Es gibt immer mehr Langzeitüberlebende gynäkologischer Tumorerkrankungen, sogar mit rezidivierter Erkrankung, beispielsweise durch die Erhaltungstherapien mit PARP-Inhibitoren beim Ovarialkarzinom. Was charakterisiert diese Patientinnen, und welche Konsequenzen ergeben sich für die Betreuung dieser Frauen? Mit diesen Fragen beschäftigte sich Prof. Annette Hasenburg, Mainz, in einem der Spitzenreferate Gynäkologische Onkologie. Man müsse unterscheiden, ob Patientinnen eine Erhaltungstherapie bekommen, in der Nachsorge nach abgeschlossener Primärtherapie sind oder nach Ende von Therapie und Nachsorge wieder ins normale Leben entlassen werden. Als Langzeitüberlebende gelten nach aktueller Definition Patientinnen, die fünf Jahre nach der Primärdiagnose ihrer Krebserkrankung am Leben sind [1].
Das "alte" Leben gibt es meist nicht mehr
Der Schritt aus Therapie oder Nachsorge ins normale Leben bedeutet für die Patientinnen den Verlust der kontinuierlichen Überwachung und Unterstützung. Fast immer entspreche das Leben, in das die Frau zurückkehrt, nicht ihrem Leben vor der Therapie, sondern sei ein Leben mit Einschränkungen und/oder chronischen Nebenwirkungen, betonte Hasenburg. Zu den potentiellen Langzeitnebenwirkungen gehören u. a. Chemotherapie-induzierte Polyneuropathien, kognitive Einschränkungen nach der Chemotherapie, Schmerzen, Depressionen, sexuelle Probleme, Inkontinenz, Lymphödeme, Schlafstörungen, postmenopausale Symptome und sekundäre Neoplasien [1]. Zur Frage, wie sich die Symptome und Einschränkungen am besten evaluieren lassen, verwies Hasenburg auf das NCCN Distress Thermometer.
Auch die Frage, was Langzeitüberlebende kennzeichne, riss Hasenburg an. Ob genetische oder Lifestyle-Faktoren oder aber die individuelle Resilienz entscheidend sei, sei nicht geklärt. Zu den allgemeinen Prognosefaktoren bei Frauen mit gynäkologischen Tumoren gehörten Alter, Immunzustand, Tumorstadium, Tumorbiologie, der Tumorrest nach OP sowie natürlich die System- und die Erhaltungstherapie. Außerdem gebe es Hinweise, dass neben einem frühen Tumorstadium bei Frauen mit fortgeschrittenem high-grade serösem Ovarialkarzinom eine hohe VEGFR2-Expression prädiktiv für ein verlängertes Überleben sei [2]. Abschließend forderte Hasenburg, in jeder Studie die Langzeitüberlebenden zu erfassen, den Aufbau einer internationalen Metadatenbank zur Identifikation von Faktoren für Langzeitüberleben sowie wissenschaftliche Studien zum Thema Survivorship.
Langzeitüberleben bei Mammakarzinom-Patient:innen mit Hirnmetastasen
10-40 % aller Patient:innen mit metastasiertem Mammakarzinom entwickeln im Verlauf ihrer Erkrankung Hirnmetastasen, die Inzidenz steigt seit Jahren. Das mediane Überleben liegt zwischen 4 und 19 Monaten [3]. Mit den Faktoren, die mit einem Langzeitüberleben der Betroffenen assoziiert sind, beschäftigte sich eine Subanalyse der Registerstudie BMBC (Brain Metastases in Breast Cancer Network Germany). Diese erhebt in Kooperation der German Breast Group (GBG) mit AGO-B, AGO Kommission Trafo und UKE als multizentrische prospektive und retrospektive klinische Datenerfassung Erkrankungsverläufe von Patient:innen mit Hirnmetastasen eines Mammakarzinoms. Beim BMBC-Register handelt es sich um die weltweit größte Datenbank zu Mammakarzinom-Patient:innen mit Hirnmetastasen.
Dr. Kerstin Riecke, Hamburg, stellte in einer wissenschaftlichen Sitzung der AGO Mamma die Subanalyse zur Identifizierung von Langzeitüberlebenden und zur Charakterisierung von Pro-gnosefaktoren, die mit einem Langzeitüberleben assoziiert sind, vor. Als langzeitüberlebend galten dabei Betroffene mit einem Überleben von mindestens 15 Monaten. In die Subanalyse wurden 2.889 Datensätze eingeschlossen, mit 887 Langzeitüberlebenden. Diese hatten zu 60 % ein HER2-positives und zu 30 % ein Hormon-rezeptor(HR)-positives Mammakarzinom, 12 % waren triple-negativ. Das mediane Gesamtüberleben lag bei knapp 31 Monaten.
