Ein medianes Überleben von ca. elf Monaten und eine 5-Jahres-Überlebensrate von unter 20% verdeutlichen die Notwendigkeit, die therapeutischen Strategien zur Behandlung von Patienten mit biliären Tumoren zu verbessern. Die Einteilung maligner Gallenwegstumoren erfolgt in der Regel anhand der anatomischen Lokalisation in das proximal der Bifurkation gelegene intrahepatische Cholangiokarzinom (iCCA), das perihiläre CCA (pCCA, Klatskin-Tumor), die distalen Tumoren unterhalb des Zystikus-Abgangs (dCCA) sowie das Gallenblasenkarzinom [1, 2].
Die meisten biliären Tumoren treten sporadisch nach dem 50. Lebensjahr auf, mit einer leichten Prädominanz von männlichen Patienten. In Deutschland werden jährlich ca. 5.000 Neuerkrankungen diagnostiziert. Als Risikofaktoren gelten insbesondere Alter, Übergewicht, Virushepatitis B und C, primär sklero-sierende Cholangitis (PSC) sowie – für das Gallenblasenkarzinom – Gallensteine. In asiatischen Ländern gilt darüber hinaus die parasitäre Infektion mit Leberegeln als wichtiger Risikofaktor.
Adjuvante Therapie
Die hohe 3-Jahres-Rezidivwahrscheinlichkeit von bis zu 80% [3, 4] nach primär kurativ intendierter Resektion hat zu einer intensiven Diskussion über den Stellenwert von adjuvanten Therapiekonzepten geführt. Eine 2012 veröffentlichte Metaanalyse mit über 6.500 Patienten aus kleineren, teilweise retrospektiven Studien sowie eine 2018 veröffentlichte Erhebung aus dem amerikanischen Tumorregister mit 2.344 Patienten konnte bei Patienten mit Nachweis einer lymphogenen Metastasierung oder R1-Resektion einen Vorteil für eine adjuvante Therapie nachweisen [5, 6]. Einen ähnlichen Effekt konnten wir in unserem eigenen Patientenkollektiv in einer retrospektiven Matched-pair-Analyse aufzeigen [7].
Zu den prospektiv angelegten Phase-III-Studien, die unterschiedliche adjuvante Konzepte in makroskopisch vollständig resezierten Patienten mit Gallenwegstumoren evaluieren, zählen die französische PRODIGE-12-, die japanische BCAT-, die britische BILCAP-Studie und die noch rekrutierende deutsche ACTICCA-Studie. In der 2017 erstmals veröffentlichten
PRODIGE-12-Studie wurden 196 Patienten mit Tumoren der intra- und extrahepatischen Gallenwege sowie der Gallenblase eingeschlossen. Die Patien-ten erhielten entweder eine reine Überwachung oder eine Chemotherapie mit Gemcitabin und Oxaliplatin (GEMOX) für zwölf Zyklen [8]. Die Studie fiel negativ aus sowohl für ihren primären Endpunkt, das rezidivfreie Überleben (recurrence-free survival, RFS: Chemotherapie vs. Überwachung 30,4 vs. 18,5 Monate, Hazard Ratio 0,88; 95%-Konfidenzintervall 0,62–1,25; p = 0,47) als auch hinsichtlich des medianen Gesamtüberlebens (mOS: 75,8 vs. 50,8 Monate, HR 1,08; 95%-KI 0,70–1,66; p = 0,74).
Ebenfalls negativ für das Gesamtüberleben und das RFS verlief die BCAT-Studie, die Gemcitabin als Monotherapie in der Adjuvanz in einem japanischen, 225 Patienten umfassenden Kollektiv evaluierte [9]. In Anlehnung an die 2007 publizierte CONKO 001-Studie, die ein verbessertes krankheitsfreies Überleben bei Patienten mit reseziertem Pankreaskarzinom nach adjuvanter Therapie mit Gemcitabin zeigen konnte [10], wurden in diese Studie ausschließlich Patienten mit R0- und R1-resezierten extrahepatischen CCAs eingeschlossen. Das Gesamtüberleben lag bei 62,3 versus 63,8 Monaten im Therapie- versus Kontrollarm (HR 1,01, 95%-KI 0,70–1,45; p = 0,964), das mediane RFS bei 36,0 versus 39,9 Monaten (HR 0,93, 95%-KI 0,66–1,32; p = 0,693).
