Lungen- und Blasenkrebs: nächste Generation der Immuntherapie
Nach der Einführung von zwei PD-1-Antikörpern in den letzten Jahren befindet sich mit dem Anti-PD-L1-Antikörper Atezolizumab der erste Vertreter einer neuen Generation von Checkpoint-Inhibitoren in der letzten Phase der klinischen Entwicklung. In verschiedenen Phase-II- und Phase-III-Studien hat er sich als wirksam beim fortgeschrittenen nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC) sowie beim lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Urothelkarzinom erwiesen – unabhängig von der PD-L1-Expression.
Atezolizumab hemmt PD-L1, einen von Tumorzellen und infiltrierenden Immunzellen exprimierten Liganden des Programmed Death-1-Rezeptors (PD-1) auf zytotoxischen T-Lymphozyten. Durch Inhibition von zwei die T-Zellen inhibierenden Mechanismen, nämlich der Interaktion von PD-L1 sowohl mit PD-1 als auch mit B7.1, so Elfriede Nößner, München, unterscheidet sich Atezolizumab von den an PD-1 bindenden Checkpoint-Inhibitoren. Atezolizumab wird derzeit in vielen klinischen Studien bei verschiedenen Indikationen getestet, sowohl als Monotherapie wie auch in Kombination mit Chemotherapien, zielgerichteten Therapien und anderen Immuntherapien. Am weitesten fortgeschritten ist die Entwicklung beim fortgeschrittenen NSCLC und beim lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Urothelkarzinom.
Signifikanter Überlebensvorteil beim NSCLC
Erste Phase-III-Daten zur PD-L1-Inhibition beim metastasierten, mit einer platinhaltigen Chemotherapie vorbehandelten NSCLC aus der multizentrischen, randomisierten OAK-Studie mit 850 Patienten stellte Studienleiter Achim Rittmeyer, Immenhausen, vor: Bereits in der Interimsanalyse war der primäre Endpunkt erreicht worden mit einer Verlängerung der medianen Überlebenszeit um 4,2 Monate von 9,6 Monaten unter Docetaxel auf 13,8 Monate unter Atezolizumab (Hazard Ratio 0,73; p = 0,0003; [1]). Die Überlegenheit der PD-L1-Hemmung konnte auch bei Patienten ohne nachweisbare PD-L1-Expression auf Tumor- oder infiltrierenden Immunzellen bestätigt werden (12,6 vs. 8,9 Monate; HR 0,75; p = 0,0215).
Diese Daten bestätigten außerdem diejenigen der Phase-II-Studie POPLAR, in der Atezolizumab das Mortalitätsrisiko vorbehandelter Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC gegenüber Docetaxel signifikant um 31% reduziert hatte (HR 0,69; p = 0,011; [2, 3]). In beiden Studien war die Behandlung mit Atezolizumab sicher und gut verträglich: Unerwünschte Ereignisse vom Grad 3 oder 4 wurden nur bei 16% der Patienten und damit deutlich seltener als unter Docetaxel registriert. Besonders die Raten an immunologisch vermittelten Nebenwirkungen war mit einer Pneumonitis bei 1% und Colitis bzw. einer Hepatitis bei jeweils 0,3% der Patienten sehr gering [1, 3].
Langersehnter Fortschritt auch beim Urothelkarzinom
Auch beim lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Urothelkarzinom, beim dem es seit mehr als 30 Jahren keinen nennenswerten Therapiefortschritt gegeben hat, kann die PD-L1-Inhibition mit Atezolizumab offenbar die Prognose verbessern. In der Phase-II-Studie IMvigor 210, so Carsten Grüllich, Heidelberg, sprach in einer ersten Kohorte beinahe jeder vierte der für eine Cisplatin-basierte Therapie ungeeigneten Patienten (23%) auf eine Erstlinientherapie mit Atezolizumab an. Die mediane Dauer dieser Remissionen war nach median 17,2 Monaten Follow-up noch nicht erreicht [4]. In einer zweiten Kohorte sprachen von den mit mindestens einer platinbasierten Chemotherapie vorbehandelten Patienten 16% an; diese Remissionen hielten bei 65% der Patienten nach median 21 Monaten weiterhin an [5].
Auch in diesen beiden Kohorten war die Wirksamkeit unabhängig vom Ausmaß der PD-L1-Expression. „Mit Atezolizumab besteht zweifellos Aussicht auf eine Erweiterung der Therapieoptionen für Patienten mit fortgeschrittenem Urothelkarzinom“, so Grüllich, „und vor allem scheinen die Patienten langfristig von der Therapie zu profitieren.“
Josef Gulden
Literatur
1. Rittmeyer A et al. Atezolizumab versus docetaxel in patients with previously treated non-small-cell lung cancer (OAK): A phase 3, open-label, multicentre randomised controlled trial. Lancet 2016; 389: 255-65.
2. Fehrenbacher L et al. Atezolizumab versus docetaxel for patients with previously treated non-small-cell lung cancer (POPLAR): a multicentre, open-label, phase 2 randomised controlled trial. Lancet 2016; 387: 1837-46
3. Smith D et al. Updated survival and biomarker analyses of a randomized phase II study of atezolizumab vs docetaxel in 2L/3L NSCLC (POPLAR). J Clin Oncol 2016; 34 (Suppl.): ASCO 2016, Abstract #9028.
4. Bellmunt J et al. IMvigor210: updated analyses of first-line (1L) atezolizumab (atezo) in cisplatin (cis)-ineligible locally advanced/metastatic urothelial carcinoma (mUC). Ann Oncol 2016; 27 (Suppl. 6): ESMO 2016, Abstract #782PD.
5. Loriot Y et al. Atezolizumab (atezo) in platinum (plat)-treated locally advanced/metastatic urothelial carcinoma (mUC): Updated OS, safety and biomarkers from the Ph II IMvigor210 study Ann Oncol 2016; 27 (Suppl. 6): ESMO 2016; Abstract 783P.
Pressekonferenz “Immuno-Update – Neue Perspektiven in der Krebsimmuntherapie” am 09.02.2017 in Hamburg, veranstaltet von Roche AG, Grenzach-Wyhlen.