WHO strebt Eradikation an

Hepatitis B

Die chronische Hepatitis B ist die häufigste chronische Virusinfektion des Menschen und eine führende Ursache für eine Leberzirrhose und das hepatozelluläre Karzinom. Um dem Ziel einer Eradikation näher zu kommen, empfiehlt die WHO u. a. eine Impfrate von über 90% und die Behandlung von mehr als 80% der Infizierten.
Schlüsselwörter: HBV, Impfung, HBc, HBs, HBe, Interferon-Therapie

Das Hepatitis-B-Virus (HBV) ist mit 257 Millionen Infizierten der weltweit häufigste Auslöser chronischer Virusinfektionen. Die höchste Prävalenz der Erkrankung findet sich mit über 5% der Bevölkerung in Afrika  und Ostasien (Abb. 1). Dort ist die chronische Hepatitis B die führende Ursache für Leberzirrhosen und hepatozelluläre Karzinome. In Europa liegt die Prävalenz deutlich niedriger: Schwerpunkt ist hier die Mittelmeerregion mit 2–4% [1

Infektionswege

In Afrika und Ostasien wird die Infektion vor allem perinatal durch Mütter mit chronischer Hepatitis B auf Neugeborene übertragen. In diesem Lebensalter kommt es bei bis zu 90% der exponierten Kinder zu einer chronischen Hepatitis. In der westlichen Welt und im Erwachsenenalter spielen dagegen sexuelle Übertragung und intravenöser Drogenmissbrauch die größte Rolle. Im Erwachsenenalter liegt die Chronifizierungsrate zwar nur noch bei 5–10%, doch werden mit höherem Lebensalter auch zunehmend sehr schwere Verläufe der akuten Hepatitis B beobachtet; bei bis zu 1% der Fälle kann eine fulminante Hepatitis B zum lebensbedrohlichen akuten Leberversagen führen.

Impfprophylaxe

Impfprogramme, welche alle Neugeborenen erfassen, führten in einigen ost­asiatischen Ländern bereits zu einem deutlichen Rückgang der Zahl der Infektionen im Kindesalter [2]. Die WHO empfiehlt daher weltweit die erstmalige Impfung im Neugeborenenalter oder zumindest bis zum 12. Lebensjahr, um vor Beginn der sexuellen Aktivität eine Immunität zu erreichen.
Die Vakzine besteht aus rekombinantem HBsAg, das mit Aluminium als Adjuvans formuliert ist. Die Grundimmunisierung besteht aus drei Impfungen, die zu den Zeitpunkten 0, 1 und 6 Monate gegeben werden und bei über 90% der Geimpften eine Immunität mit einem Titer von über 100 IU/ml erreichen. Bei einem solchen Wert kann man von einem mindestens 10-jährigen Impfschutz ausgehen. Bei Werten zwischen 10 und 100 IU/ml besteht zwar ebenfalls Immunität, es wird aber eine weitere Impfung angeraten, um einen längerfris­tigen Schutz zu erreichen. Bei Werten unter 10 IU/ml wird die Wiederholung des gesamten Impfschemas empfohlen. Routinemäßige Kontrollen des Impftiters erfolgen bisher aber nur bei beruflich exponierten Personen.

Akute Hepatitis B

Die Inkubationszeit der akuten Hepatitis B beträgt 1–6 Monate. Die Symptome sind zunächst unspezifisch mit Abgeschlagenheit, Müdigkeit, selten auch Gelenkschmerzen oder Hautausschlägen. Im weiteren Verlauf kommt es dann parallel zum Anstieg der Transaminasen häufig zu einem Ikterus. Bei etwa 1% der Erwachsenen entwickelt sich eine fulminante Hepatitis, sodass in Einzelfällen sogar eine Lebertransplantation erforderlich werden kann. Es sind aber auch völlig asymptomatische Verläufe möglich. Bei Erwachsenen entwickeln 5–10% der Patienten eine chronische Hepatitis-B-Virusinfektion, welche als Persistenz des HBsAg im Serum für länger als sechs Monate definiert ist.