In der BILCAP-Studie wurde anstelle von Gemcitabin-basierten Regimes bei 447 Patienten eine adjuvante Therapie mit Capecitabin über acht Zyklen durchgeführt und ebenfalls mit einer reinen Beobachtung verglichen [11]. In der Intention-to-treat-Population (ITT) wurde das mOS, der primäre Endpunkt der Studie, mit 51,1 Monaten im Capecitabin-Arm deutlich verbessert im Vergleich zum Beobachtungsarm (36,4 Monate), wobei dieser Unterschied statistisch knapp nicht signifikant war (HR 0,81; 95%-KI 0,63–1,04, p = 0,097). Allerdings zeigte Capecitabin sowohl in einer Risikofaktor-adaptierten als auch in der Per-Protokoll-Analyse eine statistisch signifikante Verbesserung des mOS gegenüber der Beobachtung. Das mediane RFS war sowohl in der ITT als auch in der Per-Protokoll-Analyse signifikant verlängert und lag bei 24,4 bzw. 25,9 Monaten im Capecitabin-Arm gegenüber 17,5 bzw. 17,4 Monaten im Beobachtungsarm (HR für ITT 0,75; 95%-Kl 0,58–0,98; p = 0,033; HR für per-protocol 0,70; 95%-Kl 0,54–0,92; p = 0,0093). Basierend auf den vorliegenden Ergebnissen wurde der Kontrollarm in der aktuell rekrutierenden, deutschen ACTICCA-Studie (EudraCT Nr. 2012-005078-70) angepasst: Gemcitabin und Cisplatin werden nun nicht mehr mit Beobachtung, sondern mit Capecitabin verglichen.
Trotz Ermangelung einer formal positiven prospektiven Studie zur adjuvanten Therapie nach Resektion von Gallenwegstumoren sollte man Patienten nach einer kurativ intendierten Resektion aber auch schon heute über die publizierten Ergebnisse informieren und ihnen unseres Erachtens eine adjuvante Therapie mit Capecitabin über sechs Monate anbieten. Inwieweit eine Intensivierung der adjuvanten Therapie mit Gemcitabin und Cisplatin notwendig oder auch sinnvoll ist, kann heute noch nicht entschieden werden und muss im Einzelfall mit den Patienten diskutiert werden.
Palliative Systemtherapien
Erste Therapielinie
Die 2010 veröffentliche Phase-III-Studie ABC-02 etablierte die Chemotherapie-Kombination aus Gemcitabin und Cisplatin in der Erstlinie bei biliären Tumoren [12]. Als weiteres platinbasiertes Regime ist auch die Kombination aus Gemcitabin mit Oxaliplatin etabliert, die in mehreren Phase-II-Studien untersucht wurde und ebenfalls Effektivität und Sicherheit aufweist [13]. Eine südkoreanische Phase-III-Studie zeigte zudem die Nicht-Unterlegenheit einer Kombination aus Oxaliplatin und oraler Chemotherapie mit Capecitabin im Vergleich zu Gemcitabin-Oxaliplatin [14].
Analog zum Pankreaskarzinom wurde kürzlich im Rahmen einer Phase-II-Studie Gemcitabin/Nab-Paclitaxel (Abraxane) in der ersten Therapielinie an 72 Patienten getestet [15]. Als primärer Endpunkt wurde ein 6-Monats-PFS in der ITT-Population von 70% angestrebt, die Ergebnisse blieben mit 61% PFS jedoch unterhalb dieses Ziels. Das mediane PFS von 7,7 Monaten (95%-KI 5,4–13,1 Monate) und das mOS von 12,4 Monaten
(95%-KI 9,2–15,9 Monate) waren vergleichbar mit den Daten aus der ABC-02-Studie, die Gesamtansprechrate (ORR) unter Gemcitabin/nab-Paclitaxel lag mit 30% etwas oberhalb der in der ABC-02-Studie erzielten ORR von 20%.
