Transfusionsmedizin - Im Zeichen von Covid-19
„Die Rente ist sicher.“ Mit diesem Satz ging der am 23. April 2020 verstorbene Bundesarbeitsminister Norbert Blüm in das kollektive Gedächtnis der Deutschen ein.
„Die Bluttransfusion ist sicher“ – mit diesem Satz käme Gesundheitsminister Jens Spahn wohl kaum in die Geschichtsbücher, denn von ihm will die Bevölkerung in Corona-Zeiten ganz andere Sätze hören, am liebsten: „Das Virus ist besiegt. Unser Leben ist wieder sicher“. Also geben wir in dieser Rubrik lieber einem Virologen aus dem Trillium-Fachbeirat Gelegenheit, den in unseren Augen wichtigen Satz „die Bluttransfusion ist sicher“ mit Fakten zu untermauern (siehe Artikel "Extrem geringes Risiko").
Fast schon historisch wirkt in diesen Tagen der sich überschlagenden Meldungen, dass Virologen verschiedener Universitäten unter Federführung des Paul-Ehrlich-Instituts bereits am 29. März 2020 in einer ersten kleinen Kohorte von Blutspendern überprüft hatten, ob das neue Coronavirus durch Blutprodukte übertragbar sei und wie lange positiv getestete Personen von der Blutspende ausgeschlossen werden sollen [1]. Eingeschlossen waren 18 Patienten mit molekularem Nachweis von SARS-CoV-2 im Rachenabstrich oder Sputum, von denen sich 2 in China, die anderen 16 vermutlich in Deutschland angesteckt hatten. 14 Patienten wiesen keine oder nur leichte grippeähnliche Symptome mit oder ohne Fieber auf, zwei litten an einer Pneumonie und einer war mit akutem Lungenversagen beatmungspflichtig. Nur bei diesem einen Patienten konnten Viren im Blut nachgewiesen werden. Bei allen anderen fielen die Messungen – insgesamt mehr als 70 PCR-Tests – negativ aus.
Schützt Blutgruppe 0 vor dem Virus?
Es gibt aber außer der Sicherheit von Blutprodukten aus Sicht der Transfusionsmedizin noch weitere spannende Aspekte der COVID-19-Pandemie. So überraschten chinesische Ärzte und Statistiker die internationale Wissenschaftlergemeinde mit der Beobachtung, dass sich Patienten mit Blutgruppe 0 seltener mit SARS-CoV-2 infizierten, als Träger der Blutgruppenmerkmale A und B [2]. Bald darauf folgte eine Bestätigung aus Kanada mit der Einschränkung, dass dies möglicherweise nur für Rh-positive Personen gilt [3].
Auch wenn statistische Assoziationen nichts über Kausalitäten aussagen, weist dieser Befund doch auf die Aktualität der molekulargenetischen Blutgruppenbestimmung hin: Aktuell sind über 600 Blutgruppenantigene bekannt, die von 45 Genen kodiert werden (s. A. "Molekulare Blutgruppen - Auf den Punkt gebracht"). Hier tut sich für Genetiker und Transfusionsmediziner ein weites Forschungsfeld auf, um nach molekularen Ursachen für die unterschiedliche Virus-Suszeptibilität zu suchen.
Ausbreitung über das Blut
Es gibt noch eine dritte spannende Frage, die sich indirekt aus der eingangs zitierten Studie des Paul-Ehrlich-Instituts ableitet: Wenn nur Patienten mit schweren Verlaufsformen eine Virämie aufweisen – wie kommen die Viren dann ins Herz, die Nieren und andere Organe? Dass sie dort Schaden anrichten, ist gesichert, aber über alternative Ausbreitungsmöglichkeiten jenseits des Blutweges gibt es bislang nur Spekulationen [4].
Spannend bleibt schließlich auch die Frage, ob die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI), an die sich dieser Schwerpunkt ganz besonders wendet, auch wirklich am 16.–18. September in Berlin stattfindet. Bei Redaktionsschluss am 25. Mai war die Veranstaltung nicht abgesagt, aber was ist schon sicher in Corona-Zeiten?