Statistisch signifikant mit einem Langzeitüberleben assoziiert waren ein jüngeres Alter, ein positiver Hormonrezeptorstatus, ein positiver HER2-Status, eine geringe Anzahl von Hirnmetastasen, keine extrakraniale Metastasierung und eine Chemotherapie nach Diagnose der Hirnmetastasen.
Die Ergebnisse der multivariaten Analyse waren ganz ähnlich. „Patient:innen mit besserem ECOG-Status, jüngerem Erkrankungsalter, einer geringeren Anzahl von Hirnmetastasen und weniger ausgeprägter viszeraler Metastasierung haben eine höhere Chance auf Langzeitüberleben und sind deshalb eher geeignet für intensivere systemische und lokale Therapien“, resümierte Riecker.
Beim DGGG wurde auch eine weitere Analyse des BMBC-Registers als Abstract präsentiert, die sich mit dem Langzeitüberleben der HER2-positiven Patient:innen mit Hirnmetastasen beschäftigte [4]. In dieser Subanalyse war Langzeitüberleben als mindestens 23 Monate definiert, das mediane OS dieser Subgruppe lag bei 45,2 Monaten. Auch hier waren Langzeitüberlebende jünger, hatten einen guten ECOG-Status, eine geringe Anzahl von Hirnmetastasen sowie leptomeningealer und extrakranieller Metastasen und waren nicht nur HER2-, sondern auch HR-positiv. Langzeitüberlebende wurden signifikant häufiger mit einer Kombination aus Operation und Radiotherapie behandelt und waren signifikant häufiger neurologisch asymptomatisch, so die Autoren. In der multivariaten Analyse wurde auch eine anti-HER2-gerichtete Therapie nach Auftreten der Hirnmetastasen als Faktor für ein Langzeitüberleben identifiziert.
Mehr Lebensqualität durch Komplementärmedizin
Komplementäre Maßnahmen kommen v. a. bei Mammakarzinom-Patientinnen zum Einsatz. Das liegt zum einen an den antihormonellen Therapien, die belastende Symptome wie Hitzewallungen oder Schlafstörungen hervorrufen, die sich schulmedizinisch oft schwierig in den Griff bekommen lassen. Zum anderen sind eher Frauen und insbesondere junge Patientinnen offen für die Komplementärmedizin und möchten gerne selbst etwas gegen Therapienebenwirkungen unternehmen. Im Hands-on-Kurs „Praktische Anwendungen aus der integrativen Onkologie“ stellte die Leiterin des Workshops, Dr. Daniela Paepke, München, klar, dass komplementäre Maßnahmen in der gynäkologischen Onkologie leitliniengemäß im Sinne einer integrativen Onkologie eingesetzt werden, also die schulmedizinische Tumortherapie ergänzend. Dr. Claudia Hohmann, Köln, schilderte Möglichkeiten der Akupunktur zur Linderung von Schmerzen und – trotz Antiemese – auftretender Übelkeit und Erbrechen. Sehr gute Erfahrungen mache sie mit Ohr-Akupunktur sowie mit einem am Handgelenk getragenen Akupressurband. In der Chemo-Ambulanz der Frauenklinik Köln sei die Akupunktur das am häufigsten begleitend zur Chemotherapie angewendete komplementäre Verfahren, so Hohmann. In einer aktuellen Metaanalyse erwies sich Akupunktur bei onkologischen Patient:innen als sicher [5].
Die Misteltherapie wird in der integrativen Onkologie zur Verbesserung der Lebensqualität, zur Linderung von belastenden Symptomen und zur Immunmodulation und Infektprophylaxe eingesetzt, nicht aber zur Hemmung des Tumorwachstums oder zur Rezidivprophylaxe. Wirksam sind im Wesentlichen die Mistellektine und Viscotoxine. Der Gesamtextrakt wird subkutan gespritzt, erläuterten Dr. Anne Quenzer und Dr. Jessica Salmen, Würzburg. Ab dem Injektionstag können kurzfristig eine Allgemeinreaktion mit grippeähnlichen Symptomen und einem Temperaturanstieg bis maximal 38° C sowie eine Lokalreaktion an der Injektionsstelle auftreten. Eine überschießende Lokalreaktion von mehr als 5 cm Durchmesser deute auf eine zu hohe Dosierung.
Mit äußeren Anwendungen wie Auflagen, Wickeln und Güssen könne man Betroffenen etwas an die Hand geben, das sie selbst für sich tun könnten – so zum Beispiel bei Schlafstörungen, erklärte Dr. Simone Linsenbühler, Nürnberg. Sie verwies auf die Internetseite www.vademecum.org, die zu Therapiemöglichkeiten mit anthroposophischer Medizin informiert.