Inwieweit eine weitere Intensivierung der Standardtherapie mit einem Chemotherapie-Triplett möglich und sinnvoll ist, wurde in einer einarmigen Phase-II-Studie untersucht, in der nab-Paclitaxel als „Add-on“ zur Erstlinien Therapie mit Cisplatin und dosisreduziertem Gemcitabin verabreicht wurde [16]. Hier lag das mPFS als primärer Endpunkt bei 11,8 Monaten (95%-KI 6,0–15,6 Monate) mit einer Rate an partiellen Remissionen (PR) von 45% und einer Krankheitskontrollrate (DCR) von 84% sowie einem mOS von 19,2 Monaten. Das Studienziel, die Verlängerung des mPFS von acht Monaten (gemäß der ABC-02-Studie) auf zehn Monate wurde erreicht, sodass die Studie formal als positiv zu werten ist. Zu beachten sind allerdings die höheren Nebenwirkungsraten, die eine Dosisreduktion von Gemcitabin in diesen Studien erforderten.
Nab-Paclitaxel-basierte Therapieregimes könnten aber somit eine Alternative darstellen für Patienten, für die eine platinbasierte Therapie nicht infrage kommt. Der Stellenwert von nab-Paclitaxel in der Kombination mit Gemcitabin oder auch mit Gemcitabin und Cisplatin lässt sich jedoch anhand der genannten einarmigen Studien nicht abschließend klären und bedarf der Evaluation im Rahmen prospektiv randomisierter Studien.
Zu den aktuell rekrutierenden prospektiven Chemotherapie-Kombinationsstudien in der ersten Therapielinie gehören u. a. die französische Phase-II/III-Studie PRODIGE38, die auf Basis der Daten beim Pankreaskarzinom die Wirksamkeit von FOLFIRINOX im Vergleich zur Standardtherapie mit Gemcitabin/Cisplatin in der Erstlinie adressiert, sowie die deutsche Phase-II-Studie AIO NIFE, die die Kombination aus liposomalem Irinotecan (Nal-IRI) mit 5-Fluorouracil untersucht.
Zweite Therapielinie
Die Wirksamkeit einer Zweitlinientherapie bei Patienten mit fortgeschrittenen biliären Tumoren war bis vor Kurzem nicht belegt. In einer systematischen Analyse unter Einbeziehung von insgesamt knapp 700 Patienten aus 14 Phase-II-Studien und mehreren retrospektiven Analysen sowie Kasuistiken lagen das mediane PFS und das Gesamtüberleben nach Beginn einer Zweitlinientherapie bei 3,2 bzw. 7,2 Monaten [17].
Als erste Phase-III-Studie evaluierte die kürzlich beim ASCO-Kongress 2019 vorgestellte britische ABC-06-Studie einen Zweitlinienansatz nach Erstlinientherapie mit Gemcitabin/Cisplatin: Unter mFOLFOX wurde eine Verbesserung des 6- und 12-Monats-Überlebens bei Patienten mit einem ECOG-Performancestatus von 0/1 um jeweils 15% im Vergleich zu Beobachtung erzielt. Das mOS lag bei 6,2 Monaten im Therapiearm im Vergleich zu 5,3 Monaten im Kontrollarm (HR 0,69, 95%-KI 0,5–0,97; p = 0,031). Auch in dieser Studie schienen jedoch die Patienten mit extrahepatischem CCA weniger zu profitieren als die mit intrahepatischem CCA oder Gallenblasenkarzinom.
