Capillary Leak Syndrome (CLS) – eine Komplikation nach Adenovirus-Vektor-SARS-CoV-2-Impfung
DOI: https://doi.org/10.47184/ti.2021.03.08CLS, das Kapillar-Leck Syndrom, wurde 1990 beschrieben und ist dadurch charakterisiert, dass in Kapillaren die Doppelschicht aus innerer Endothelzellschicht und äusserer Epithelzellschicht für Plasmaproteine und auch Zellen wie Granulozyten, Makrophagen und Thrombozyten durchlässig wird. Die Folge ist ein hypovolämischer Zustand, der im Schock mit tödlichem Ausgang enden kann. Ursache des CLS ist eine Immunkomplexbildung, von PF4 und anti-PF4, gefolgt von Thrombozyten-Aggregation, gesteigert durch das Anheften von Erythrozyten, Neutrophilen als Zellen oder als granulozytäre Membrankomponenten oder neutrophilen Enzymen; weiter beteiligt sind Komplement- und Gerinnungsfaktoren. Die gebildeten Aggregate lagern sich an die Endothelzellschicht an und führen zu Nekrosen von innerer und äusserer Schicht. Die Therapie des CLS ist kompliziert.Nach Impfung mit Adenovirus basiertem Spikeprotein von SARS-CoV-2 ist diese Komplikation mit einer Häufigkeit von etwa 1 in 20 Millionen aufgetreten; Patienten, die jemals ein CLS gehabt haben, dürfen nicht mit Adenovirus-haltiger Vakzine geimpft werden.
Schlüsselwörter: SARS-CoV-2, Impfung, Adenovirus, capillary leak syndrome
Das Kapillarlecksyndrom (capillary leak syndrome, CLS), bedingt durch eine erhöhte Kapillarpermeabilität, wurde 1960 von Clarkson in den USA beschrieben und ist bis heute ein sehr seltenes Krankheitsereignis [1]. Es kann in jedem Alter vorkommen, das Verhältnis von weiblichen und männlichen Betroffenen ist etwa gleich. Die Therapie zur Aufhebung/Umkehrung der Volumenverschiebung ist kompliziert und gefährlich. CLS kann im hypovolämischen Schock tödlich verlaufen [2]. Pathophysiologisch fließt durch einen unbekannten Auslöser (trigger) bei Grundleiden wie Paraproteinämie, ovarieller Hyperstimulation, Autoimmunkrankheit, Gemcitabin-Behandlung, letztlich auch bei viralen und bakteriellen Infektionen Plasma, einschließlich aller Makromoleküle in den extravasalen interstitiellen Raum mit den Symptomen Hypovoluminämie, Kreislaufversagen und Organschädigung. Akutes Nierenversagen ist eines der häufigen Symptome [2].
CLS ist auch als seltene Komplikation bei Infektion mit SARS-CoV-2 beschrieben worden [3, 4].
Pathophysiologische Grundlagen von CLS
Kapilläre Blutgefäße sind innen mit einer Endothelzellschicht ausgekleidet, an der Zellen wie Makrophagen, Neutrophile und Thrombozyten in hoher Anzahl locker haften, an denen wiederum vWF (von-Willebrand-Faktor), FX (Faktor 10-X) und weitere Proteine wie Cytokine und Alpha-2-Makroglobulin über Ionenkräfte binden [5–7]. Die äußere Schicht der Blutgefäße ist eine Epithelzellschicht; beide Schichten sind miteinander und untereinander über „Verbindungs-Proteine“ (Tight Junctions wie JAM – Junctional Adhesion Molecule, Claudine oder Adherens Junctions wie VE-Cadherin – Vascular Endothelial Cadherin, PECAM-1 – Platelet Endothelial Cell Adhesion Molecule (= CD31), ICAM-2 – IntraCellular Adhesion Molecule) verbunden. Beide Schichten sind flexibel vernetzt, sodass bei Entzündungen Makromoleküle das Lumen verlassen oder bei Bildung größerer Öffnungen Zellen wie Neutrophile, Thrombozyten und Makrophagen auswandern [8, 9]. Da die Endothel- und Epithelzellschichten in den Alveolen sehr dünn sind, ist das Lungenödem eine häufige Manifestation. Eine erhöhte Kapillarpermeabilität tritt auf, wenn die vasale Barrierefunktion versagt:
- bei Autoimmunkrankheit mit Thrombozytenaktivierung über Komplexbildung an den Endothelien, verstärkt über Neutrophilenenzyme und Komplement [10];
- infektiös-toxisch bei z. B. viralem hämorrhagischem Fieber [11] und auch bei SARS-CoV-2 [12] oder bakterieller Sepsis über Toxin von Staphylococcus aureus alpha [13] oder Clostridium perfringens beta über Toxinbindung an PECAM-1 [14];
- anaphylaktisch bei IgE-getriggerter Prostaglandin- und Komplementfaktor-Freisetzung nach Aktivierung von Neutrophilen und Thrombozyten [15];
- mechanisch über Barotrauma beim Tauchen und Bergsteigen.
Das klinische Resultat reicht von Schwellung bis Schock.
