Antibiose – ja oder nein?

Biomarker der Infektion und Entzündung

Das Gesetz zur Stärkung der Arzneimittelversorgung fordert eine bessere Labordiagnostik zur Reduktion des Anti­biotikaeinsatzes, lässt aber die entscheidenden Fragen offen: Was soll getestet werden und wie wird es vergütet?

Schlüsselwörter: AMVSG, respiratorische Erreger, Paneltests, Entzündungsmarker

Wer hätte gedacht, dass es die klinische Mikrobiologie eines Tages bis in die Agenda des G20-Weltwirtschaftsgipfels schaffen würde? Diese hohe öffentliche Aufmerksamkeit verdankt sie der Angst vor multi­resistenten Keimen, deren Entstehung und Ausbreitung durch unkontrollierte Verschreibung von Antibiotika gefördert wird. Deshalb fordert auch das Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) 2017 u. a. eine schnelle und qualitätsgesicherte Labordiagnostik, um bakterielle von viralen Infektionen besser zu unterscheiden. Noch zu klären ist, wie dieses vergütet werden soll, denn im EBM gibt es weder Abrechnungsziffern für die molekulardiagnostische oder immunologische Erregeridentifikation noch für CRP als Point-of-Care-Test – von Procalcitonin oder Multiplex-Erregerpanels ganz zu schweigen. Bei Verdacht auf Pneumonie wird nur ein Röntgenbild empfohlen[1].

Umso bemerkenswerter erscheint es, dass die Diagnostika-Industrie solche Tests mit hohen Kosten entwickelt hat, und dass diese auch zum Einsatz kommen. Sie sind insbesondere bei Atemwegsinfektionen wertvoll.

Sichere klinische Zeichen, die auf eine bakterielle Infektion schließen lassen, gibt es hier nicht, und so muss sich der Hausarzt immer wieder entscheiden, ob er vorsichtshalber doch Antibiotika verordnen oder eine Pneumonie riskieren soll. Dazu kommt bei viralen Infekten die Gefahr einer tödlichen bakteriellen Superinfektion (vgl. hier). Somit sind diagnostische Maßnahmen dringend nötig.

Erregernachweise

Der kulturelle Nachweis von Bakterien ist bei respiratorischen Infekten nicht einfach. Als Material wird schleimiger Auswurf, der tief aus den Bronchien abgehustet wird, oder besser Spülflüssigkeit einer bronchoalveolären Lavage benötigt.

Für eine schnelle Entscheidungsfindung dauern Kulturverfahren allerdings in der Regel zu lang. Abhilfe können schnelle, sensitive DNA-Nachweise bieten, beispielsweise für Streptokokken oder Mycoplasma pneumoniae bzw. Influenza- und RS-Viren*. Für einige dieser Erreger sind POCT-geeignete Assayformate verfügbar. Da initial sehr unterschiedliche Erreger als Auslöser infrage kommen und auch Pilze nicht übersehen werden dürfen, ist eine Paneltestung vielfach der schnellste Weg zur Diagnose*. Allerdings werden mit molekularbiologischen Verfahren auch abgestorbene Erreger sowie winzige Bakterienmengen nachgewiesen, die mit dem aktuellen Geschehen nichts zu tun haben.

Entzündungsmarker

Im ambulanten Bereich kommen in erster Linie Surrogatmarker zum Einsatz, die eine mehr oder weniger gute Unterscheidung zwischen bakteriellen und viralen Atemwegs­infektionen erlauben. Am verbreitetsten ist das CRP (hier): Bei Werten über 50 bis 100 mg/l können Antibiotika recht großzügig verschrieben werden, niedrige Werte sind hingegen in der Frühphase nicht unbedingt eine Entscheidungshilfe, da dieser Biomarker erst Tage nach Erkrankungsbeginn anspricht. Schneller reagieren Presepsin (hier und 118) und Procalcitonin (S. 123). Für letzteres gibt es durch Studien gut belegte Grenzwerte, um die Entscheidung für oder gegen die Verschreibung von Antibiotika zu unterstützen.

Weitere hier nicht vorgestellte Marker wie das LPS-bindende Protein (LBP) und die besonders früh ansprechenden Zyto­kine sind sind zwar nicht spezifisch für bakterielle Infektionen, besitzen aber ebenfalls einen guten negativ prädiktiven Wert (NPV), der zur Einsparung von Antibiotika beitragen kann.

*die vorgestellten Produkte sind unter den Firmenlogos in der rechten Spalte verlinkt

[1] S3-Leitlinie AWMF, 2016, Registrierungsnummer 020-020

Dr. rer. nat. Gabriele Egert, Prof. Dr. med. Rudolf Gruber,
Priv.-Doz. Dr. med. Andreas Ambrosch, Redaktionsmitglieder