In Deutschland wird aktuell in verschiedenen Phase-II-Studien der Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie (AIO) die Effektivität neuerer Zytostatika, wie z. B. von Nal-IRI in Kombination mit 5-FU vs. 5-FU alleine (NALIRICC-Studie, ClinicalTrials No. NCT03043547) auch in der Zweitlinie untersucht. Bei Patienten mit gutem Allgemeinzustand und Progress unter Erstlinientherapie erscheint somit insgesamt der Einsatz einer Zweitlinien-Chemotherapie durchaus gerechtfertigt. In der höheren Therapielinie sollten jedoch auch die Ergebnisse der MOSCATO-01-Studie zur Präzisionsonkologie bei soliden Tumoren nicht unberücksichtigt bleiben, in der die Bedeutung einer Biomarker-basierten Selektion von Patienten für molekulare Therapieansätze insbesondere bei den biliären Tumoren herausgestellt wurde: Sequenzanalysen am Tumormaterial von 34 Patienten mit Gallenwegstumoren ergaben in 68% der Fälle genetische Veränderungen, die einer molekular zielgerichteten Therapie zugänglich waren. Bei einem Drittel der behandelten Patienten konnte in der Zweit- und auch in höheren Therapielinien ein Therapieansprechen erzielt werden, bei einer DCR von 88%. Das PFS lag bei 37% der behandelten Patienten bei mindestens sechs Monaten [18]. Beachtenswert in dieser Studie war zudem eine Verbesserung des PFS unter der molekular zielgerichteten Therapie im Vergleich zur vorangegangenen Therapie bei der Hälfte der Patienten. Unserer Erfahrung nach ist eine frühzeitige molekulare Analyse bei entsprechender Verfügbarkeit von Tumorgewebe bereits während der Erstlinientherapie zu empfehlen, um mögliche zielgerichtete Therapieoptionen frühzeitig zu evaluieren.
Molekulare Therapieansätze
Die molekulare Landschaft der Gallenwegstumoren ist heterogen, zeichnet sich aber durch eine kumulativ hohe Frequenz an sogenannten „actionable lesions“ aus, d. h. genetischen Veränderungen, für die zielgerichtete Medikamente existieren oder sich in Entwicklung befinden, bzw. die als geeignete therapeutische Zielstruktur gelten. Entsprechend dem positiven Signal aus der MOSCATO-1-Studie zeigen aktuelle Studien mit Inhibitoren von Isozitratdehydrogenasen (IDH), des Rezeptors für den Fibroblasten-Wachstumsfaktor (FGFR) und der BRAF-Kinase vielversprechende Ergebnisse bei Patienten mit entspre-chenden molekulargenetischen Veränderungen. Zu den sehr seltenen, aber therapeutisch auch sehr interessanten genetischen Alterationen können Fusionen der neurotrophen Rezeptor-Tyrosinkinase (NTRK) gezählt werden.
IDH
Mutationen in den Enzymen IDH1/2 führen zu einer vermehrten Produktion des Onkometaboliten 2-Hydroxyglutarat (2-HG) aus α-Ketoglutarat, und in präklinischen Modellen konnte gezeigt werden, dass 2-HG zu einer Reihe von pro-tumorigenen Veränderungen führt. In der Phase-III Studie ClarIDHy erhielten 185 IDH1-mutierte CCA-Patienten Ivosidenib, einen oralen spezifischen Inhibitor des mutierten IDH1-Enzyms [19]. In der vorgeschalteten Phase-1-Studie waren 73 Patienten mit mIDH1-CCA und im Mittel zwei Vortherapien (Range 1–5) mit Ivosidenib behandelt worden [20]. Dabei zeigte sich eine 6- und 12-Monats-PFS-Rate von 40% bzw. 21% bei einem medianen PFS von 3,8 Monaten und einem mOS von 13,8 Monaten, sodass die Therapiestrategie bei ca. zwei Drittel der Patienten erfolgversprechend erscheint. Laut Pressemitteilung ist auch die finale Analyse der Phase III positiv ausgefallen, der primäre Endpunkt, die Verbesserung des PFS im Vergleich zu Placebo wurde mit einer HR von 0,5 erreicht. Die Veröffentlichung detaillierter Studienergebnisse wird zum ESMO-Kongress 2019 erwartet.
