Wie unsere Ernährung das Immunsystem beeinflusst

Aus der Grundlagenforschung

Die dramatische Zunahme von chronisch-entzündlichen Erkrankungen wie z. B. Asthma, Allergien, Psoriasis und chronischen Entzündungen des Darmes ist eine der größten Herausforderung der Medizin in der westlichen Gesellschaft. Gleichzeitig beobachten wir eine wachsende Zahl an adipösen Patienten – bedingt durch Fehlernährung mit erhöhter Aufnahme von Kohlenhydraten und Fett. Zusätzlich sind Infektionen mit z. B. Würmern größtenteils verschwunden. Gerade diese beiden Komponenten – Ernährung und erhöhte Hygiene – stehen im Verdacht, chronische Entzündungen zu begünstigen; daher ist die Erforschung dieses komplexen Wechselspiels notwendig, um die zugrunde liegenden Mechanismen zu verstehen und neue Therapiemöglichkeiten für die Klinik zu entwickeln. Hier diskutieren wir einen Teil der jüngsten Literatur, welche sich damit befasst, wie Ernährung Immunantworten beeinflusst, und wie bestimmte Nahrungsbestandteile Effekte auf Immunzellen ausüben.
Schlüsselwörter: Immunmetabolismus, ketogene Diät, intermittierendes Fasten, Fettleibigkeit, chronische Entzündungsreaktionen

Fettleibigkeit – ein entzündlicher Zustand
Eine der gravierendsten Veränderungen des letzten Jahrhunderts in der westlichen Gesellschaft war die Umstellung der Ernährungsgewohnheiten. So stieg in den 70er- und 80er-Jahren die Abhängigkeit von verarbeiteten Lebensmitteln, gesüßten Getränken und unterwegs eingenommenen Mahlzeiten massiv an [1]. Dabei entwickelte sich Fettleibigkeit zu einem rasant ansteigenden Problem in den Industrieländern – begünstigt durch steigende Urbanisierung, mangelnde Bewegung und günstig hergestelltes Pflanzenöl, welches gerade in mittleren und einkommensschwachen Verhältnissen zu einer großen Energiezufuhr in Fettform führte [2, 3]. Aktuelle Zahlen gehen davon aus, dass 2008 weltweit ca. 1,5 Milliar­den Menschen übergewichtig oder fettleibig waren und bis 2030 die Zahl auf 2,16 übergewichtige und 1,12 Milliarden fettleibige Menschen ansteigen wird [1, 4]. Gleichzeitig mit diesem massiven Anstieg geht auch die erhöhte Zahl von Patienten mit Adipositas-assoziierten Erkrankungen wie z. B. Diabetes oder dem metabolischen Syndrom, aber auch mit einer Anfälligkeit für Infektionskrankheiten einher [5]. Ein gemeinsames Merkmal hierbei ist eine niedriggradige Entzündung mit einer chronisch erhöhten Konzentration von proinflammatorischen Zytokinen, welche zu veränderten Leukozytenzahlen im Blut und in Geweben sowie zu zellabhängigen Immunreaktionen führt. Dies verdeutlicht die Verbindung zwischen lokalen Entzündungsreaktionen im Fettgewebe und Immunsystem im Allgemeinen [6].
In den letzten 15 Jahren hat sich die Forschung auf diese Beobachtungen fokussiert und die Effekte auf das Immunsystem untersucht [7]. So zeigen Mäuse, welche mit einer „high fat diet“ gefüttert wurden, dass der Thymus schneller zurückgebildet wurde, die Zahl apoptotischer T-Zellen stieg, die Diversität des T-Zell-Rezeptor-Repertoires (TZR) zurückging und gleichzeitig die Anzahl von Effektor-T-Zellen in der Milz zunahm, während sie in den Lymphknoten abnahm (Abb. 1) [8–10]. Dieses beschleunigte Altern des Immunsystems könnte somit zu häufigeren Infektionen oder Krebserkrankungen führen. Zusätzlich veränderte sich auch die Qualität der Immunreaktionen, sodass im Fettgewebe klassische entzündungsfördernde Makro­phagen zunahmen, während alternativ-aktivierte Makrophagen, die eher mit Reparaturfunktionen in Verbindung gebracht werden, verschwanden [11–13]. Insgesamt waren mehr Typ-1-T-Helferzellen (Th1), gekennzeichnet durch Expression des Transkriptionsfaktors T-bet und des entzündungsfördernden Leit­zyto­kins Interferon-γ, im Fettgewebe vorhanden, bei gleichzeitigem Verlust von regulatorischen T-Zellen [14, 15]. Ähnliche enorme Veränderungen wurden in adipösen Patienten beobachtet. So war z. B. die Balance zwischen peripheren CD4+- und CD8+-T-Zellen in Richtung der CD4+-Zellen verschoben, und diese Zellen differenzierten präferentiell in Th1-Zellen im Fettgewebe [16, 17]. In PBMC (mononukleäre Zellen des peripheren Blutes wie Lymphozyten und Monozyten) hingegen wurde eine konstante Aktivierung von NF-κB be­obachtet, die in der verstärkten Expression von proinflammatorischen Genen wie z. B. Interleukin-(IL)-6, Tumor­nekrose­faktor-α (TNF-α), MIF und MMP-9 resultierte [18]. Diese Veränderungen wiederum führen zu einer großen Anzahl von gravierenden Nebeneffekten: Die Gefahr von Impfversagen z. B. gegen Tetanus, Hepatitis B oder Influenza steigt an, während auch die Anfälligkeit für Infektionen und chronische entzündliche Erkrankungen wie z. B. Asthma, Morbus Crohn und Colitis ulcerosa wächst (Abb. 1) [19–26]. Bemerkenswerterweise lassen sich einige der beobachteten Effekte wie die Expression von entzündungsfördernden Genen oder die Imbalance zwischen CD4+- und CD8+-T-Zellen durch Gewichtsreduktion umkehren, jedoch bleibt der Organismus dauerhaft umprogrammiert, wie epigenetische Daten beweisen [27–29]. So wurde im Mausmodell gezeigt, dass auch nach Ernährungsumstellung von einer ungesunden „westlichen Diät“ hin zu einer ausgewogenen Nahrung das Potential von myeloiden Zellen und ihren Vorläufern, Entzündungsreaktionen auszulösen, erhöht blieb [29].
Um dem wachsenden Problem der ernährungsabhängigen und entzündlichen Erkrankungen in der westlichen Gesellschaft entgegenzutreten, ist es jedoch von grundlegender Bedeutung zu verstehen, welche Stoffwechselwege und Nahrungsbestandteile das Immunsystem und seine Funktionen steuern, um neue Therapiemöglichkeiten entwickeln zu können.

