Tab. 1: Wichtigste Laborparameter für die Diagnostik und Therapie rheumatologischer Erkrankungen.

Parameter

Hintergrund

Laborspezifika

Rheumatologische Erkrankung (Häufigkeit des Vorkommens)

Bedeutung in der Diagnostik und Therapie

Literatur

Rheumafaktor (RF)

Antikörper gegen körper­eigene andere Antikörper

Immunoassays wie Nephelometrie oder ELISA

Meist Bestimmung von Isotyp IgM-RF

Rheumatoide Arthritis (RA) (26–90 %)

Kryoglobulinämie Typ II und III (40–100 %)

Sjögren-Syndrom (75–95 %)

MCTD (50–60 %)

Systemischer Lupus (SLE) (15–35 %)

Autoimmun-Myositis (5–10 %)

Sarkoidose (15 %)

Können bereits Jahre vor Erkrankungsbeginn nachweisbar sein

Zeigt eher unspezifisch eine chronische Aktivierung des Immunsystems an

RA: Spezifität ca. 85 %, Sensitivität 26–90 %

Höhere Titer haben einen höheren positiven prädiktiven Wert für eine RA.

RF können auch erhöht sein bei

Infektionen, z. B. HIV, Hepatitis B, Hepatitis C (54–76 %), TBC, Endokarditis,

hämatologischen Erkrankungen, z. B. Plasmozytom,

Malignomen, v. a. nach Bestrahlung und Chemo­therapie,

primär biliärer Zirrhose,

gesunden jungen Menschen (2–4 %),

gesunden älteren Menschen (3–25 %).

Ungeeignet als Aktivitätsmarker, regelmäßige Bestimmung nicht sinnvoll

Meist aggressiverer Verlauf bei seropositiver RA

Meist besseres Ansprechen auf B-Zell-gerichtete Therapien

Das bloße Vorliegen von RF ohne entsprechende Klinik ist keine Therapie-Indikation und nicht ausreichend für eine Diagnose.

[18–21]

Anti-zitrullinierte Protein-Antikörper (ACPA)

Autoantikörper gegen zitrullinierte Proteine

Zitrullin wird post-translational aus Arginin-Resten durch spezifische Enzyme (PAD, Peptidyl­arginin-Deaminasen) gebildet.

ELISA zur Detektion von

Antikörpern gegen

zyklisches zitrulliniertes Peptid (CCP),

mutiertes zitrulliniertes Vimentin (MCV)

Bei Detektion von Anti-CCP handelt es sich um einen artefiziellen Test, eine Art Screening auf verschiedene ACPA, die im Körper gegen verschiedene posttranslational modifizierte Proteine gerichtet sein können.

RA

SLE und primäres Sjögren-Syndrom (17 %)

Psoriasis-Arthritis (PsA) (8–16 %)

Können bereits Jahre vor Erkrankungsbeginn nachweisbar sein

Rheumatoide Arthritis

Sensitivität           /     Spezifität

CCP2             41,0–74,8 %      /      91,0–100 %

CCP3             77,5–78,8 %      /      87,8–96,6 %

CCP3.1         74,0–83,0 %      /      89,6–98,3 %

Möglicherweise auch nachweisbar bei:

aktiver Tuberkulose (sehr variabel),

COPD (5 %)

Nicht geeignet als Verlaufsparameter, eine engmaschige Kontrolle ist nicht sinnvoll.

Meist aggressiverer Verlauf bei ACPA+

Bei Nachweis von CCP + RF erhöht sich das relative Risiko für eine RA auf 70 %.

Meist besseres Ansprechen von B-Zell-gerichteten Therapien

Das bloße Vorliegen von CCP-Antikörpern ohne entsprechende Klinik ist keine Therapie-Indikation und nicht ausreichend für eine Diagnose.

[22, 23]

Blutsenkung (BSG)

Bei Erhöhung von meist positiv geladenen Pro­teinen (z. B. akute Phase, Immunglobuline) werden negative Ladungen der Erythrozyten-Oberfläche neutralisiert. Es kann zur Geldrollenbildung kommen, und die Erythrozyten sinken schneller zu Boden. 

