"Alle Frauen mit HR-positivem, HER2-negativem Brustkrebs sind Kandidatinnen für diese kombinierten Therapien" Interview mit Prof. Dr. Dennis J. Slamon, University of California at Los Angeles
Dennis Slamon ist Professor an der University of California at Los Angeles (UCLA) und sicherlich einer der einflussreichsten onkologisch tätigen Ärzte weltweit. Um die Jahrtausendwende war er federführend an der klinischen Einführung eines damals völlig neuen Therapieparadigmas beteiligt: der Hemmung des HER2-Rezeptors auf Brustkrebszellen mithilfe des Antikörpers Trastuzumab – heute aus der Therapie dieser Patientinnen nicht mehr wegzudenken. In den letzten Jahren hat er abermals die Translation eines neuen therapeutischen Prinzips von der Forschung in die Klinik begleitet: Die Blockade des Zellzyklus durch die Hemmung der daran regulatorisch beteiligten Enzyme CDK4/6 (Cyclin-abhängige Kinasen 4/6) wird auf der Basis großer, teilweise von ihm geleiteter Studien heute bereits routinemäßig bei Patientinnen mit Hormonrezeptor-positivem, HER2-negativem Mammakarzinom angewendet. Beim ASCO-Kongress in Chicago stellte er die ersten Daten der Phase-III-Studie MONALEESA 3 vor, in der erstmals ein CDK4/6-Inhibitor randomisiert in der Erstlinientherapie solcher Tumoren getestet wurde. Für Trillium Krebsmedizin gab er Auskunft über Details dieser Studie und über die weiteren Perspektiven dieses Therapieansatzes.
In der MONALEESA-3-Studie konnte die progressionsfreie Überlebenszeit bei Patientinnen mit nicht vorbehandeltem metastasiertem, Hormonrezeptor-positivem und HER2-negativem Mammakarzinom signifikant von median 12,8 auf 20,5 Monate verlängert werden. Können Sie etwas über die Ergebnisse in den einzelnen Subgruppen sagen?
Prof. Slamon: Wir hatten in der Studie eine 2 : 1-Randomisierung auf den CDK4/6-Inhibitor Ribociclib in Kombination mit dem Anti-Östrogen Fulvestrant versus Fulvestrant alleine. Mit 726 eingeschlossenen post-menopausalen Patientinnen war die Studie groß genug, um separate Analysen für eine Anzahl von Subgruppen zum Beispiel bezüglich des Alters, der geographischen Herkunft, der Rasse oder der vorherigen Behandlung mit einer Hormontherapie durchzuführen. Wir fanden in all diesen Subgruppenanalysen keine nennenswerten Unterschiede, was die Differenz zwischen experimentellem und Kontrollarm beim progressionsfreien Überleben betraf. Ein besonderer Aspekt an dieser Studie ist, dass hier zum ersten Mal Patientinnen mit einer Kombination aus Hormontherapie und CDK-Inhibitor behandelt wurden, die zuvor noch überhaupt keine endokrine Therapie bekommen hatten. Diese Patientinnen hatten insgesamt deutlich längere progressionsfreie Überlebenszeiten als diejenigen, die bereits endokrin vorbehandelt waren; aber der relative Nutzen der Zugabe von Ribociclib war in beiden Subgruppen der gleiche mit einer Reduktion des Risikos für Progression oder Tod um rund 42%.
Bisher war zum Teil kontrovers diskutiert worden, ob man immer zuerst eine Hormontherapie alleine geben und das Ansprechen darauf abwarten sollte, bevor man einen CDK-Inhibitor hinzugibt. Die MONALEESA-3-Ergebnisse zeigen, dass die Patientinnen von der sofortigen Kombination genauso profitieren. Patientinnen, die zuvor noch keinen Aromatase-Inhibitor bekommen hatten, zeigten sogar einen tendenziell größeren Nutzen als jene mit einer vorangegangenen Aromataseinhibitor-Behandlung.
Würden Sie darüber spekulieren, ob der Nutzen einer frühen Kombinationstherapie auf andere Kombinationen, z. B. mit Aromatase-Inhibitoren oder mit anderen CDK-Inhibitoren, übertragen werden kann?
Slamon: In den anderen MONALEESA-Studien war Ribociclib bei Kombination mit Aromatase-Inhibitoren ähnlich effektiv wie mit Fulvestrant. MONALEESA 3 ist bislang einzigartig insofern, als nur hier dieses Erstlinien-Setting verwirklicht wurde; aber wir haben keinen Grund, daran zu zweifeln, dass der Effekt einer solchen frühen Kombination nicht auch mit anderen Hormontherapien als Fulvestrant zu sehen ist.
Welchen Patientinnen würden Sie Ribociclib oder einen anderen CDK-Inhibitor in der Erstlinie geben?
Slamon: Bei uns an der University of California at Los Angeles sind aufgrund dieser Daten nun alle Patientinnen mit HR-positiven und HER2-negativen Tumoren Kandidatinnen für diese kombinierte Therapie, auch wenn sie vorher noch überhaupt keine Therapie erhalten haben. Den Nutzen für das progressionsfreie Überleben haben wir nun nachgewiesen, auf aussagekräftige Daten zum Gesamtüberleben warten wir noch: Es gibt hier einen positiven Trend, der aber bisher noch keine statistische Signifikanz erreicht hat.
Würde das neben post- auch prä-menopausale Frauen betreffen?