HER2
HER2/neu (ERBB2) spielt als prädiktiver Biomarker und Zielstruktur der molekularen Therapie bei einer zunehmenden Anzahl von soliden Tumoren eine Rolle [21]. Während in einem Großteil der HER2-alterierten Tumorentitäten HER2-Amplifikationen im Vordergrund stehen, zeichnen sich insbesondere biliäre Tumoren durch einen signifikanten Anteil an HER2-Mutationen aus. Beim CCA liegt der Anteil an HER2-Alterationen bei ca. 8–10%, davon sind knapp 40% Mutationen [22]. Bei Patienten mit Gallenblasenkarzinomen wird der Anteil an HER2-Amplifikationen/Überexpression auf über 10% geschätzt [23], darüber hinaus liegen in knapp 10% der Fälle aktivierende Mutationen in ERBB2 und in über 11% der Fälle solche in ERBB3 vor [24]. In der kürzlich publizierten Basketstudie MyPathway wurde die Wirksam-keit einer dualen Hemmung des Rezeptors mittels Trastuzumab und Pertuzumab bei intensiv vorbehandelten Patienten mit unterschiedlichen soliden Tumoren untersucht. Im Gegensatz zum Pankreaskarzinom war bei fünf von sieben Patienten mit HER2-amplifiziertem und bei einem von drei Patienten mit HER2-mutiertem CCA eine Krankheitskontrolle erreichbar, sodass dieser Chemotherapie-freie Ansatz in prospektiven Studien weiterverfolgt werden sollte [25, 26].
In der Phase-II-Basket-Studie SUMMIT wird speziell das Therapieansprechen auf eine zielgerichtete Therapie bei Patienten mit HER2- und HER3-mutierten, nicht aber amplifizierten Tumoren untersucht. Bis Anfang 2019 wurden insgesamt 19 Patienten mit HER2-mutierten Gallenwegstumoren in höheren Therapielinien im Rahmen der Studie mit dem pan-HER-Kinaseinhibitor Neratinib behandelt. Bei insgesamt guter Verträglichkeit lag die ORR bei 10,5% (95%-KI 1,3–33,1%) mit zwei PR und vier Krankheitsstabilisierungen (SD) und einem medianen PFS von 1,8 Monaten (95%-KI 1,0–3,7; [27]). Insgesamt scheint damit auch in Subgruppen der HER2-mutierten Tumoren eine klinische Aktivität zu bestehen, die möglicherweise jedoch das Therapieansprechen von HER2-amplifizierten Tumoren nicht erreicht.
Aufgrund der geringen Patientenzahlen in zum Teil hohen Therapielinien können diese Daten zu Chemotherapie-freien, gegen HER2 gerichteten Therapien bisher nur mit Vorsicht interpretiert werden und es sollten weitere Studien abgewartet werden.
BRAF
Eine aktivierende V600E-Mutation im BRAF-Gen findet sich bei 3–5% der Patienten mit CCA [22]. Im Gegensatz zum Melanom konnte mit einer gegen BRAF gerichteten Monotherapie bei gastrointestinalen Tumoren keine überzeugende Wirksamkeit erzielt werden. Aktuelle Daten zeigen aber gute Ergebnisse für eine sequentielle Hemmung des EGFR-Signalweges mit einer Kombination von EGFR- und BRAF- oder von BRAF- und MEK-Inhibitoren bei Patienten mit BRAF-mutierten GI-Tumoren. Mit der Chemotherapie-freien Kombination aus Encorafenib (BRAF-Inhibitor), Cetuximab (Anti-EGFR-Antikörper) mit bzw. ohne Binimetinib (MEK-Inhibitor) ließ sich bei Patienten mit kolorektalem Karzinom (CRC) eine ORR von 26% (Dreifach-Kombination) bzw. 20% (Zweifach-Kombination) vs. 2% im Kontrollarm (Irinotecan/Cetuximab oder FOLFIRI/Cetuximab) erzielen, das mOS lag bei signifikanten 9 bzw. 8,4 Monaten vs. 5,4 Monaten im Kontrollarm [28].
Analog zum CRC wird die Übertragbarkeit dieser Ergebnisse auf BRAF-mutierte CCA-Patienten aktuell prospektiv evaluiert. In einem ähnlichen Ansatz, allerdings ohne die Anti-EGFR-Komponente, wurden Patienten mit CCA im Rahmen der Basket-Studie ROAR bereits mit der Kombination aus Trametinib (MEK-Inhibitor) und Dabrafenib (BRAF-Inhibitor) behandelt. Bei 33 zum Teil intensiv vorbehandelten Patienten mit BRAF-V600E-Mutation konnte eine vielversprechende ORR von 42% erreicht werden, mit einem klinisch bedeutsamen PFS von 7,2 Monaten und einem mOS von 11,2 Monaten [29]. Ähnliche positive Signale zeigten sich in der NCI-Match-Studie, ebenfalls einer Basket-Studie zur Präzisionsmedizin bei Patienten mit aktivierenden BRAF-Mutationen, in der bei drei von vier Patienten mit Gallenwegstumoren mit der Kombination Trametinib/Dabrafenib eine PR erzielt werden konnte.