Immunmetabolismus – welche Stoffwechselwege werden von Immunzellen verwendet?

Nahrung ist eine komplexe Mischung aus Zuckern, Fetten, Aminosäuren, Vita­minen und Spurenelementen wie z. B. Metallen. Lange Zeit wurde den Effekten von Nahrungsbestandteilen auf das Immunsystem kaum Beachtung geschenkt. Neueste Erkenntnisse auf dem Feld des Immunmetabolismus zeigen uns jedoch, wie viel das Wissen um den Stoffwechsel von Immunzellen zum besseren Verständnis von Entzündungsreaktionen beiträgt. So verlassen sich z. B. ruhende, naive T-Zellen auf die Oxidation von Fettsäuren (β-Oxidation) und oxidative Phosphorylierung (OXPHOS) (Abb. 2) – ein Prozess, der den Fluss von Elektronen durch mehrere membranständige Proteine in den Mitochondrien beschreibt. Dieser ist zur Energiegewinnung in Form von ATP-Molekülen notwendig [30]. Werden sie jedoch durch Antigenkontakt aktiviert, verändert sich der Stoffwechsel, um den hohen Energiebedarf zu decken, der für Wachstum, Proliferation und Zytokinherstellung benötigt wird (Abb. 2) [31, 32]. Dafür verwenden die Zellen aerobe Glykolyse, ein Prozess, bei dem weniger ATP-Moleküle produziert werden, der jedoch deutlich schneller abläuft und zusätzliche Bausteine für das Zellwachstum bereitstellt [32]. Nach erfolgreicher Eliminierung des Antigens findet ein Abklingen der Entzündungs­reaktion statt und es kommt zur Bildung von langlebigen Gedächtnis-T-Zellen. Im Gegensatz zu akut aktivierten T-Zellen betreiben diese Gedächtnis-T-Zellen vor allem mitochondriale β-Oxidation [32]. Auch in klassischen proinflammatorischen Makrophagen und dendritischen Zellen führt eine Aktivierung mit Lipopolysaccharid (LPS) zur Verwendung von Glykolyse (Abb. 2) [33, 34]. Ein Schlüsselenzym ist hierbei die Pyruvatkinase M2 (PKM2). Während es in M1-Makrophagen als Dimer proinflammatorische Gene aktiviert, kann das Enzym in seiner tetra­merischen Form nicht in den Zellkern wandern, sodass Makrophagen in einen anti­inflamma­torischen Phänotyp differenzieren [35]. Aus diesem Beispiel lässt sich ableiten, dass Schlüsselenzyme und Programme des Stoffwechsels Immunzellen instruieren können, entzündungsfördernde oder antiinflammatorische Funktionen auszuführen. Ein weiteres Beispiel hierfür sind IL-4-induzierte alternativ-aktivierte Makrophagen, in denen Fettsäuren oxidiert werden, was von den Transkriptionsfaktoren „signal transducer and activator of transcription 6“ (STAT6) und „PPARγ-co-activator 1β“ (PGC1β) dirigiert wird und dazu beiträgt, inflamma­torische Signale zu unterdrücken [36, 37]. Ebenso kann man in Typ 2 angeborenen lymphoiden Zellen (ILC2), gewebsständigen Immunzellen im Darm, beobachten, dass Fettsäuren wichtig sind, um parasitäre Würmer auszustoßen, während die Verwendung von aerober Glykolyse in ILC2 dazu führt, dass chronische und akute Entzündungsreaktionen in der Lunge begünstigt werden [38, 39]. Im Allgemeinen lässt sich festhalten, dass Glykolyse vor allem in inflammatorischen und schnell proliferierenden Immunzellen zu finden ist, und langlebige und antiphlogistische Zellen zu β-Oxidation neigen. Dies könnte eine Erklärung dafür sein, warum gerade im Kontext von Überernährung mit einem großen Anteil von Kohlenhydraten verstärkte Entzündungsreaktionen beobachtet werden. Eine reine Verwendung von Fetten für Immunfunktionen hingegen scheint eher eine entzündungshemmende Wirkung zu entfalten.
