Forschungsgebiet mit großem Zukunftspotenzial
Qualitätssicherung für den therapeutischen Einsatz von extrazellulären Vesikeln
Von mesenchymalen Stromazellen abgegebene extrazelluläre Vesikel haben das Potenzial, als nebenwirkungsarme, einfach zu handhabende zellfreie Therapeutika in der regenerativen Medizin eingesetzt zu werden. Der Weg in die Klinik scheint vorgezeichnet, für die Labormedizin bietet sich eine reiche Palette neuer Testmethoden.
Schlüsselwörter: Extrazelluläre Vesikel, mesenchymale Stromazellen, Immunmodulation, klinische Studien
In einer Reihe von präklinischen und klinischen Studien wurde gezeigt, dass mesenchymale Stromazellen (MSC) bei verschiedenen Krankheitsbildern regenerativ wirken können. Der zugrunde liegende Mechanismus ist noch weitestgehend unbekannt. Einerseits vermutet man, dass MSC im Körper – ebenso wie in der Zellkultur – zu Knochen-, Knorpel-, Fett- und anderen Zelltypen differenzieren können, andererseits scheint der therapeutische Effekt vor allem auch parakriner Natur zu sein, denn die nachweisbaren Einbauraten der Zellen in das Zielgewebe sind gering.
Gesichert ist, dass MSC Wachstumsfaktoren und Zytokine mit proliferationsfördernder sowie immunmodulatorischer Wirkung an ihre Umgebung abgeben, und zwar sowohl frei löslich als auch verpackt in extrazelluläre Vesikel (EV). Bei letzteren handelt es sich um membranumhüllte Partikel im Größenbereich von einigen Nanometern bis zu einem Mikrometer. Sie können eine Reihe von bioaktiven Molekülen (Nukleinsäuren, Lipide, Proteine) zur Kommunikation zwischen Zellen transportieren.
Therapeutisches Potenzial
Gerade diese MSC-EV scheinen für einen Teil der therapeutischen Wirkung verantwortlich zu sein. In eigenen Experimenten konnten wir proliferationsfördernde Wirkungen auf unterschiedliche Zielzellen zeigen (Abb. 1).
Die MSC-EV weisen im Tiermodell insbesondere das Potenzial zur funktionellen Verbesserung bei Schlaganfall und weiteren neurologischen Erkrankungen auf. Auch bei Myokardinfarkt, Nieren-, Knochen-, Sehnen- und Lebererkrankungen [1] wurden vielversprechende Ergebnisse erhalten.
Dabei scheinen immunmodulatorische und zytoprotektive Eigenschaften der Vesikel eine zentrale Rolle zu spielen. Beispielsweise verringerte EV-Gabe die Neigung zur Leberfibrose durch Inaktivierung des TGF-beta1/Smad2-Signalwegs [2], und die Regeneration der Zellen wurde durch gesteigerte Produktion von proliferationsfördernden sowie anti-apoptotischen Proteinen angekurbelt [3]. MSC-EV-Gabe führte auch zu erhöhter Expression anti-inflammatorischer Zytokine und regulatorischer T-Zellen [4], und schließlich ließen sich oxidativer Stress sowie die Apoptoserate durch MSC-EV reduzieren [5]. Teilweise wurden diese positiven Effekte der MSC-EV durch microRNAs vermittelt [6].
Handhabung und Sicherheit
Der Einsatz von EV birgt gegenüber der Verwendung von intakten Zellen eine Reihe von Vorteilen sowohl für die Verarbeitung als auch für die Patientensicherheit. So können MSC-EV-Präparate als rasch verfügbare (Off-the-Shelf-) Arzneimittel eingesetzt werden. Weil sie submikroskokopisch klein sind, kann man sie steril filtrieren. Zur Lagerung genügen Temperaturen von -30 bis -80 °C, während ganze Zellen in flüssigem Stickstoff verwahrt werden müssen. Schließlich können EV relativ einfach sowohl lokal als auch systemisch (v. a. intravenös) appliziert werden, etwa in Form von EV-beschichteten Implantaten oder über mit EV imprägnierten Träger substanzen.
Im Gegensatz zu therapeutischen Zellen besteht bei Vesikeln keine Gefahr einer unkontrollierten Proliferation oder Differenzierung, und aufgrund des Fehlens von MHC-Molekülen an der Vesikeloberfläche sind sie nicht immunogen, sodass ein allogener Einsatz von MSC-EV leichter umsetzbar erscheint.
Qualitätskontrolle
Um eine Dosis-Wirkungs-Beziehung herstellen zu können, muss die Konzentration der Nanovesikel eines EV-Prüfpräparates ermittelt werden. Das derzeit robusteste Verfahren zur Konzentrationsbestimmung von EV ist die Nanoparticle Tracking Analysis (NTA), die neben der Partikelanzahl auch die Größenverteilung der Nanopartikel anzeigt (Abb. 2). Eine Unterscheidung zwischen membranumgebenen EV und anderen Partikeln oder Aggregaten gleicher Größe ist jedoch nicht ohne weiteres möglich. Wird die NTA jedoch um eine Fluoreszenz-Funktion für spezifische Oberflächenmarker erweitert, so gelingt es, den Anteil der EV an der Gesamtpopulation von Partikeln genau zu bestimmen.
Für die Analyse des Inhalts der EV werden microRNA-Profile (durch Microarray- oder Bioanalyzer-Technologie) und Zytokinprofile (mit Multiplex-Immunoassays) eingesetzt. So kann die Stabilität des Herstellungsprozesses einschließlich der identifizierten Komponenten über einen definierten Zeitraum hinweg überwacht werden.
Zell-basierte Immunmodulationsassays eignen sich zur Bestimmung des immunmodulatorischen Potenzials einer EV-Präparation. Als funktionelle Messgröße dient hierbei vor allem die Inhibition der T-Zell-Proliferation. Ein gleichzeitiger (und für das regenerative Potenzial von EV möglicherweise mitentscheidender) positiver Einfluss der EV auf die Proliferation bestimmter Zielzellen (je nach Anwendungsabsicht z. B. neuronale Zellen, Hepatozyten oder Osteoblasten) lässt sich zuverlässig und mit geringem Ressourceneinsatz mithilfe von Real-time Cell Analyzern (z. B. xCELLigence-Systeme von Roche/ACEA, vgl. Abb. 1) bestimmen. Hierbei gibt die Veränderung der Impedanz Aufschluss über die Zunahme der Zelldichte und damit über eine mögliche Stimulierung der Zellproliferation.
Andere zellbasierte Verfahren, beispielsweise zum Schutz von neuronalen Zellen (Neuroprotektion) oder zur Verbesserung der Blutversorgung (Pro-Angiogenese), müssen im Bedarfsfall entwickelt und als Potency Assays etabliert werden. Schon hier zeigt sich die Komplexität der biologischen EV-Therapeutika, da offensichtlich sowohl förderliche als auch blockierende Funktionen für die Regeneration von funktionellen Geweben notwendig sind.
Ausblick
Voraussetzung für den klinischen Einsatz von EV ist eine Herstellung nach den Prinzipien der Good Manufacturing Practice (GMP) durch einen entsprechend autorisierten Betrieb. Dies stellt an ein wissenschaftlich tätiges Labor hohe Anforderungen: Standardprotokolle für die Herstellung der EV in klinischem Maßstab müssen aufgestellt [7] und Tests zu Identität, Stabilität und Reinheit der EV-Prüfpräparate sowie toxikologische Untersuchungen etabliert und validiert werden [8].
Zudem muss die mögliche Wirkungsweise der MSC-EV im Kontext eines bestimmten Krankheitsbildes formuliert und in der Folge durch aussagekräftige Testverfahren untermauert werden. Dies wiederum bedeutet, dass geeignete In-vitro- und In-vivo-Tests entwickelt werden müssen, die eine Vorhersage über den therapeutischen Effekt von EV ermöglichen.
Hieraus ergeben sich auch attraktive Tätigkeitsfelder für Routineprüflabore mit der benötigten pharmazeutischen Zulassung. In Deutschland ist dies die Herstellungserlaubnis nach § 13 Arzneimittelgesetz, in Österreich nach § 63 Arzneimittelgesetz. Derzeit ist der therapeutische Einsatz von EV-Präparaten noch Gegenstand der Forschung, aber wenn sich die Erwartungen der Mediziner und Patienten erfüllen, werden solche Prüflabore vielfältige und interessante Aufträge erhalten.
Bis es so weit ist, sind Forscher, Biotech-Unternehmen, Kliniker und regulatorische Behörden sowie die Diagnostika- und Pharma-Industrie aufgefordert, gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen, um validierte Testverfahren für extrazelluläre Vesikel zu entwickeln. Hier ist noch sehr viel Arbeit zu leisten, denn derzeit steckt die analytische Charakterisierung der unterschiedlichen extrazellulären Vesikel und ihrer vielfältigen Funktionen noch in den Kinderschuhen.
Das Ziel muss es sein, einen hohen Standard dieser EV-Therapeutika im Sinne der Produktions- und Patientensicherheit zu gewährleisten und dabei teure, aber nicht notwendige Parallelprojekte zu vermeiden.