FGFR2
FGF-Rezeptor-Aberrationen in malignen Tumoren umfassen Amplifikationen, Mutationen sowie durch Translokation generierte onkogene Fusionsproteine. Aktuelle Sequenzierstudien legen nahe, dass bei 15% der biliären Tumoren – und zwar nahezu ausschließlich bei intrahepatischen CCA – FGFR2-Fusionen vorkommen, die somit zu den häufigsten genetischen Veränderungen in dieser Tumorentität zählen. FGFR2-Fusionsonkogene entstehen durch Translokationen, die zur Fusion zwischen dem 5‘-Anteil von FGFR2 (Exon 1–17) und dem 3‘-Ende eines von bisher über 40 identifizierten Fusionspartnern führen. Während der FGFR2-Anteil die intakten extrazellulären und Kinasedomänen enthält, zeichnen sich die Fusionspartner durch eine Protein-Dimerisierungsdomäne aus, die u. a. zu einer konstitutiven Dimerisierung und Liganden-unabhängigen Aktivierung der nachgeschalteten Signalwege führt [30].
Aktuell werden eine Reihe von FGFR-Inhibitoren bei Patienten mit biliären Tumoren evaluiert. In einer Phase-I/II-Studie wurden 29 Patienten mit FGFR2-Fusionen mit dem Pan-FGFR-Inhibitor ARQ-087 (Derazantinib) behandelt [31]. Die DCR lag bei 83%, ein Therapieansprechen im Sinne eines PR wurde bei 20% der Patienten erreicht. Zu insgesamt sehr ähnlichen Ergebnissen kam eine analoge Phase-II-Studie, die die Wirksamkeit des FGFR-Inhibitors BGJ398 (Infigratinib) bei Patienten mit verschiedenen FGFR2-Alterationen nach Versagen der Standardtherapie untersuchte [32]. Eingeschlossen wurden vorwiegend Patienten mit Fusionen (48/61), aber auch Mutationen (8/61), und wenige Patienten mit Amplifikationen (3/61). Der primäre Endpunkt ORR wurde bei 18,8% der Patienten mit FGFR2-Fusionen erreicht, bei einer beachtlichen Krankheitskontrollrate von 83%. Alle Patienten, die angesprochen hatten, wiesen eine FGFR2-Fusion auf. Zuletzt wurden beim ESMO-Kongress 2018 aus der Interimsanalyse der Phase-II-Studie FIGHT-202 mit dem FGFR2-Inhibitor INCB054828 (Pemigatinib) ebenfalls positive Ergebnisse berichtet [33]. In dieser Studie bestätigte sich, dass die Studienmedikation nur bei Patienten mit FGFR2-Translokationen eine klinisch relevante Wirksamkeit aufweist, nicht aber bei Patienten mit beispielsweise FGFR-Mutationen oder ohne genetische Alterationen. Bei den 47 Patienten mit FGFR2-Fusionen konnte eine Krankheitskontrolle von 76% mit einer ORR von 18% erreicht werden. Das mPFS der teilweise intensiv vorbehandelten Patienten lag bei überzeugenden 6,8 Monaten.
Insgesamt ist die Verträglichkeit von FGFR2-Inhibitoren in den bisherigen Studien akzeptabel. Zum typischen Nebenwirkungsspektrum der FGFR-Inhibitoren zählen Störungen des Phosphat-Haushalts (Hyper-, aber auch Hypophosphatämie), Stomatitis, Fatigue sowie Augen- und Nagel-Toxizitäten. Häufig lässt sich eine Besserung der Nebenwirkungen durch Dosisanpassungen erzielen.