Chronische Hepatitis B

Die Europäische Lebergesellschaft (EASL) teilt in den Clinical Practice Guidelines von 2017 die chronische Hepatitis-B-Virusinfektion in folgende vier Phasen ein [3]:
Phase 1: Chronische HBV-Infektion mit HBeAg-Nachweis
Phase 2: Chronische Hepatitis B mit HBeAg-Nachweis
Phase 3: Chronische HBV-Infektion ohne HBeAg-Nachweis
Phase 4: Chronische Hepatitis B ohne HBeAg-Nachweis
(weitere Details hierzu siehe Tab. 1).
Für das Verständnis ist hierbei wichtig, dass das HBeAg im Wildtyp-HBV ein Replikationsmarker ist und dass der Verlust von HBeAg sowie die Serokonversion zu anti-HBe bei der Wildtypinfektion einer klinischen Ausheilung der Erkrankung entspricht (entsprechend Phase 3). Allerdings existieren sogenannte HBe-Minus- Mutanten, bei denen die Promotorregion bzw. das Startcodon des HBe-Gens mutiert sind, sodass kein HBeAg synthetisiert werden kann. Bei diesen Patienten besteht dann sehr wohl eine relevante Virusreplikation und eine klinisch relevante Hepatitis (Phase 4).

Antikörper-Bestimmung

Sowohl im Rahmen der Abklärung einer akuten Hepatitis als auch einer chronischen Hepatopathie reichen zunächst die Bestimmung von anti-HBc Antikörpern und HBs-Ag aus. Ist einer der beiden Marker positiv, sollte anti-HBc-IgM bestimmt werden, um die akute Phase der Infektion zu dokumentieren. Zwar kann auch bei einem Entzündungsschub der chronischen Hepatitis B anti-HBc-IgM wieder positiv werden, doch der Titer ist in der Regel deutlich niedriger als bei akuter Hepatitis B. Des Weiteren erfolgen dann eine quantitative Bestimmung der HBV-DNA sowie eine Testung auf HBe-Ag und anti-HBe, um im Falle einer chronischen Hepatitis B das Krankheitsstadium zu bestimmen und die Therapieindikation zu prüfen.
Der Nachweis von HBs-Ag, HBe-Ag und anti-HBe erfolgt in der Regel qualitativ. Allerdings hat sich eine Quantifizierung des HBs-Ag-Spiegels für Verlaufsuntersuchungen als relevant herausgestellt, um  während einer laufenden Interferon-Therapie schon nach drei bzw. sechs Monaten die Chancen auf ein dauerhaftes Ansprechen abzuschätzen. Ferner  lassen sich mit HBs-Ag-Spiegeln Subgruppen von Patienten identifizieren, die ein hohes Risiko für die Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms aufweisen.
Die Untersuchung auf Hepatitis D sollte bei jeder Erstdiagnose einer Hepatitis-B-Infektion erfolgen, da das Ergebnis tiefgreifende Auswirkungen auf die Therapie und Prognose der Patienten hat. In der Regel reicht hier ein Anti-HDV-Antikörper-Test aus. Nur bei positivem Ergebnis sollte die HDV-RNA quantitativ bestimmt werden.
Wegen der zum Teil ähnlichen Übertragungswege ist ergänzend eine HIV- und Hepatitis-C-Diagnostik anzuraten. Bei jeder Neudiagnose einer Hepatitis-B-Infektion sollte auch das persönliche Umfeld des Patienten auf Hepatitis B getestet werden; allen nicht-infizierten Personen ist eine Impfung anzuraten.

Molekulardiagnostik

Die Genotypisierung spielt im klinischen Alltag außerhalb von Studien eine untergeordnete Rolle. Sie kann in Einzelfällen bedeutsam sein, wenn ein Patient für eine zeitlich begrenzte Interferon-Therapie in Betracht kommt, denn die Genotypen A und B sprechen deutlich besser auf eine Interferontherapie an. Die Sequenzierung des Hepatitis-B-Polymerase-Gens kann zudem für komplexe Resistenzsituationen von Bedeutung sein. Zahlreiche Mutationen wurden beschrieben, die eine Resistenz gegenüber Lamivudin, Adefovir, Telbivudin, aber auch Entecavir und – sehr selten – gegenüber Tenofovir vermitteln. Bei fehlendem oder inkomplettem Ansprechen auf eine antivirale Therapie mit Entecavir oder Tenofovir kann daher eine Sequenzierung der HBV-Polymerase indiziert sein.