Slamon: Die Frauen in der MONALEESA-3-Studie waren alle post-menopausal. Es gibt positive Daten zu prä-menopausalen Patientinnen zum Beispiel aus anderen MONALEESA-Studien, wo andere endokrine Substanzen verwendet wurden, und ich wäre zuversichtlich, dass alle HR-positiven und HER2-negativen Frauen potenziell davon profitieren würden, wenn man endokrine Therapien, wie wir sie seit viereinhalb Jahrzehnten anwenden, mit den neuen CDK4/6-Inhibitoren kombiniert.
Es wird auch darüber diskutiert, wie sich eine Chemotherapie auswirkt …
Slamon: In der MONALEESA-3-Studie hatte etwa die Hälfte der Patientinnen zuvor eine neoadjuvante oder adjuvante Chemotherapie erhalten, und sie profitierten genauso von der Kombination aus endokriner Therapie und CDK-Inhibitor. Natürlich haben diese Patientinnen ein höheres Risiko – deshalb haben sie ja eine Chemotherapie erhalten; der Nutzen der Kombination mag bei ihnen geringer sein, aber er ist trotzdem signifikant.
Gibt es prädiktive Biomarker für einen Nutzen von CDK4/6-Inhibitoren?
Slamon: Der beste Biomarker, den wir derzeit haben, ist der positive Test auf Hormonrezeptoren, aber es wird intensiv nach zusätzlichen Markern gesucht, die prädiktiv bezüglich Sensitivität und – genauso wichtig – Resistenz sind. Mit solchen Biomarkern könnte man Patientinnen von Beginn an von dieser Therapie ausschließen, für die kein Nutzen davon zu erwarten wäre. Hier gibt es intensive Bemühungen, aber bisher haben wir noch keine anwendbaren Biomarker.
Gibt es Kandidaten für Marker, mit denen man beispielsweise eine Resistenz vorhersagen könnte?
Slamon: Aus präklinischen Modellen gibt es Hinweise, dass zum Beispiel ein Verlust des Tumorsuppressor-Gens Rb oder eine Amplifikation von Cyclin E, durch die die Hemmung des Zellzyklus-Checkpoints CDK4/6 umgangen werden könnte, eine Resistenz vorhersagen können. Das scheint durch klinische Daten bestätigt zu werden, aber diese Schlussfolgerungen sind noch nicht definitiv. Grundsätzlich scheint Hormonrezeptor-Positivität nur ein Surrogatmarker für ein Panel anderer Biomarker zu sein. Wenn man also keine Hormonrezeptoren findet, dieses Panel aber dennoch vorliegt, sprechen die präklinischen Daten dafür, dass der Tumor trotzdem sensitiv für diese Therapien ist. Das muss aber erst noch klinisch getestet werden – übrigens auch für andere Subtypen wie HER2-positive und triple-negative Mammakarzinome.
Sehen Sie eine Rolle für die Kombination von CDK-Inhibitoren mit zum Beispiel HER2-Antikörpern bei Patientinnen mit HER2-positivem Mammakarzinom?
Slamon: Laut präklinischen Daten könnte das sinnvoll sein, aber das muss alles erst in klinischen Studien bewiesen werden. Während wir hier sprechen, läuft bereits eine Reihe solcher Studien, auch zum Beispiel mit Ribociclib.
Die häufigste Nebenwirkung unter CDK4/6-Inhibitoren ist eine Neutropenie, die sich aber von der unterscheidet, die man unter einer Chemotherapie sieht. Wo genau liegt der Unterschied?
Slamon: Das ist richtig, und diese Neutropenie ist ein „On-target“-Effekt, d. h. eine direkte Wirkung des Medikaments, das die Replikation bestimmter normaler Vorläuferzellen im Knochenmark blockiert. Es ist auch korrekt, dass dieser Effekt sich von der durch eine Chemotherapie hervorgerufenen Neutropenie unterscheidet: Die Chemotherapie tendiert dazu, diese Vorläuferzellen abzutöten, während der CDK4/6-Inhibitor nur ihr Wachstum anhält. Sie bleiben am G1/S-Checkpoint des Zellzyklus stehen, und da das Medikament immer drei Wochen lang gegeben und anschließend eine Woche pausiert wird, können diese nach wie vor vitalen Knochenmarkzellen sich sehr rasch wieder erholen. Die Neutropenie ist daher nicht so ausgeprägt und dauert auch nicht so lange, wie wir das unter einer Chemotherapie sehen. Deshalb ist es auch nicht erforderlich, Wachstumsfaktoren zur Unterstützung der Granulopoese zu geben.
Der Zellzyklus treibt die Proliferation nicht nur von Brustkrebs, sondern von allen Arten von Tumoren an. Wäre es sinnvoll und gibt es Bestrebungen, dieses Prinzip auch zur Behandlung anderer Tumorentitäten zu nutzen?
Slamon: Ja, in der Tat werden CDK-Inhibitoren auch bereits bei anderen Histologien getestet. Beim Brustkrebs waren die präklinischen Daten sehr stark, sodass es hier am leichtesten war, das in die Klinik zu übertragen, aber es gibt solche präklinischen Daten auch bereits für andere Tumoren. Wenn das Biomarker-Profil ähnlich ist wie bei den Östrogenrezeptor-positiven Mammakarzinomen, werden sie vermutlich auch ansprechen. Es geht unter anderem um bestimmte Lymphome wie das Mantelzell-Lymphom sowie Sarkome wie etwa Liposarkome; das wird auch bereits klinisch untersucht, aber es gibt noch keine endgültigen Daten.
Interview: Josef Gulden