Rate (mm/1. Stunde), mit der Erythrozyten im Plasma in einem senkrecht stehenden Röhrchen alleine durch die Gravitation zu Boden sinken

Korreliert sehr gut mit Fibrinogen-Spiegeln

Höheres Alter, weibliches Geschlecht, höherer BMI und Schwangerschaft erhöhen die BSG unspezifisch

Normwerte (Westergren)

Mann: 0–15 mm/h

Frau: 0–20 mm/h

Kind: 0–10 mm/h

Adjustierte BSG-Norm

Mann: ca. Alter/2 [mm/h]

Frau: ca. BSG-Mann + 5

Eine dominante BSG-Erhöhung (BSG >> CRP) liegt oft bei Kollagenosen (z. B. systemischer Lupus) vor (25 %).

 

Stark erhöhte Werte können auch bei Polymyalgia rheumatica gefunden werden.

 

Auch erhöht bei Arthritis, Serositis und Vaskulitis

Unspezifischer Marker für eine Veränderung der Protein­zusammensetzung des Blutes als Hinweis auf das Vorliegen einer Erkrankung

Erhöht, z. B. bei

Infektionen (bakteriell 33 %),

Malignomen (17 %),

renalen Erkrankungen (17 %),

Erhöhung der Immunglobuline, z. B. Plasmozytom, MGUS, Waldenström,

Gicht, Pseudogicht

Erniedrigt, z. B. bei

niedrigem Fibrinogen,

niedrigen Immunglobulinen,

ausgeprägter Polyzytämie (erhöhte Blutviskosität),

Sichelzellerkrankung (Geldrollenbildung erschwert),

Sphärozytose (Geldrollenbildung erschwert)

Veränderungen der BSG können als Aktivitätsmarker verwendet werden; BGS verändern sich aber relativ langsam.

Bei isolierter Erhöhung ohne CRP kann eine Überproduktion von Immunglobulinen (z. B. Sjögren-Syndrom, Plasmozytom, MGUS) vorliegen.

[18, 24, 25]

C-reaktives Protein (CRP)

CRP ist ein pentameres Protein aus 23-KD schweren Untereinheiten. Es wird im Rahmen der angeborenen Immunität durch Zytokine wie IL-6 getriggert, in der Leber synthetisiert und hat pro- und antientzündliche Eigenschaften. Es ist ein wichtiges Akute-Phase-Protein und trägt u. a. zur Beseitigung von apoptotischen Zellen bei.

Bestimmung durch Immunoassays,
z. B. Nephelometrie

Aktive Arthritis/Enthesitis, z. B. bei RA, Spondyloarthritis (SpA), PsA

Serositis, z. B. bei SLE

CAVE: Bei SLE ohne Serositis meist wenig erhöht

Aktive Vaskulitis

Unspezifischer Entzündungsmarker bei Aktivierung der angeborenen Immunität

Als Aktivitätsmarker geeignet

Fällt und steigt schneller als BSG

Bei SLE (ohne Serositis) zeigt ein erhöhtes CRP oder PCT eine Infektion an, nicht Krankheitsaktivität.

Wenig erhöht (< 10 mg/l), z. B. bei

Periodontitis,

Adipositas

Deutlich erhöht (> 60–80 mg/l), z. B. bei

Infektionen,

Gicht, Pseudogicht,

septischer Arthritis,

nach Operationen,

metastasierten Malignomen,

Trauma,

Verbrennungen

Höheres Alter, weibliches Geschlecht und hoher BMI erhöhen CRP unspezifisch.

Adjustiertes CRP:

Mann: CRP max. Alter/5 [mg/l]

Frau: CRP-Mann + 6 [mg/l]

[18, 24–33]

Antinukleäre-Antikörper-Immunfluoreszenztest (ANA-IFT)

Es handelt sich um antinukleäre Autoantikörper im Patientenserum gegen verschiedene Antigene im Zellkern.

HEP2-Zellen werden mit Patientenserum inkubiert und potenziell gebundene Antikörper dann mit einem Fluoreszenz-markierten sekundären Antikörper gegen humane IgG gegengefärbt. Unter dem Fluoreszenzmikroskop wird subjektiv bestimmt, ab welcher Vorverdünnung des Patienten die Fluoreszenz gerade noch erkennbar ist (ANA-Titer). Zusätzlich wird das Muster der Fluoreszenz beschrieben, idealerweise nach den standardisierten Vorgaben der International Consensus on Antinuclear Antibody (ANA) Patterns (ICAP) (www.ANApatterns.org).

Auch zytoplasmatische Muster können beschrieben werden.