Therapievoraussetzungen

Die Indikation zur Therapie der chronischen Hepatitis B richtet sich nach der Viruslast im Serum, dem Grad der Leberentzündung und dem Stadium der Lebererkrankung, d. h. dem Ausmaß der Leberfibrose bzw. dem Nachweis einer Leberzirrhose. Daher sollte der Patient initial neben der laborchemischen und virologischen Diagnostik klinisch und sonografisch untersucht werden.
Begleiterkrankungen und insbesondere andere chronische Virusinfektionen wie HIV und Hepatitis C müssen abgeklärt werden. Lässt sich die Frage nach einer relevanten Leberentzündung anhand der einzelnen Laborwerte allein nicht beantworten, können multiparametrische Scores und/oder die Leberelastografie hilfreich sein. Eine umfassende Übersicht über multiparametrische Scores wurde kürzlich publiziert [4]. Zusammen mit einer nicht-invasiven Leberfibrose­messung (Fibroscan oder ARFI) kann so die Leberbiopsie häufig vermieden werden.
Eine Indikation zur antiviralen Therapie besteht in der Regel für Patienten in den Phasen 2 und 4 (Tabelle 1); dabei werden eine HBV-Viruslast > 2.000 IU/ml und der laborchemische oder histologische Nachweis einer Entzündung gefordert. Ein Sonderfall sind Patienten mit einer manifesten Leberzirrhose, die grundsätzlich behandelt werden sollten, wenn HBV-DNA im Serum detektierbar ist.

Wirkstoffe

Für die Therapie stehen hocheffiziente antivirale Substanzen zur Verfügung, die in der Regel lebenslang eingenommen werden müssen. Die Alternative ist eine 12-monatige Interferon-Therapie, die aber aufgrund der geringeren Wirksamkeit (20 –30%) und der Nebenwirkungen (grippale Symptome, Blutbildveränderungen, Depressionen) eine geringe Akzeptanz hat.
Eine Prüfung der Interferon-Option lohnt sich aber für junge Patienten, die gute Vorhersageparameter für ein Ansprechen auf Interferon haben. Dazu gehören hohe Transaminasen, niedrige Viruslast und HBV-Genotyp A und B (bzw. C bei Patienten mit HBeAg-negativer chronischer Hepatitis B). Ein Monitoring des HBs-Ag-Spiegels erlaubt darüber hinaus die Einschätzung der Ausheilungschancen nach drei und sechs Monaten. Patienten mit sehr schlechten Ausheilungschancen können dann die Therapie frühzeitiger abbrechen.
Die meisten Patienten sollten entweder mit Entecavir oder Tenofovir behandelt werden. Beide Substanzen haben nicht nur eine hohe antivirale Wirksamkeit, sondern auch eine hohe Resistenzbarriere bei Therapie-naiven Patienten. Wenn sich während einer früheren Lamivudin-Therapie eine Re­sistenz gegen dieses Medikament ent­wickelt hat, sind die Patienten gefährdet, auch eine Entecavir-Resistenz zu entwickeln; sie sollten dann mit einer höheren Dosis oder mit Tenofovir behandelt werden.
Die Therapie ist grundsätzlich langfris­tig angelegt, kann aber abgesetzt werden, wenn Pa­tienten HBsAg negativ werden oder wenn HBeAg-positive Patienten ohne Zirrhose zu HBeAg-negativ/anti-HBe-positiv konvertieren und dies für zwölf Monate dokumentiert werden konnte.

Ausblick

Die WHO hat in ihrem Global Hepatitis Report 2017 die Voraussetzungen für eine globale Eradikation der chronischen Hepatitis B formuliert, welche bis zum Jahr 2030 erreicht werden sollen [5]. Dazu gehören eine Impfrate von > 90%, absolute Sicherheit von Blutprodukten, Identifikation von > 90% von Hepatitis-B-Virus-Infizierten und Behandlung von > 80% der Patienten mit Behandlungsindikation. Die Instrumente zur Eradikation von Hepatitis B stehen zur Verfügung, der Erfolg des Programms hängt aber an der konsequenten Umsetzung der Präventions-, Diagnostik- und Therapieleitlinien und – in Anbetracht der Epidemiologie der Hepatitis B – an der Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen in den Ländern mit der höchsten Prävalenz der Erkrankung.