Die oben erwähnten und weitere, bereits beschriebene Effekte, wie der Stoffwechsel von Immunzellen ihre Funktion beeinflusst, könnten die Grundlage dafür bilden, andere Ernährungsempfehlungen als Therapiemöglichkeiten für entzündliche Erkrankungen zu untersuchen. Tatsächlich stehen einige von diesen speziellen Ernährungsregimen aktuell in einem besonderen Fokus, und eine Fülle von wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt sich damit, den vermeintlich positiven Effekten eine systematisch untersuchte und fundierte Basis zu bieten. Zu diesen besonderen Diäten gehören das sog. Intervallfasten und die ketogene Diät, die im Folgenden diskutiert werden.

Intervallfasten – neue Hoffnung

zur Behandlung von chronischen entzündlichen Krankheiten
Das intermittierende Fasten (auch Intervallfasten) ist eine Strategie, bei dem der normale Essens- und Getränkekonsum durch Phasen des Fastens unterbrochen wird. Das Ziel ist es, eine Netto-Reduktion der Energieaufnahme zu erreichen, wodurch eine negative Energiebilanz entsteht und ein Gewichtsverlust ausgelöst wird [40].
Verschiedene Studien, in denen das intermittierende Fasten durchgeführt wurde, konnten eine signifikante Reduktion des Körpergewichts und des Blutdrucks bei übergewichtigen Teilnehmern zeigen. Gleichzeitig verbesserte sich das Blutbild und die Konzentrationen von Entzündungsmarkern im Blut sank ab (Abb. 1) [41–43]. Fasten kann somit als Regulator des Immunsystems dienen, da es die Ausschüttung entzündlicher Zytokine im Körper steuert. Zwei dieser Zytokine, IL-6 und TNF-α, fördern Entzündungen im Körper; wissenschaftliche Arbeiten haben gezeigt, dass Fasten die Freisetzung dieser Mediatoren reduziert [44–46]. Weiterhin wurde in Mäusen demonstriert, dass es zur Reduzierung der Schübe in einem Modell für Multiple Sklerose (MS) führen kann (Abb. 1). Positive Effekte sind ebenfalls bei rheumatoider Arthritis zu verzeichnen, bei Typ-1-Diabetes, wo es bei der Regulierung des Blutzuckers hilft, oder auch bei Asthmatikern, bei denen die Aktivierung von Th2-Zellen unterdrückt wird (Abb. 1) [47–49]. Das Intervallfasten kann die Immunseneszenz, charakterisiert durch fortschreitende Abnahme der Immunfunktion mit zunehmendem Alter, hinauszögern, wie aus einer Veröffentlichung hervorgeht, in der sich die Zahl der hämatopoetischen Stammzellen durch eine Fasten-imitierende Diät verfünffachte (Abb. 1) [48]. Weitere Untersuchungen deuten an, dass starke Veränderungen in den Stoffwechselwegen und zellulären Prozessen wie z. B. Stressresistenz, Lipolyse und Autophagie stattfinden. Somit kann eine durch Fasten bedingte Veränderung des Stoffwechsels potentiell medizinisch genauso wirksam sein wie zugelassene Medikamente [47, 50–51]. Jedoch gibt es auch Studien, die andeuten, dass Fastenregime negative Effekte auf die Gesundheit haben könnten. So wurde in einer Studie gezeigt, dass das Auslassen des Frühstücks zu einem erhöhten Insulinspiegel im Blut führte, der über einen langen Zeitraum womöglich zu einer niedriggradigen Entzündung und einem gestörten Glukosestoffwechsel führen könnte [52].