Aktivierung von neutrophilen Granulozyten führt nach deren Degranulation zur Freisetzung von verschiedenen Enzymen, die die Gerinnung von Plasma beschleunigen und die Durchlässigkeit der Endothelien erhöhen [5]. Ein Teil der Neutrophilen stirbt ab und die intravasalen Zellmembranreste bilden Komplexe aus aktivierten Thrombozyten, Anti-Plättchenfaktor 4 (anti-PF4), PF4, Adenovirus-Antikörper, Komplement- und Gerinnungs-Faktoren [10, 16], die zu Thrombose mit Thrombozytopenie oder wie beim CLS zur Lyse von Endothel- und Epithelzellschicht mit flächiger Auflösung der Netzstruktur der „Verbindungs-Proteine“ führen. Das Ausmaß der Schädigung der Endothelzellen ist für die klinische Manifestation entscheidend. Autoantikörper gegen PF4 sind eine der Grundlagen für die Komplexbildung. Eine Endothelzell-Nekrose wird ausgelöst, wenn die gebildeten Komplexe an der Gefäßwand aggregieren, Enzyme von neutrophilen Zellen lysieren und folgend Komplement aktiviert wird [5, 17].
Immunkomplexbildung nach Impfung mit Spike-Protein-kloniertem Adenovirus
In Impfstoffen, z. B. Vaxzevria und Janssen COVID-19, ist aus Zellkultur gereinigtes, kloniertes Adenovirus enthalten, das intramuskulär (im) verabreicht wird, von Makrophagen, Fibrozyten, Myozyten und weiteren Zellen als Antigen-präsentierende Zellen (APC) aufgenommen wird und eine Immunreaktion gegen das Spike-Protein auslöst. Durch Lyse der APC, weiter durch Freisetzung der extrazellulär verbliebenen Impfstoffkomponenten und/oder intravasale Applikation von Impfstoff, z. B. bei nicht-regelrechter Applikation im Deltamuskel, wird in den Gefäßen die oben beschriebene Komplexbildung ausgelöst, mit einer Thrombose-Häufigkeit von < 1 in 100.000 [16], mit einer CLS-Häufigkeit von < 1 in 20 Millionen [18]. Der Mechanismus, der CLS nach SARS-CoV-2-Impfung auslöst, ist bisher spekulativ: elektrochemische Interaktion zwischen PF4-Anti-PF4-Komplexen, Interaktion von negativ geladenem Heparan, Adenovirus-DNA, Glycosaminoglycan an den Endothelzellen mit den aktivierten Thrombozyten, Erythrozyten, Bildung von großen Zellkonglomeraten unter Beteiligung aller Komponenten, die an der Endothelzellschicht präzipitieren. Über die begleitende intravasale Gerinnung wird ein Thrombozytenverbrauch ausgelöst und weiterhin Lyse und Nekrose von Endothelzellen induziert mit einer schweren Schädigung der Gefäße [5], sodass Plasma extravasal austritt. Thrombose und CLS können sich schon nach der ersten Adenovirus-Vektor-Impfung bilden, teils begleitet von intrakranieller Hämorrhagie, die intensivmedizinische Behandlung erfordert [19].
Laborchemisch sind D-Dimere und CRP erhöht, es besteht eine Thrombopenie und Lymphopenie und bei schwerem CLS ein niedriger Hämatokrit. Anti-PF4 sind hochtitrig, teils sind Adenovirus- und Coronavirus-Antikörper vorhanden – die beide im Routinebetrieb nicht gemessen werden [20]. Aggraviert werden Zellaktivierung und Komplexbildung durch die Kontamination des Adenovirus-Impfstoffs mit dem Hitzeschockprotein HSP-90 [21]. HSP-90 ist ein zelluläres Protein, das bei Zellaktivierung produziert wird; es bindet an das Adenovirus und ist zu dessen Reifung notwendig. Verfahrenstechnisch gesehen kann es kaum vollständig aus der Vakzine entfernt werden [22].
Prävention und Behandlung
Das Krankheitsbild des CLS wird häufig nicht erkannt; spontane Besserung nach einigen Tagen ist beschrieben worden. Alle Patienten, die früher ein CLS gehabt haben, sollten von der Impfung mit einem Adenovirus-basierten SARS-CoV-2 ausgeschlossen werden [18].
Differentialdiagnosen des CLS nach Adenovirus-Spike-Protein-Impfung sind: Sepsis, Angioödem und anaphylaktischer Schock [2]. Viren, die hämorrhagisches Fieber bei Patienten in Deutschland auslösen können, sind: Denguevirus, Hantavirus, Krim-Kongo-Hämorrhagisches Fiebervirus; sie sollten durch Reiseanamnese ausgeschlossen werden. Die Behandlung des CLS bleibt kompliziert: Der Kreislauf sollte stabilisiert werden; die Hypovoluminämie durch Infusion von Flüssigkeit zu behandeln ist gefährlich, deswegen werden Steroide und intravenöse Gabe von Immunglobulin empfohlen – wie bei der HIT (Heparin-induzierter Thrombose) [2]. Eine erfolgreiche Behandlung mit Theophyllin wurde nur 1999 berichtet [23].