Wie erfolgt die Finanzierung des MPN-Bioregisters derzeit?
Brümmendorf: Register sind im Prinzip Forschungsprojekte, für die wir bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), beim Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), bei der Deutschen Krebshilfe und anderen Förderinstitutionen Drittmittel beantragen können.
Register haben allerdings häufig nicht das Ziel, definierte Hypothesen zu beantworten, sondern sogenannte „Real-Life“-Evidenz zu bestimmten Medikamenten oder beispielsweise zu Komorbiditäten von Patienten mit bestimmten Erkrankungen zu schaffen. Dazu sind sie Langzeitprojekte – ein MPN-Register muss aufgrund des Verlaufs der zu untersuchenden Krankheitsentitäten Polycythaemia vera, essenzielle Thrombozytose, primäre und sekundäre Myelofibrose sowie seltenerer Subtypen auf 15–20 Jahre oder mehr angelegt sein. Bei den meisten Drittmittelprojekten ist jedoch die Laufzeit auf circa drei Jahre begrenzt. Zudem ergeben sich viele Forschungsfragen erst im Verlauf der Bearbeitung eines Registers, z. B. durch die Entwicklung neuer Therapieprinzipien oder Medikamente, die den Krankheitsverlauf nachhaltig beeinflussen.
Die Förderstruktur in Deutschland mit den genannten Forschungs-Förderungsformaten ist für solche Projekte nicht optimal ausgerichtet. Mit dem Innovationsfond gibt es jetzt ein neues Format, welches diese Lücke in der Versorgung und der Versorgungsforschung zukünftig vielleicht besser abbildet, aber auch diese Unterstützung ist zeitlich begrenzt. Für das GSG-MPN Bioregister haben wir deshalb aktuell keine nachhaltige bzw. langfristig angelegte Vollkostenfinanzierung.
Welche Bedeutung hat die unabhängige Finanzierung des MPN-Bioregisters?
Brümmendorf: Als akademische Initiative ist das Bioregister in erster Linie so angelegt, dass sich die Patienten damit identifizieren können, dass sie den Mehrwert erkennen und dass sie gemeinsam mit uns ein Interesse daran haben, an den einzelnen Krankheitsentitäten zu arbeiten. Ein sensibler Punkt wäre hier sicherlich die Finanzierung des Registers durch die Industrie.
Zudem setzt die Förderung der sich aus dem Bioregister ergebenden Forschungsprojekte eine Unabhängigkeit des Registers voraus. Wenn wir im Register eine Beobachtung gemacht haben und daraus eine Hypothese ableiten, die wir als Forschungsantrag weiter bearbeiten wollen, wird eine Institution wie zum Beispiel die Deutsche Krebshilfe einer finanziellen Unterstützung des Registers im Vorfeld durch die Industrie kritisch gegenüberstehen. Es besteht kein Zweifel daran, dass es mit der pharmazeutischen Industrie Schnittmengen gibt, die im Einklang mit den Interessen der Patienten die Erforschung der einzelnen, insbesondere auch seltenen Krankheitsentitäten und der Verbesserung der Versorgung beinhalten. Aber Bioregister, insbesondere Abfragen bzw. die Verwendung der Daten aus dem Register sind ein sehr sensibles Thema, und deshalb wollen wir in diesem Bereich von uns aus auch sehr strikte und klare Vorgaben definieren und transparent sein.
Welche Perspektiven einer Finanzierung gibt es neben den genannten noch?
Brümmendorf: Es gibt eine Reihe interessanter Ansätze, die es gilt, jetzt weiter zu verfolgen. Akademische Register können dafür genutzt werden, um die häufig von den Zulassungsbehörden geforderte Evidenz zu Wirksamkeit und insbesondere Verträglichkeit für neu zugelassene, teilweise sehr teure Medikamente im realen Leben zu liefern. Das müsste eine unabhängige Finanzierung, z. B. von den Krankenkassen, sicherstellen. Dafür müssten das konkrete Vorgehen und die Qualitätskriterien mit den Krankenkassen, Ethikkommissionen, den involvierten Behörden und den Patientenvertretern abgestimmt werden – es bräuchte also eine konzertierte Aktion.
Interview: Friederike Klein