Ketogene Diät – heilende Ketose

Eine weitere Ernährungsmethode, um entzündliche Reaktionen im Körper zu unterdrücken, ist die ketogene Diät. Diese besondere Form der Ernährung besteht hauptsächlich aus Fett, mit einem typischen Verhältnis von 4 : 1 zu Kohlenhydraten und Proteinen zusammen. Dadurch wird der Körper gezwungen, hauptsächlich Fette zur Energiegewinnung zu nutzen. Zunächst werden alle Glykogenvorräte in der Leber abgebaut, um den Blutzuckerspiegel aufrechtzuerhalten und das Gehirn weiterhin zu versorgen. Im Menschen sind die Glykogenspeicher nach ungefähr 24 Stunden verbraucht, was die Leber verstärkt dazu zwingt, Ketonkörper aus Fetten herzustellen, welche u. a. vom Gehirn als Energiequelle verwendet werden [53]. Ketonkörper lösen somit Kohlenhydrate als primäre Energiequelle ab und simulieren dem Körper, dass er in einem Fasten­zustand ist. Dieser erwünschte Stoffwechselzustand nennt sich Ketose, welcher vor allem durch die erhöhte Konzentration von Ketonkörpern im Blut und Extra­zellularraum über die Normwerte gekennzeichnet ist.
Ursprünglich wurde diese Diät entwickelt, um epileptische Anfälle bei Kindern zu unterdrücken, doch inzwischen wurde sie auch im Kontext anderer neurologischer Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson untersucht (Abb. 1) [53, 54]. Jüngste Studien legen nahe, dass auch in einem Tiermodell für MS eine ketogene Ernährung zur Verbesserung der Symptome beiträgt (Abb. 1) [55]. Die Effekte werden vor allem auf eine verbesserte Funktion der Mitochondrien, verringerten oxidativen Stress, Aktivierung von ATP-sensitiven Kalzium­kanälen und Inhibition der Glykolyse zurückgeführt [56, 57]. Zusätzlich werden positive Effekte auf die Lebensspanne erwähnt [58]. Auch Krebsforscher und Ärzte entdecken die ketogene Diät als Therapie für verschiedene Krebsarten. Dabei wird die Besonderheit von Krebszellen ausgenutzt, hauptsächlich über den Warburg-Effekt Energie zu erzeugen. Da die Verfügbarkeit von Kohlenhydraten durch eine ketogene Diät erheblich reduziert wird, scheint diese Intervention besonders erfolgreich zu sein, was durch eine Fülle von Studien untermauert ist [59, 60].
Aus den vorliegenden Erkenntnissen kann man schließen, dass das intermittierende Fasten und eine ketogene Ernährung effektive Ernährungsstrategien sind, um die Gesundheit zu fördern und das Risiko vieler Erkrankungen zu senken. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob solche Nahrungsempfehlungen bei allen Erkrankungen das gleiche therapeutische Potential entfalten können, da noch nicht abschließend geklärt ist, ob tatsächlich durch das Angebot an Nährstoffen die Stoffwechselwege in Immunzellen beeinflusst werden können oder wie bestimmte Nahrungsbestandteile zum drastischen Anstieg von Entzündungserkrankungen beitragen. Somit braucht es weitere Studien, um dieses Wissen zu erweitern und so neue Therapiemöglichkeiten für die Klinik zu etablieren.  

Autoren
Alexander Kazakov, M. Sc.
Schekufe Kharabi Masouleh, M. Sc.
Abteilung für Immunpathologie, Institut für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie, Universitätsklinikum Bonn
Prof. Dr. Christoph Wilhelm
Abteilung für Immunpathologie, Institut für Klinische Chemie und Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie
Universitätsklinikum Bonn
Aus der Rubrik