Langzeitvorteil von perioperativer Immunchemotherapie beim frühen TNBC
Der PD-1(„programmed cell death-1“)-Antikörper Pembrolizumab ist in Kombination mit einer Chemotherapie zur neoadjuvanten und anschließend nach der Operation als Monotherapie zur adjuvanten Behandlung des lokal fortgeschrittenen oder frühen triple-negativen Mammakarzinoms mit hohem Rezidivrisiko zugelassen. Nun liegen die Langzeitdaten für das Gesamtüberleben (OS) in der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie KEYNOTE-522 für diese perioperative Therapie vor [1, 2], also für eine Systemtherapie, die bereits vor der Operation (neoadjuvant) beginnt und sich bis in den postoperativen Zeitraum (adjuvant) erstreckt.
10 bis 20 % der Brustkrebspatienten weisen laut Dr. Marleen Kok, Amsterdam, Niederlande, ein TNBC auf. Betroffen seien vor allem jüngere Frauen (< 50 Jahre). Für Kok ist das TNBC immer noch eine Erkrankung mit einem ungedeckten medizinischen Bedarf, denn insbesondere für Betroffene, die keine pathologische Komplettremission (pCR) unter einer Standardbehandlung ohne Pembrolizumab erreichen, sei die Prognose sehr schlecht. Mit der Zugabe von Pembrolizumab zur neoadjuvanten Chemotherapie beim zuvor unbehandelten TNBC in den frühen Stadien II oder III mit hohem Rückfallrisiko werde die Anzahl der Patienten mit fehlender pCR gesenkt, wie sich bereits in der ersten Interimsanalyse der KEYNOTE-522-Studie gezeigt hatte. Hier hatte sich die pCR-Rate (primärer Endpunkt) unter der neoadjuvanten Immunchemotherapie nach Angabe von Prof. Peter Schmid, London, UK, verglichen mit einer Chemotherapie allein signifikant um 13,6 Prozentpunkte erhöht [3]. Nach drei Jahren Follow-up verbesserte zudem neoadjuvant verabreichtes Pembrolizumab plus Chemotherapie gefolgt von einer Pembrolizumab-Monotherapie für bis zu einem Jahr nach der Operation das ereignisfreie Überleben (EFS; zweiter primärer Endpunkt). Das Rezidivrisiko reduzierte sich um 37 % mit einer Hazard Ratio (HR) von 0,63, erklärte Schmid [4]. Dieser Vorteil im EFS blieb auch nach einer Nachbeobachtung von über sechs Jahren (75,1 Monate) bestehen (HR 0,65; 95 %-Konfidenzintervall [95 %-KI] 0,51–0,83). Das 5-Jahres-EFS betrug 81,2 versus 72,2 % [1, 2].
Darüber hinaus habe die perioperative Therapie verglichen mit einer alleinigen neoadjuvanten Chemotherapie im sekundären Endpunkt zu einem signifikanten und klinisch bedeutsamen Vorteil im medianen Gesamtüberleben (OS) geführt, freute sich Schmid. Die 5-Jahres-OS-Rate lag bei 86,6 versus 81,7 %. Damit nahm das Sterberisiko um 34 % in der Pembrolizumab-Gruppe ab (HR 0,66; 95 %-KI 0,50–0,87; p = 0,0015), stellte Schmid die neuen Daten vor. Dieser OS-Vorteil von 4,9 % habe sich über alle Subgruppen hinweg gezeigt, unabhängig vom PD-L1- und Nodalstatus sowie von Tumorgröße und -stadium. Das sei eine klinisch bedeutsame Verbesserung, weshalb diese Ergebnisse die perioperative Immunchemotherapie als Standardtherapie für Patienten mit Hochrisiko-TNBC in den Stadien II–III untermauern würden.
OS-Vorteil für Patienten ohne pCR nach neoadjuvanter Therapie
Die Hochrisikogruppe – die keine pCR erzielen konnte – seien diejenigen, die zu profitieren scheinen. Dies sei extrem wichtig, erklärte Diskutantin Kok. Denn obwohl sich bisher nur ein geringer Unterschied in der 5-Jahres-OS-Rate bei Behandelten mit einem optimalen Ansprechen (pCR) auf die neoadjuvante Immunchemotherapie gezeigt habe (95,1 vs. 94,4 %), ergab sich für diejenigen ohne pCR ein substanziell besseres OS mit einer 5-Jahres-OS-Rate von 71,8 versus 65,7 % (HR 0,76; 95 %-KI 0,56–1,05). Möglicherweise könne man demnach die Gabe des PD-1-Antikörpers in der Adjuvanz bei Patienten mit einer pCR nach der neoadjuvanten Therapie überdenken, wendete Kok ein. Denn der OS-Vorteil für Patienten mit pCR könnte auch bereits durch eine vorteilhaft veränderte Tumormikroumgebung aufgrund der neoadjuvanten Pembrolizumab-Gabe entstanden sein. Es gebe jedoch bisher keinen Biomarker, mit dem sich vorhersagen lasse, welche Patientengruppe tatsächlich von adjuvantem Pembrolizumab profitieren könnte, bedauerte sie. In zwei kommenden Studien (OptimICE-pCR und OPT-PEMBRO) wird deshalb nach Darstellung Koks explizit die Rolle der adjuvanten Pembrolizumab-Gabe untersucht. Patienten mit einer Resterkrankung ohne pCR, die gar nicht auf die neoadjuvante Therapie angesprochen hatten, würden aber weiterhin eine sehr schlechte Prognose aufweisen. Für diese Betroffenen brauche es neue Strategien.
