Impfen gegen Infektionserkrankungen

Impfstoffe gehören zu den wichtigsten Errungenschaften der Medizin, weil gezielte Impfprogramme nicht nur Infektionserkrankungen verhindern, sondern Infektionserreger sogar ausrotten können. Beispiele wie die Polioimpfkampagnen der WHO vergegenwärtigen uns die Möglichkeiten, während das Wiederauftreten von Diphtherieerkrankungen in Ländern wie Venezuela oder Jemen uns vor Augen führt, wie fragil die Gesundheitssysteme sind, wenn der Impfschutz nicht mehr gewährleistet werden kann. 

Am 7. Dezember 2018 verabschiedete der Europarat eine „Empfehlung zur verstärkten Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von durch Impfung vermeidbaren Krankheiten“ (2018/C 466/01). Der Anlass für diese Empfehlung lag in einer zunehmenden Impfmüdigkeit und -skepsis, die sich schleichend in Europa ausbreiten, und durch die entstehenden Impflücken die Gesundheit der europäischen Bevölkerung gefährden. Der Europarat ruft dazu auf, diesen Entwicklungen politisch und wissenschaftlich entschieden entgegenzutreten. Unter anderem sollen europaweit Maßnahmen getroffen werden, um die Impfraten zu steigern; durch verbesserte Systeme zur grenzüberschreitenden epidemiologischen Datenerhebung und Pharmakovigilanz soll Unsicherheiten in Bezug auf das Risiko-/Nutzen-Verhältnis von Impfungen entgegengewirkt werden.  

Wir verfügen heute über nie zuvor gesehene technologische Möglichkeiten, durch neue Impfstoffentwicklungen das altbewährte Prinzip der Infektionsprävention durch Impfung auszuweiten. Dieser Fortschritt ermöglicht auch die Bekämpfung neuartiger Virusinfektionen, deren Letalität angesichts der fehlenden Therapiemöglichkeiten weltweit für Erschrecken sorgt. 

Das Beispiel Ebola zeigt, dass Impfstoffentwicklungsprogramme innerhalb kürzester Zeit vorangebracht werden konnten, wodurch die Anwendbarkeit dieser Impfstoffe in reale Nähe gerückt ist. Dabei kommen neue Impfstofftechnologien zum Einsatz, bei denen unterschiedliche, nicht-krankmachende Viren genetisch so verändert werden, dass sie die Proteine des Ebolavirus tragen, und eine Ebola-spezifische Immunität induzieren. Diese Virusvektoren können in Zukunft auch als sogenannte Plattformen für weitere Impfstoff­entwicklungen verwendet werden. Ebenso wurden die Herstellungsverfahren für RNA- und DNA-basierte Impfstoffe so optimiert, dass sie rasche Produktentwicklungen und den Einsatz für alte und neue Indikationsstellungen ermöglichen. 

Diese neuen Entwicklungen sind vielversprechend, die immunologischen Wirkmechanismen jedoch komplex und  teilweise noch unverstanden. Angesichts der gegenwärtigen Impfskepsis sind wir als Immunologen gefragt, Aufklärungsarbeit in Bezug auf das Verständnis der Wirkungsmechanismen von Impfstoffen zu leisten, und an neuen und altbewährten Impftechnologien zu forschen, um ein eingehenderes Verständnis für die Mechanismen der natürlichen und Impfstoff-getriggerten Immunprotektion zu erhalten. Wir sollten den Aufruf des Europarats als Chance für die Immunologie begreifen! 
Das aktuelle Heft beleuchtet das Thema „Impfen“ aus vielen unterschiedlichen Blickwinkeln. Es fasst Themen aus der Vergangenheit und Gegenwart zusammen und wagt einen Blick in die Zukunft. 

Autor
Isabelle Bekeredjian-Ding
Abteilung Mikrobiologie
Paul-Ehrlich-Institut