Basierend auf diesen Daten wurden weiterführende Phase-III-Studien zur FGFR-Inhibition bei CCA-Patienten initiiert, in die ausschließlich Patienten mit nachgewiesener FGFR2-Fusion eingeschlossen werden: Seit Anfang 2019 rekrutiert die randomisierte Registrierungsstudie PROOF mit Infigratinib versus Gemcitabine/Cisplatin (und Cross-over-Möglichkeit in den Infigratinib-Arm) in der Erstlinie [34]. Pemigatinib wird aktuell in der FIGHT-302-Studie (ClinicalTrials No. NCT03656536) in der Erstlinie ebenfalls mit der Standardtherapie Gemcitabin/Cisplatin verglichen, und Derazantinib wird in der zweiten Therapielinie in der FIDES-01-Studie (ClinicalTrials No. NCT03230318) untersucht.
Die aktuellen Daten deuten darauf hin, dass sich die FGFR2-Inhibition in der Standardtherapie von CCA-Patienten mit FGFR2-Fusionen langfristig etablieren wird. Ein Problem von Tumortherapien – und insbesondere auch von molekularen Therapieansätzen mit Kinaseinhibitoren – ist jedoch die relativ rasche Entwicklung von sekundären Resistenzen. Erste Daten liegen hier für den ATP-kompetitiven Inhibitor Infigratinib vor. Anhand molekulargenetischer Analysen an drei Patienten mit Progress unter Infigratinib konnten die Autoren in allen Fällen Punktmutationen in der Kinasedomäne von FGFR2 nachweisen, die die Bindung von Infigratinib entweder durch Stabilisierung der Kinase in einer aktiven oder inaktiven Konformation oder durch sterische Hinderung beeinflussen. Diese Ergebnisse suggerieren, dass in den untersuchten Fällen die Resistenz zwar gegen den spezifischen Inhibitor (bzw. auch gegen Inhibitoren mit dem gleichen Wirkmechanismus) besteht, dass aber von einer erhaltenen onkogenen Abhängigkeit vom FGFR2-Signalweg auszugehen ist, die bei diesen Patienten auch in weiteren Therapielinien genutzt werden kann.
Erste Daten zeigen, dass sich diese sekundären Resistenzen zumindest bei einzelnen Mutationen pharmakologisch überwinden lassen. In der Phase-I-Basket-Studie mit TAS-120, welches im Gegensatz zu den genannten Substanzen ein irreversibler FGFR2-Inhibitor ist, wurde bei 28 CCA-Patienten mit FGFR2-Fusionen, die in mindestens zweiter Therapielinie TAS-120 erhielten, eine ORR von 25% und eine DCR von 79% erzielt. Beachtenswert ist, dass vier von 13 Patienten, die unter Vortherapie mit einem ATP-kompetitiven FGFR-Inhibitor progredient waren, unter Behandlung mit TAS-120 partielle Remissionen erreichten [35]. Diese Erfahrungen an CCA-Patienten mit FGFR2-Fusionen zeigen beispielhaft, dass auch im Bereich zielgerichteter Therapien die Möglichkeit einer Mehrlinien-Therapie besteht.
NTRK
Zu den weiteren, insgesamt jedoch sehr seltenen genetischen Alterationen gehören Fusionen der neurotrophen Tyrosinkinase-Rezeptor(NTRK)-Gene, die für die Tropomyosin-Rezeptor-Kinase(TRK)-Rezeptoren kodieren. Diese Fusion kann bei vielen Krebserkrankungen wie Speicheldrüsenkarzinomen und infantilen Fibrosarkomen, aber auch bei GI-Tumoren wie CRC und CCA vorkommen. In der Phase-II-Studie
NAVIGATE wurden Patienten mit einer Altersspanne von vier Monaten bis zu 76 Jahren und insgesamt 17 verschiedenen NTRK-fusionsbedingten Krebserkrankungen mit Larotrectinib behandelt [36]. Dabei konnte eine beeindruckende ORR von 80% erreicht werden, mit lang anhaltender Tumorkontrolle. Da innerhalb der genannten Studienpopulation jedoch lediglich zwei CCA-Patienten behandelt wurden, bedarf es auch hier weiterer Studien, um die entitätsspezifischen Therapieergebnisse zu evaluieren.