Lebensqualität unter Immuntherapie entscheidend
In der Langzeitauswertung seien keine neuen Sicherheitssignale aufgetreten, berichtete Schmid. In der neoadjuvanten Phase werde die Toxizität durch die Chemotherapie dominiert. In geringer Inzidenz traten vor allem unter der adjuvanten Therapie immunbedingte Nebenwirkungen wie schwere Hautreaktionen, Nebenniereninsuffizienz, Hypophysitis, Kolitis, Pneumonitis und Hepatitis auf. Zu bedenken sei hier, dass die Betroffenen in ihrem täglichen Leben mit diesen Nebenwirkungen stark beeinträchtigt seien, gab Kok zu bedenken – auch wenn die Lebensqualitätsdaten keinen Unterschied in den von den Patienten berichteten Ergebnissen (PROs) zwischen den Behandlungsgruppen ergeben haben [5]. Die Langzeitlebensqualität nach der Immuntherapie habe eine hohe Priorität, zumal hauptsächlich Frauen behandelt werden, die laut einer Metaanalyse generell ein höheres Risiko hätten, schwere Nebenwirkungen unter einer Immuntherapie zu entwickeln [6], warf Kok ein. Zudem wird ein negativer Einfluss der Immuntherapie auf die Fertilität der jungen Frauen vermutet. Im Mausmodell hätten ICI dazu geführt, dass weniger Oozyten beziehungsweise diese in geringerer Qualität produziert worden seien [7].
Koks Fazit: Da die neoadjuvante Pembrolizumab-Gabe zusätzlich zur Chemotherapie signifikant das OS beim frühen Hochrisiko-TNBC verbessere, sollte dies die Standardtherapie sein. Um eine Über- oder Untertherapie zu minimieren und eine gut informierte Therapieentscheidung zu ermöglichen, brauche es jedoch Biomarker.
Potenzieller neuer Standard: perioperative Immuntherapie beim MIBC
Die perioperative Therapie mit einem PD-1-Inhibitor hält wahrscheinlich auch beim MIBC Einzug. Bisher war bei dieser Erkrankung eine neoadjuvante Cisplatin-basierte Chemotherapie (NAC) gefolgt von einer radikalen Zystektomie über Jahrzehnte die angewendete Standardbehandlung, wie Prof. Thomas Powles, London, UK, erläuterte. Das Problem: Bei der Hälfte der Erkrankten komme es innerhalb von drei Jahren zu einem Rezidiv. Bisher in der adjuvanten Situation untersuchte ICI konnten das OS nicht verbessern. In der Phase-II-Studie SAKK 06/17 zeigte sich der perioperative Ansatz mit dem PD-1-Inhibitor Durvalumab jedoch als effektiv und sicher [8]. Deshalb hat die Arbeitsgruppe um Powles die Phase-III-Studie NIAGARA gestartet, in die 1.063 Patienten mit MIBC (cT2–T4aN0/1M0) aufgenommen worden sind, die für eine Cisplatin-Therapie geeignet waren und für eine radikale Zystektomie infrage kamen [9]. Die Teilnehmenden bekamen randomisiert entweder die Standardtherapie (vier Zyklen Cisplatin plus Gemcitabin; q3w) mit anschließender radikaler Zystektomie (RC) ohne adjuvante Therapie oder eine circa einjährige perioperative Behandlung aus NAC plus Durvalumab, gefolgt von einer RC und daraufhin einer adjuvanten Durvalumab-Gabe (acht Zyklen; q4w).
In der nun beim ESMO 2024 von Powles vorgestellten geplanten Interimsanalyse hat sich das EFS (primärer Endpunkt) nach einem medianen Follow-up von 42,3 Monaten unter der perioperativen Therapie verglichen mit der Standardbehandlung signifikant verbessert (2-Jahres-EFS-Rate 67,8 vs. 59,8 %; HR 0,68; 95 %-KI 0,56–0,82; p < 0,0001). Formal ergab sich im zweiten primären Endpunkt, dem pCR, kein statistisch signifikanter Unterschied; dies konnte erst in einer späteren Reanalyse erzielt werden (37,3 vs. 27,5 %; p = 0,0005). Darüber hinaus steigerte sich die OS-Rate nach zwei Jahren im Durvalumab-Arm im Vergleich zur Standardtherapie (75,2 vs. 82,2 %). Das Sterberisiko ging um 25 % zurück (HR 0,75; 95 %-KI 0,59–0,93; p = 0,0106). Alle Subgruppen hätten von der Zugabe von Durvalumb bezüglich des EFS und des OS in der neoadjuvanten und adjuvanten Situation profitiert, erklärte Powles.