Epidemiologie
Das Lungenkarzinom ist eine der häufigsten Krebsentitäten weltweit und zugleich die führende Ursache krebsbedingter Todesfälle. Das SCLC macht in Deutschland circa 15 % aller Lungenkarzinome aus; die überwiegende Mehrheit von 85 % verteilt sich auf die heterogene Gruppe der nichtkleinzelligen Lungenkarzinome (NSCLCs). Anders als das NSCLC entsteht das SCLC aus den neuroendokrinen Zellen der Lunge und ist durch ein schnelleres Wachstum und eine frühere Metastasierung charakterisiert. Das mediane Erkrankungsalter für das SCLC liegt bei 67 Jahren. Jährlich erkranken in Deutschland rund 8.300 Personen an einem SCLC. Bei 71 % der Neuerkrankungen liegen zum Zeitpunkt der Erstdiagnose bereits Fernmetastasen vor [1].
Der wichtigste Risikofaktor für das SCLC ist Rauchen. Rund 95 % der Betroffenen mit SCLC haben eine Rauchergeschichte [2]. Der zweithäufigste Risikofaktor ist die Exposition gegenüber natürlichem Radon, das insbesondere bei Nierauchern eine Rolle spielt [3]. Andere Risikofaktoren sind der Kontakt mit Karzinogenen wie Asbest, Arsen und Chrom sowie eine erhöhte Feinstaubbelastung durch Dieselabgase [4].
Histologie
Das SCLC entwickelt sich aus neuroendokrinen Zellen der Bronchien. Diese Zellen haben eine regulierende Funktion in der Lunge und produzieren Hormone und Peptide. Durch den Kontakt mit Karzinogenen (Tabakbestandteile, Radon, Arsen etc.) kommt es zu Mutationen in Tumorsuppressor- und/oder Protoonkogenen, die für das aggressive Tumorwachstum eine zentrale Bedeutung haben. Charakteristisch für das SCLC sind biallelische inaktivierende Mutationen in den beiden Tumorsuppressorgenen TP53 und Retinoblastom-Protein (RB1), die sich bei nahezu allen SCLC-Erkrankten nachweisen lassen [5, 6].
Darüber hinaus finden sich beim SCLC häufig Mutationen in der Familie der NOTCH-Gene oder Amplifikationen des MYC-Gens [5, 7].
Mikroskopisch präsentiert sich das SCLC typischerweise als klein-blau-rundzelliger Tumor; er muss konventionell-histologisch von anderen Tumoren wie dem Ewing-Sarkom oder Lymphomen abgegrenzt werden. Die kleinen Tumorzellen haben ein hohes Kern-Plasma-Verhältnis. Die Zellkerne präsentieren sich hyperchromatisch mit feinkörnigem Chromatin (Salt-and-Pepper-Muster). Ein Nukleolus ist meist kaum zu erkennen. Durch die hohe mitotische Aktivität kommt es gehäuft zu Apoptosen und ausgeprägten Nekrose-Arealen. Das Wachstumsmuster ist nestartig, diffus oder trabekulär.
Zur Bestätigung der Diagnose werden typischerweise neuroendokrine Marker in der Immunhistochemie gefärbt. Die Tumorzellen des SCLC sind in der Regel positiv für CD56 (NCAM), Synaptophysin, Chromogranin A und den thyroidalen Transkriptionsfaktor 1 (TTF-1).
Charakteristischerweise zeigt sich häufig eine hohe Ki-67-Proliferationsrate von über 80 %. Im Gegensatz zu den NSCLCs entwickeln sich keine Drüsenstrukturen (Adenokarzinome) oder Keratinisierungen (Plattenepithelkarzinome). Durch die hohe Proliferationsrate finden sich im Blut häufig Erhöhungen der neuronenspezifischen Enolase (NSE) und Laktatdehydrogenase (LDH) als Marker der hohen Apoptose-Rate.