Insgesamt verdeutlichen die genannten Studien die direkten klinischen Implikationen der molekulargenetischen Diagnostik bei Patienten mit biliären Tumoren. Vor dem Hintergrund, dass es sich um eine „seltene“ Tumorentität handelt, sollten geeignete Patienten konsequent in Therapiestudien eingeschlossen werden, um die neuen Therapieansätze zielführend und zeitnah zu etablieren, und somit das Spektrum sinnvoller Therapien für die entsprechenden genetischen Subgruppen zu erweitern.
Immuntherapie
Auch bei Patienten mit CCA werden immuntherapeutische Ansätze untersucht. In einer ersten kleinen Studie, die 24 Patienten mit PD-L1-positiven CCAs einschloss, fanden sich Ansprechraten von 20% auf die Zweitlinientherapie mit dem PD-1-Antikörper Pembrolizumab, vergleichbar mit den Ansprechraten in der Behandlung anderer solider Tumoren [37]. Enttäuschende Ergebnisse wurden allerdings beim ESMO-Kongress 2018 aus Japan berichtet, wo in der bislang größten Studie zum CCA, der KEYNOTE-158-Studie, eine Ansprechrate von nur 5,8% gezeigt werden konnte, mit einem mPFS von 2,0 Monaten. Diese ersten Daten lassen vermuten, dass durch die Immuntherapie wahrscheinlich nur in gut selektionierten Patientenkollektiven ein klinisch bedeutsamer Nutzen erzielt werden kann. Wie erwartet zeigten sich hohe Ansprechraten beim Einsatz von Pembrolizumab in CCAs mit Mikrosatelliten-Instabilität (MSI), welche allerdings lediglich bei ca. 2% der Patienten vorliegt [38]. Für Patienten mit Mikrosatelliten-stabilen Tumoren wird bei bislang nicht etablierten Biomarkern möglicherweise eine bessere Wirksamkeit durch Kombinationstherapien zu erreichen sein. Diesbezüglich wird im Rahmen der Phase-II-Studie IMMUCHEC der AIO in Deutschland die Kombination von Chemotherapie mit dualer Checkpoint-Inhibition mit dem PD-L1-Antikörper Durvalumab und dem CTLA-4 Antikörper Tremelimumab untersucht.
Fazit
Nachdem über viele Jahre keine wesentlichen Fortschritte in der Behandlung von biliären Tumoren verzeichnet werden konnten, sind in den letzten Jahren eine Reihe wichtiger Studien erfolgreich durchgeführt oder auf den Weg gebracht worden, die bedeutende Erkenntnisse für den Einsatz systemischer Therapiekonzepte geliefert haben. Erstmalig kann nun auch auf evidenzbasierte Ansätze in der Zweitlinie zurückgegriffen werden.
Grundlagenwissenschaftliche Untersuchungen zum Mutationsspektrum des CCAs haben dazu beigetragen, dass die fundamentale Bedeutung der Patienten-Stratifizierung für die Therapie erkannt und der Weg geebnet wurde für molekular zielgerichtete Therapien. In Anbetracht der insgesamt sehr schlechten Prognose der biliären Tumoren und der vielversprechenden Ergebnisse der Präzisionsonkologie sollte schon heute frühzeitig eine molekulargenetische Untersuchung unter Einschluss von MSI, BRAF und IDH1/2-Mutationen, HER2/neu-Amplifikationen bzw. -Mutationen sowie FGFR2- und NTRK-Fusionen erfolgen. Der Stellenwert der Immuntherapie ist Gegenstand aktueller Untersuchungen und sollte außerhalb von Studien derzeit nur MSI-Patienten empfohlen werden.
Summary
Current concepts for the systemic therapy of advanced biliary tumors
Cancers of the biliary tract (BTC) are rare, but highly aggressive malignancies. Due to the frequently late clinical manifestation and insufficient surveillance strategies, most patients are diagnosed with locally advanced or metastatic disease, which precludes potentially curative resection. In the palliative setting, systemic therapy with gemcitabine and cisplatin is still considered standard of care. Recently, clinical studies have been completed or initiated that evaluate alternative therapeutic first- but also second line approaches. Apart from “classical” chemotherapeutic regimens, molecular targeted treatment con-cepts are on the rise for BTC patients, emphasizing the relevance of early-on genetic profiling for personalized approaches.
Keywords: cholangiocarcinoma, gall bladder cancer, chemotherapy, precision oncology, molecular therapies