Kollagenosen

Grobe Unterteilung:

Homogen: DD SLE

Granulär: DD Sjögren

Zytoplasm.: DD Myositis

Zentromere: DD systemische Sklerose (SSc)

ANA-Titer sind nicht geeignet als Verlaufsparameter/Aktivitätsmarker, obwohl 10–15 % der behandelten SLE-Patienten ANA-negativ werden können.

Auch unter Dialyse bei SLE-Nephritis werden ca. 50 % der SLE-Patienten ANA-negativ.

ANA-Muster sind zwar hinweisend auf bestimmte Antigene, alleine aber nicht ausreichend für eine Diagnose.

Bei passender Klinik können auch niedrige ANA-Titer eine Autoimmunerkrankung bestätigen; umgekehrt sind auch höhere ANA-Titer ohne weitere Klinik weder therapierechtfertigend noch diagnosesichernd.

CAVE: SS-A-Antigen kann in HEP2-Zellen unterrepräsentiert sein. Das heißt, bei V. a. Sjögren oder SLE kann auch bei negativem ANA eine ENA-Differenzierung sinnvoll sein. 

[18, 34]

Komplementkomponenten C3, C4

Das Komplementsystem ist ein wichtiger Teil des angeborenen Immun­sys­tems. Durch Aktivierung des Komplementsystems, z. B. nach Bindung von Komplementfaktoren an Antigen-Antikörperkomplexe, kann es zu einem Verbrauch von Komplementfaktoren kommen, der bestimmt werden kann. C3 ist Teil aller Aktivierungswege einschließlich des alternativen Weges, C4 ist Teil des klassischen und des Lectin-Weges.

Immunoassays wie Nephelometrie und Turbidimetrie

Erniedrigtes C3 und C4:

SLE (50 %)

Vaskulitis, v. a. Polyarteriitis nodosa, urtikarielle Vaskulitis (50 %)

Erniedrigtes C4 (nicht hereditär):

Kryoglobulinämie

Die Bestimmung der Komplementfaktoren C3 und C4 hat in der Rheumatologie einerseits einen diagnostischen Wert, dient andererseits aber auch der Einschätzung der Krankheitsaktivität, beispielsweise bei Kollagenosen, hier v. a. SLE mit Nierenbeteiligung (meist C4 und c3 erniedrigt) oder der kryoglobulinämischen Vaskulitis (meist nur C4 erniedrigt).

Eine alleinige Erniedrigung von C4 kann auch auf einen genetisch bedingten C4-Mangel mit Risiko der Entwicklung einer Autoimmunerkrankung hindeuten (SLE-ähnliche Erkrankungen), muss aber per se nicht das Vorliegen einer Erkrankung bedeuten.

Komplementfaktoren können auch bei reduzierter Synthese in der Leber und Proteinverlust über die Niere erniedrigt sein.

[18, 40, 41]

ENA-Differenzierung

Anti-dsDNA (gegen Doppelstrang-DNA)

Muster AC-1 (homogen)

Anti-U1 RNP (gegen ribonukleare Proteine)

Muster AC-5

(grob gesprenkelt)

Anti-Sm (gegen Smith-Antigen; Stephanie Smith war eine SLE-Patientin)

Muster AC-5

(grob gesprenkelt)

Anti-SS-A (gegen RO-Antigene, Ro52 [TRIM21] und Ro60 [Ribonukleoprotein])

Muster AC-4

(fein gesprenkelt)

Anti-SSB (gegen La-Antigene; Transkriptionsfaktor für RNA-Polymerase-III)

Muster AC-4

(fein gesprenkelt)

Antizentromer (gegen Zentromere)

Antihiston (gegen Histone)

Muster AC-1

(homogen)

Anti-SCL-70 (gegen Topoisomerase I)

Muster AC-29

(Kombinationspattern)

Anti-tRNA (Antisynthetase-Antikörper, z. B. Jo-1)

Muster AC-20

(zytoplasmatisch, fein gesprenkelt)

Immunoassays (ENA-Screen, ELISA)

SLE (60 %)

 

Mixed Connective Tissue Disease (MCTD)

SLE (30 %)

SSc (niedriger Titer)

SLE (30 %)

SLE (30 %)

Sjögren-Syndrom (70 %)

Subakuter kutaner Lupus (SCLE)

Neonataler Lupus
(CAVE: Herzblock)

SLE (15 %)

Sjögren-Syndrom (60 %)

Limitierte Form der Sklerodermie, z. B. CREST-Syndrom (98 %)

Diffuse Sklerodermie (ca. 30 %)

Drug-induced Lupus

Systemische Sklerose (22–40 %)

Autoimmunmyositis (20–30 %)

Hohe Spezifität für SLE und bedingt geeignet als Krankheitsaktivitätsmarker 

Bei hohen Titern ist eine MCTD sehr wahrscheinlich.

Sehr hohe Spezifität für SLE

Sm-Antikörper bleiben trotz Remission nachweisbar (kein Aktivitätsmarker); hilfreich für Diagnose unter Therapie.

Sensitivität 70 %

 

Hohe Spezifität, aber geringe Sensitivität

SCL-70-positive Patienten haben häufiger eine Lungenbeteiligung (SSc-ILD).

Zeigen ein zytoplasmatisches Muster in der ANA-IFT, weshalb sie bei Fokus auf nukleäre Antikörper nicht übersehen werden sollten

Meist auch Lungenbeteiligung

[18, 35–37]

Antineutrophile zytoplasmatische Antikörper (ANCA)

Antikörper gegen zytoplasmatische Antigene in Neutrophilen. Durch Ethanol-Fixierung wandern einige dieser Antigene an den Zellkern (p-ANCA), einige nicht (c-ANCA). Diese ensprechen meist bestimmten Antigenen: cANCA  Proteinase 3 (PR3) (85 %), p-ANCA  Myeloperoxidase (MPO), a-ANCA  Kathepsin G (BPI)

Patientenserum wird auf Ethanol-fixierte Neutrophile (und Kontrollen, z. B. Leber Formalin-fixierte Neutrophile, HEP-2-Zellen) gegeben und mit einem sekundär Fluoreszenz-markierten Antikörper gegengefärbt. Der Titer wird wie bei der ANCA-IFT über Verdünnung des Serums bestimmt.

Bei der ANCA-IFT werden meist drei Muster mit Titer angegeben: zytoplasmatisches (c-ANCA), perinukleäres (p-ANCA) und atypisches (a-ANCA). 

Der ANCA-IFT wird bei der Diagnostik der Vaskulitis zunehmend von der direkten Bestimmung der Anti-Proteinase-3 (PR3)- und Anti-Myeloperoxidase (MPO)-Antikörper über Immunoassays abgelöst.

Je nach Definition subsumiert man unter atypischen ANCA nicht passende Fluoreszenzmuster (z. B. perinukleäre Fluoreszenz in Formalin-fixierten Zellen und/oder gleichzeitiges Vorliegen von c- und p-ANCA) oder andere Zielantigene außer PR3 und MPO. 

Granulomatose mit Polyangiitis (GPA):

Anti-PR3 (90 %)

Anti-MPO (kaum)

Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA):

Anti-PR3 (35 %)

Anti-MPO (35 %)

Mikroskopische Polyangiitis (MPA):

Anti-PR3 (20–40 %)

Anti-MPO (50 %)

Bei der GPA kann der Anti-PR3-Titer mit der Aktivität korrelieren. Ein wieder ansteigender Titer erhöht das Risiko eines erneuten Schubs. Bei depletierten B-Zellen und keinem Nachweis von Anti-PR3 ist eine Krankheitsaktivität dagegen sehr unwahrscheinlich.

ANCA auch erhöht bei Pauci-immun-Glomerulonephritis

Anti-PR3 (20–40 %)

Anti-MPO (50 %)

Zystische Fibrose

a-ANCA (meist Anti-BPI, 80 %)

a-ANCA oder p-ANCA (nicht MPO) kann bei chronisch-entzündlicher Darmerkrankung, primär sklerosierender Cholangitis, rheumatoider Arthritis, Kokain-induzierter Vaskulitis, Auto­immunhepatitis sowie Infektion mit Parasiten vorkommen.

Eine p- und c-ANCA-Positivität sollte an eine drogen- oder medikamenteninduzierte Vaskulitis denken lassen.

ANCA sind direkt an der Pathophysiologie der Vaskulitis beteiligt, da sie über Bindung an Neutro­phile, Bindung an Komplement und schließlich Autoaktivierung von Komplement­rezeptoren Neutrophile unkontrolliert aktivieren.

[38–40]