Diagnose
In frühen Stadien bleibt das SCLC oft asymptomatisch, sodass es meist erst in einem fortgeschrittenen Stadium entdeckt wird [8]. Zu den unspezifischen Symptomen gehören Fatigue, Gewichtsverlust, Inappetenz, Husten und Kurzatmigkeit. Mit fortschreitender Erkrankung können Hämoptysen, thorakale Schmerzen sowie Beschwerden durch lokale Infiltration (z. B. Heiserkeit, Stridor, Dysphagie und das Vena-cava-superior-Syndrom) auftreten. Auch metastasenbedingte Symptome wie Knochenschmerzen oder neurologische Auffälligkeiten können vorkommen [8].
Paraneoplastische Syndrome, die beim SCLC vergleichsweise häufig sind, können bereits erste Hinweise auf die Erkrankung liefern. Während neuroendokrine Syndrome (z. B. Cushing-Syndrom und Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion [SIADH]) durch eine ektope Hormonproduktion entstehen, manifestieren sich neurologische Syndrome wie das Lambert-Eaton-Syndrom (1 bis 3 % der Fälle) immunvermittelt [9–12].
Die Diagnostik basiert auf der Anamnese (inkl. Raucherstatus), einer körperlichen Untersuchung, Laboranalysen (Blutbild, Nieren- und Leberparameter, Laktatdehydrogenase [LDH] und Elektrolyte) sowie bildgebenden Verfahren.
Bei Verdacht auf Lungenkarzinom empfiehlt die deutsche S3-Leitlinie zur weiteren Abklärung eine diagnostische Computertomografie (CT) des Thorax mit Kontrastmittel [13]. Besteht ein kurativer Therapieansatz, werden eine Fluordesoxyglukose-Positronenemissionstomografie (FDG-PET) idealerweise inklusive einer diagnostischen CT mit Kontrastmittel (FDG-PET/CT) sowie eine Schädel-Magnetresonanztomografie (MRT) zum Staging empfohlen. Alternativ zur FDG-PET/CT können auch eine diagnostische CT von Thorax und Abdomen sowie eine ergänzende Skelettszintigrafie durchgeführt werden. Allerdings sollten Patienten, die keinen kurativen Therapieansatz verfolgen, ein adäquates Staging bestehend aus Kopf- und Abdomenbildgebung erhalten (idealerweise Abdomen-CT mit Kontrastmittel und Schädel-MRT).
Die histologische Sicherung erfolgt meist mittels Bronchoskopie oder CT-gesteuerter Punktion. Bei SCLC im Stadium I bis III, die für operative oder strahlentherapeutische Maßnahmen infrage kommen, ist zudem eine Lungenfunktionsuntersuchung (forciertes exspiratorisches Volumen [FEV1], Vitalkapazität [VC] und Diffusionskapazität der Lunge für Kohlenmonoxid [DLCO]) indiziert [14].
Stadieneinteilung
Die Einteilung des SCLC in die Kategorien Limited Disease (LD-SCLC) und Extensive Disease (ED-SCLC) wurde für einen Zeitraum von circa 50 Jahren gemäß der im Jahr 1957 von der Veterans Administration Lung Study entwickelten Klassifikation vorgenommen.
Die Kategorie Limited Disease umfasste Erkrankungsstadien, bei denen der Primärtumor auf einen Hemithorax begrenzt war und bei denen außer einem gegebenenfalls vorhandenen ipsilateralen Pleuraerguss oder außer mediastinalen Lymphknotenmetastasen keine weiteren Tumormanifestationen vorgelegen haben.
Alle anderen Szenarien wurden der Kategorie Extensive Disease zugerechnet und waren entsprechend mit einer schlechteren Prognose vergesellschaftet.
Die International Association for the Study of Lung Cancer (IASLC) empfiehlt mittlerweile die Einteilung nach der TNM(„tumor, node, metastasis“)- beziehungsweise UICC(Union Internationale Contre le Cancer)-Klassifikation, die eine genauere Einteilung, Therapieplanung und Prognoseabschätzung erlaubt [15–17]. Die Einteilung erfolgt in diesem Kontext in Analogie zu anderen Tumoren anhand der Größe des Primärtumors beziehungsweise dessen lokaler Ausdehnung sowie dem Vorhandensein von Lymphknoten- oder Fernmetastasen (Tab. 1).