Vieles aus einer Hand – aber eben nicht alles
Umfassende POCT-Konzepte
Theoretisch ermöglichen POCT-Geräte bereits heute eine umfassende Laborversorgung mit fast allem, was in der Routine benötigt wird. Um das Konzept praktisch zu etablieren, müssen neue Systemplattformen entwickelt werden.
Schlüsselwörter: POCT, Schnittstellen, Workcells
Der POCT-Begriff ist im Wandel begriffen: Ging es ursprünglich vor allem um die patientennahe Bestimmung des Blutzuckers und anderer eilig benötigter Einzelwerte, so wird nun zunehmend der Wunsch laut, möglichst die gesamte Laborroutine – also Chemie, