Laborrobotik: Kann ein Roboter das Laborpersonal entlasten?

In Zeiten des Personalmangels im MTL-Bereich wird zunehmend der Einsatz von flexiblen Gelenkrobotern diskutiert, um insbesondere in kleinen Laboren außerhalb der Kernzeiten den Betrieb aufrecht erhalten zu können. Am Elbland-Klinikum Meißen läuft derzeit eine Machbarkeitsstudie – mit durchaus ermutigenden Ergebnissen.

Schlüsselwörter: Laborautomation, Robotik, Personalmangel

Beim Thema Laborautomation denken die meisten in erster Linie an vollautomatisierte Laborstraßen. In der höchsten Ausbaustufe werden die Proben dort auf einer Seite in eine Schütte gegeben und ohne weitere manuelle Interaktion nach der Analyse in ein angeschlossenes Probenarchiv transportiert. Seit es die Computertechnik des letzten Jahrhunderts ermöglicht hat, auch komplexe Arbeitsabläufe zu automatisieren, prägen solche hochgradig konsolidierten Systeme den Arbeitsalltag. Das Messen einzelner Proben mit Pipette und Photometer ist zwar immer noch Teil der Ausbildung, gehört aber in der Praxis des Routinelabors inzwischen ins Reich der „Laborromantik“.

Mangel an Arbeitskräften

Wenn in unserer Branche jemand Bedenken äußert, dass Arbeitsplätze durch Automatisierung, Robotik oder Künstliche Intelligenz wegfallen könnten, dann kann man meiner Meinung nach nur entgegnen, dass allein der Gedanke daran schon ein Luxus ist, den wir uns nicht mehr leisten können. Die medizinischen Labore in Deutschland leiden unter Fachkräfte­mangel, und daher sollte die wertvolle Ressource menschlicher Arbeitskraft nicht mit monotonen und repetitiven Tätigkeiten verschwendet werden.

Während die aktuelle Laborautomation in der Regel auf möglichst hohen Durchsatz ausgelegt ist, können kleine Routinelaboratorien, wie sie in vielen Krankenhäusern der Regelversorgung existieren, davon nur wenig profitieren. Sie haben außerhalb der Stoßzeiten nur geringe Probenmengen zu verarbeiten (Abb. 1), die aber dennoch Fachpersonal binden – Personal, das schlichtweg nicht verfügbar ist.

Solche Labore kämpfen damit, durchgehende Nacht- und Wochenendschichten zu besetzen, und deshalb versuchen aktuell mehrere Robotikunternehmen, diese Nische zu füllen.

 

Laborautomation versus Laborrobotik

Der klassische Ansatz der Laborautomation des 20. Jahrhunderts, der auch heutzutage noch in den meisten kleineren Laboren verwendet wird, begann mit Geräten, auf deren Probentellern oder -racks die Primärgefäße nach manueller Eingangskontrolle und gegebenenfalls Zentrifugation platziert wurden.

Um die Jahrtausendwende kamen spezialisierte Probenverteiler hinzu, die einige manuelle Schritte der Präanalytik übernahmen. Sie verwenden in der Regel Dreiachsen-Greifer und Förderband­systeme, ergänzt durch Barcodeleser, Kameras zur Erkennung des Probentyps, Füllstandsmessung und Zentrifuge sowie gegebenenfalls Module für das Öffnen und Wiederverschließen der Primärgefäße und die Aliquottierung in Sekundärgefäße.

Im Gegensatz dazu setzt die Labor­robotik, von der in diesem Beitrag die Rede ist, nun auf Roboterarme mit sechs oder mehr Freiheitsgraden, die ähnlich einem menschlichen Arm mit Schulter-, Ellenbogen- und Handgelenk komplexe Bewegungen ausführen können. Durch auswechselbare Effektoren („Hände“) wird der Funktionsumfang deutlich erweitert, sodass beispielsweise auch Umverpackungen geöffnet werden können.

Es ist wichtig zu betonen, dass die klassischen Probenverteiler mit ihrer einfachen „kartesischen“ Robotik als Stand-alone-Geräte leicht zu installieren sind und sofort in Betrieb genommen werden können. Dagegen benötigen flexible Gelenkroboter, die auch komplexe Arbeitsabläufe von der Bedienung einer Zentrifuge über die Beschickung des Analysegeräts bis zur Archivierung der Proben beherrschen, einen ungleich aufwendigeren Planungs- und Installationsprozess, um ihr volles Potenzial auszuschöpfen (vergleiche Tabelle 1).

Tab. 1: Stärken und Schwächen verschiedener Automationsszenarien.

Klassische Automation

Laborrobotik

Stärken

Stärken

Höherer Durchsatz

Anpassungsfähigkeit an individuelle Arbeitsabläufe

Einfache Installation

Räumliche Flexibilität

Einfache Planung

Hybrid-Betrieb (Mensch/Roboter) möglich

Schwächen

Schwächen

Prozesse müssen an die Automation angepasst werden

Langsamer als klassische Automation

Für kleine Labore oft überdimensioniert

Höherer Planungs- und Installationsaufwand

Eine Machbarkeitsstudie

Wir starteten Mitte 2022 ein Automa­tionsprojekt in einem unserer Krankenhauslabore mit rund 600 Aufträgen am Tag. Unser Ziel war es, zunächst die Machbarkeit der Roboterunterstützung in der Präanalytik zu prüfen und bei positivem Ausgang gegebenenfalls menschliche Arbeitskraft im Nacht- und Wochenenddienst auf eine externe Überwachung des Roboters mit Rufbereitschaft zu reduzieren. Im Rahmen der Machbarkeitsstudie (Stufe 1) sollte der Roboterarm zunächst die Rolle eines klassischen Probenverteilers inklusive Zentrifugation übernehmen (Abb. 2).

Wir skizzierten dem Robotikpartner unsere Vorstellungen zunächst nur grob und diskutierten räumliche Details der Abläufe bei einem Vor-Ort-Termin. Unser Labor verfügt über einen kleinen Vorraum mit einer Durchreiche, der sich ideal für eine Roboterzelle zu eignen schien. Bei der Spezifikation der zu verarbeitenden Materialien, der einzelnen Verarbeitungsschritte und der verschiedenen Arten der Ausgabe stellten wir fest, dass die einzelnen robotischen Komponenten nicht neu entwickelt werden mussten, sondern aus einer Art Katalog zusammengestellt werden konnten.

Nach der Planung erhielten wir eine dreidimensionale Modelldarstellung der Anlage, auf deren Basis wir den Auftrag zur Installation erteilten. Von der Planung bis zur Produktion der Anlage verging ungefähr ein halbes Jahr – eine relativ lange Zeit, die teilweise auf allgemeine Lieferkettenprobleme nach der Corona-Pandemie zurückzuführen war, da einzelne Komponenten vorrangig für die Industrieautomatisierung benötigt wurden.

Die Installation erfolgte innerhalb weniger Tage und das System funktionierte beeindruckend gut direkt „out of the box“. Unser konkreter Workflow beinhaltet die Annahme einzelner Monovetten oder ganzer Transportracks über Schubladen, die dank vorhandener Sicherheitsmechanismen und einfacher Bedienung auch von nicht eingewiesenem Personal genutzt werden können. Der Roboter erkennt mithilfe eines 3D-Kamerasystems die einzelnen Proben und bringt sie zu einer weiteren Kamera für die Barcode- und Materialerkennung sowie die Füllstandsmessung.

Im nächsten Schritt werden die Proben entweder direkt auf die Analyzerracks verteilt, z. B. EDTA-Blut für die Hämatologie, oder zusätzlich noch zentrifugiert und/oder entdeckelt. Am Ende werden die fertig bestückten Analyzerracks in unserer vorläufigen Anordnung von Hand auf die einzelnen Geräte verteilt. Fehlerhafte Proben (Unterfüllung, quer geklebter Barcode u. ä.) werden vom Roboter auf ein gesondertes Rack zur späteren manuellen Bearbeitung aussortiert.

 

Erste Ergebnisse

Die Zusammenarbeit mit unserem Robotikpartner war sehr angenehm, und die Machbarkeitsstudie wurde mit einem positiven Ergebnis abgeschlossen. Gemeinsam konnten wir eine Lösung entwickeln, die unsere Erwartungen weitgehend erfüllte. Sicher gibt es weiterhin Abläufe, die man noch benutzerfreundlicher gestalten könnte, aber dies ist bei so neuartigen Konzepten durchaus normal.

Rückblickend betrachtet haben wir allerdings den Aufwand für die Feinplanung deutlich unterschätzt. Unsere Anlage funktioniert bei unserem geringen Probendurchsatz solide, hätte aber durch eine andere geometrische Anordnung noch deutlich performanter gestaltet werden können.

 

Nächste Schritte

Insbesondere fassen wir für die geplante Stufe 2 des Projekts eine lineare Proben­annahme und -prozessierung auf derselben Seite des Roboterarms ins Auge, was in der kleinen Robotikzelle (Abb. 2) aus baulichen Gründen nicht möglich war. Dabei soll der Roboter aus der Mitte heraus drei umstehende Analyzer bedienen, wie dies in Abbildung 3 schematisch dargestellt ist.

Während sich die reine Beschickung von Analyzern der klinischen Chemie, Hämatologie und Gerinnungsdiagnostik verhältnismäßig einfach umsetzen lässt, liegt die größere Herausforderung in der Integration des Roboters in den gesamten Arbeitsprozess. Neben einer sinnvollen Raumkonzeption müssen dazu auch sämtliche weitere Laborprozesse wie der externe Zugang zur Probenannahme oder die Verarbeitung von Sondermaterialien berücksichtigt werden.

 

Ausblick

Durch ein derartiges System wäre eine Ablösung der Mitarbeiterbesetzung in Satellitenlaboren zu Randzeiten, wie sie häufig in kleinen Krankenhäusern der Regelversorgung oder Fachkrankenhäusern zu finden sind, möglich. Auch die Etablierung weiterer Arbeitsabläufe wie die Bestückung eines Blutkulturautomatens wäre technisch möglich, und in einer finalen Ausbaustufe könnte man sogar an die Anbindung von immunhämatologischen Arbeitsabläufen bis hin zum Einkreuzen von Blutkonserven denken. Dies wäre allerdings nicht ohne menschliche Arbeit möglich, da die Validation des Prozesses von der (manuellen) Vorbereitung der Blutkonserven bis hin zur Freigabe und Ausgabe hohen medizinischen Standards genügen muss.

Zusammenfassend erwarten wir in absehbarer Zukunft eine deutliche Entlastung des Personals und auf lange Sicht sogar eine Vollautomation kleiner Standorte außerhalb der Kernzeiten. Die Mitarbeiterbindung würde sich dadurch auf die Einsenderbetreuung und Bearbeitung von Sonderanforderungen sowie Validation, Wartung und Qualitätsmanagement fokussieren, und der Wegfall von Nacht- und Wochenenddiensten könnte die Attraktivität der Arbeit an diesen Standorten erhöhen.

Autoren
Julian E. Gebauer
Weiterbildungsassistent für Laboratoriumsmedizin
Dr. med. Boris Rolinski
Chefarzt Labormedizin
Elblandkliniken Stiftung und Co. KG Elblab GmbH, Meißen
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