Automatisierung in der Leukämiediagnostik: Qualitätssicherung für Diagnostik und Forschung

Um den Qualitätsstandards klinischer Labortests gerecht zu werden, müssen Laborergebnisse reproduzierbar und die Prozesse standardisierbar sein. Eine weitgehende Automatisierung der Prozesse hilft, Störfehler im Prozess zu minimieren und die Qualität zu sichern.

Schlüsselwörter: Next Generation Sequencing, Library Preparation, Enrichment & Capture Workflow

In der Diagnostik werden die notwendigen Patienteninformationen aus unterschiedlichen  Quellen wie der Krankengeschichte, den körperlichen Untersuchungen und verschiedenen diagnostischen Tests, einschließlich klinischer Labortests, gewonnen. Labor­tests sind heute für viele Dia­gnosen und die Therapiesteuerung zentral und verlangen hohe Reproduzierbarkeit, Standardisierung und Minimierung von Störfehlern in der täglichen Anwendung.
Am Münchner Leukämie Labor (MLL) werden die Proben – abhängig von der Einsendediagnose – in den verschiedenen Abteilungen zu einem hohen Grad automatisiert vorbereitet. Dies beinhaltet unter anderem das automatische Barcode-Scannen von Objektträgern  in der Zytomorphologie und Zytogenetik (inkl. Metaphasenfindung), das automatisierte Pipettieren von Sonden und Auftragen von Deckgläsern mit Barcode für FISH-Analysen sowie die vollständige Automatisierung des Ansatzes in der Immunphänotypisierung.
Die Vorbereitung für Proben, die für eine molekulargenetische Untersuchung zum MLL gesandt werden, erfolgt ebenfalls überwiegend automatisiert. Der Arbeitsablauf beginnt mit der vollautomatischen Aufarbeitung verschiedener Materialen (z. B. peripheres Blut, Knochenmark, MACS-Zellen) und der Bereitstellung von Asservaten. Es folgt die automatische Extraktion der Nukleinsäuren für die Fragmentanalyse, für die Sequenzierung und/oder für die Untersuchung minimaler Resterkrankungen (z. B. digitale PCR, quantitative Real-time PCR). Die unterschiedlichen Workflows sind im internen Laborinformations- und Management-System (LIMS) abgebildet, um die Automatisierung und Standardisierung effizient, robust und fehlerfrei zu gestalten. Über das LIMS werden standardisierte Layouts für die Sampleverarbeitung generiert und die Ergebnisse der Qualitätskontrollen (QC), die jeden einzelnen Schritt begleiten, gesammelt, visualisiert und kontinuierlich überwacht, um mögliche Störungen oder Fehler zeitnah erkennen und gegebenenfalls intervenieren zu können. Auch alle im Prozess befindlichen Geräte werden durch das LIMS im Sinne eines Internet of Things (IoT) verbunden und gesteuert.

Next Generation Sequencing

Die zunehmende Vielfalt klinisch relevanter molekularer Marker in der Leuk­ämiediagnostik führt verstärkt zum Einsatz moderner Hochdurchsatz-Sequenzierungsverfahren (Next Generation Sequencing, NGS). Die Bearbeitung von NGS-Proben hängt von der klinischen Fragestellung und den Anforderungen des Einsenders ab und reicht von einzelnen Amplikons/Genen bis zu verschieden großen Gen-Panels (= Panel Testing). Das Panel Testing erlaubt die umfassende Analyse rekurrent mutierter Gene und/oder genetischer Hotspots in weniger als einer Woche. Analysen des gesamten Exoms (Whole Exome Sequencing, WES), Transkriptoms (Whole Transcriptome Sequencing, WTS) oder Genoms (Whole Genome Sequencing, WGS) besitzen großes dia­gnostisches Potenzial, werden jedoch aktuell nahezu ausschließlich in der Forschung des MLL eingesetzt. Erste Studien parallel zur Routine mit ihren Goldstandards laufen bereits (Abb. 1).

Library Preparation

Das NGS erfordert eine zuverlässige und reproduzierbare Vorbereitung der Proben für die Sequenzierung (= library preparation), um qualitativ hochwertige Ergebnisse zu gewährleisten. Gerade in der Diagnostik spielt auch die zeit- und kosteneffiziente Umsetzung eine zentrale Rolle, um die Turnaround-Zeiten gering zu halten. Am MLL erfolgt die library preparation für die verschiedenen Sequenzieransätze nahezu vollautomatisch auf insgesamt vier Pipettierrobotern. Die parallele Verarbeitung von bis zu 96 Proben erhöht den Durchsatz, minimiert die Fehler­anfälligkeit und eliminiert weitestgehend manuelle Störfaktoren. Eines der Systeme wird hierbei vorwiegend in der Forschung für die library preparation für WGS und WTS eingesetzt. 45 WGS-Proben können innerhalb von 6 Stunden und 96 WTS-Proben an zwei Tagen innerhalb von 15 Stunden vorbereitet werden. Die anderen Systeme werden hauptsächlich in der Routinediagnostik für den Enrichment & Capture Workflow und den Einzelamplikonansatz verwendet.

Enrichment & Capture Workflow

Der Enrichment & Capture Workflow wird für das Panel Testing verwendet, besteht aus zwei Teilen und kann innerhalb von 13 Stunden bis zu 96 Proben pro Lauf verarbeiten. Im ersten Schritt wird die  DNA enzymatisch fragmentiert, es werden patientenspezifische Barcodes hinzugefügt und DNA-Fragmente amplifiziert. Dieser Schritt dauert drei Stunden und wird derzeit noch manuell durchgeführt. Die Implementierung der Methode auf den Pipettierrobotern ist bereits abgeschlossen und befindet sich in der Validierungsphase für die Akkreditierung nach ISO 15189. Der zweite Teil des Workflows läuft automatisiert auf den Pipettierrobotern und kann über Nacht durchgeführt werden, wodurch sich die Bearbeitungszeit von vier auf drei Tage verkürzt. Zusätzlich bietet der Workflow ein hohes Maß an Flexibilität, da innerhalb eines Laufes verschiedene diagnosespezifische oder auch kundenspezifische Gen-Panels eingesetzt und simultan verarbeitet werden können. Die korrekte Zuordnung der Patientenproben zu den verschiedenen Panels wird durch das LIMS überwacht und vom Pipettierroboter gewährleistet.  

Herausforderungen

Die Automatisierung von molekulargenetischen Untersuchungsworkflows bietet viele Vorteile; bestehende Herausforderungen sollen aber nicht unerwähnt bleiben: Aufgrund der vergleichsweise hohen Totvolumina sind der Reagenzienverbrauch und die damit verbundenen Materialkosten höher als bei einem manuellen Verfahren. Des Weiteren ergibt sich durch die Automatisierung häufig eine verlängerte Laufzeit, und bei einigen Methoden überschreitet diese dann die Zeit eines normalen Arbeitstages, sodass eine Automatisierung nicht effizient durchführbar wäre. Die Pipettiervolumina der meisten NGS-Workflows sind vergleichsweise gering (~2,5–250 µl) und müssen mit höchster Präzision transferiert werden, was nur durch zeitaufwendige Optimierungen des Systems erreicht werden kann. Trotz allem ist die Automatisierung von Arbeitsabläufen ohne Zweifel notwendig, um verlässlich standardisierte und reproduzierbare Ergebnisse zu erhalten und den Qualitätsstandards klinischer Labortests gerecht zu werden.