms haben sich sowohl zielgerichtete Therapien als auch Immuntherapien als wirksam erwiesen, um langfristig das Wiederauftreten von Metastasen zu verhindern. Bei Personen mit einer BRAF-V600E- oder -V600K-Mutation, die mit BRAF-/MEK-Inhibitor-Kombinationen behandelt werden, verlängert sich das progressionsfreie Überleben und die Gesamtüberlebenszeit signifikant, wobei die 5-Jahres-Gesamtüberlebensrate etwa 35 % beträgt [28]. Trotz einer Tumoransprechrate von 75 bis 80 % entwickeln die meisten Patient:innen jedoch im Laufe der Therapie eine Resistenz gegenüber der Behandlung [29]. Neben TT hat die ICI-Therapie mit Anti-PD-1-/Anti-CTLA4-Antikörpern das progressionsfreie und das Gesamtüberleben bei Personen mit inoperablem malignem Melanom im Stadium IV nach AJCC deutlich verlängert. Allerdings profitieren etwa 50 % der Patient:innen nicht von der Behandlung, und vor allem sind bis zu 60 % von schweren Nebenwirkungen (Grad III–IV nach CTCAE; Common Terminology Criteria for Adverse Events) betroffen. Eine Strategie, die derzeit untersucht wird, ist die Kombination von BRAF-/MEK-Inhibitoren mit ICI. Mit dieser Kombinationsstrategie verbindet sich die Hoffnung auf ein schnelles und dauerhaftes Ansprechen auf die Therapie. Aufgrund der höheren Toxizität von Dreifachkombinationen und gescheiterten (COMBI-i) oder enttäuschenden (TRILOGY) Studien wird angenommen, dass eine Sequenzierungsstrategie anstelle einer gleichzeitigen Dreifachkombination die Vorteile beider Behandlungsregime erfolgreich kombiniert, um bessere Ansprechraten und eine längere Dauer des Ansprechens zu erreichen (SECOMBIT, ImmunoCobiVem) [30].

Die Analyse von ctDNA im palliativen Setting zeigt ein vielversprechendes Potenzial, dem Aufruf nach auf Patient:innen zugeschnittene Therapiesequenzen und Therapiezielen (insbesondere 3L/4L) zu folgen, und wird in vielen Studien zu anderen Tumorentitäten (Mamma- und Pros­tatakarzinom) als Biomarker verwendet und untersucht [3]. Eine Meta-Analyse von 19 Studien, die nach der Methode des ctDNA-Nachweises gruppiert waren, ergab eine kombinierte Schätzung für die HR für das progressionsfreie Überleben (13 Studien mit der Methode der digitalen Tröpfchen-Polymerase-Kettenreaktion (ddPCR) (n =  1.002) von 2,10 (95%-KI 1,71–2,59)), was auf eine schlechtere Prognose hinweist, wenn ctDNA nachgewiesen wurde. Ähnliche Ergebnisse wurden in der Gesamtüberlebensanalyse von neun Studien (ddPCR-Methode, N = 841) mit einer kombinierten HR von 2,78 (95%-KI 2,21–3,49) und von fünf Studien (nicht-ddPCR-Methode, N = 326) mit einer kombinierten HR von 2,58 (95%-KI 1,74–3,84) gefunden. Die seriellen ctDNA-Werte während der Behandlung zeigten eine pharmakodynamische Rolle, die das Ansprechen oder die Resistenz mit einer mittleren Vorlaufzeit von 3,5 Monaten früher als die radiologische Routineuntersuchungen widerspiegelt [31, 32]. In ähnlicher Weise zeigten Untersuchungen der ctDNA-Konzentration bei Melanom-Patient:innen im Stadium IV während der Therapie, dass in den Patientenkohorten, in denen die ctDNA zu keinem Zeitpunkt nachgewiesen wurde oder in denen es während der Therapie zu einer ctDNA-Clearance kam, ein signifikanter Überlebensvorteil im Vergleich zu der Gruppe bestand, die während der Therapie eine konstante ctDNA-Konzentration aufwies [33]. Dies ließ sich in ähnlicher Weise beim Uvea-Melanom im Stadium IV, im Rahmen der seit 2022 zugelassenen neuen Therapieform mittels bi­spezifischem Fusionsprotein (Tebentafusp), nachweisen (Tab. 1) [34]. Allerdings war die ctDNA nicht in der Lage, die intrakranielle Krankheitsaktivität vorherzusagen oder zu überwachen [35, 36]. Außerdem zeigten sich die blutbasierten Tests im Vergleich zu den standardmäßigen gewebebasierten BRAF-Mutationstests vorteilhaft und sollten diese im besten Fall ergänzen [32, 37]. 

 

Fazit

Aktuelle Studien deuten somit darauf hin, dass die ctDNA-Analyse, die während einer zielgerichteten Therapie oder einer Immun-Checkpoint-Inhibition bei Melanom-Patient:innen bestimmt wird, ein starker prognostischer Biomarker im adjuvanten und palliativen Stadium sein kann. Sie kann zur Therapieabwägung und zum Therapiemonitoring sowie zur Vorhersage des Wiederauftretens und der Resistenz verwendet werden [37–39] (Abb. 1). Veränderungen in der ctDNA-Konzentration scheinen das klinische Ansprechen bzw. die Resistenz widerzuspiegeln und gehen zudem der radiologischen Diagnose einer Progression voraus. Eine Herausforderung bleibt die Standardisierung einer hochempfindlichen und reproduzierbaren Methodik, bevor die Flüssigbiopsie in die klinische Praxis umgesetzt werden kann (Abb. 1). Zudem benötigt es Leitlinien, um den Umgang mit möglichen Fehlerquellen und ein einheitliches Vorgehen festzulegen.

Die ctDNA-Überwachung könnte dazu genutzt werden, den Zeitpunkt therapeutischer Interventionen zu personalisieren und eine optimale Therapiesequenzierung zu erlangen. Außerdem zeigt sie großes Potenzial zur Unterstützung bei individuellen Behandlungsentscheidungen in einer Zukunft, in der zahlreiche vielversprechende Therapieoptionen zur Verfügung stehen werden und im Zuge derer dem Abwägen zwischen Wirkung und Nebenwirkung, besonders im adjuvanten Setting, eine große Bedeutung zukommen wird.   

Autoren
Dr. med. Isabel Heidrich
Assistenzärztin und Clinician Scientist
Prof. Dr. med. Christoffer Gebhardt
Stellvertretender Klinikdirektor Leiter des Hauttumorzentrums Leiter Experimentelle Dermatologie Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten Medikamentöse Tumortherapie
Klinik und Poliklinik f. Dermatologie u. Venerologie Universitäres Hauttumorzentrum Fleur Hiege-Centrum für Hautkrebsforschung Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
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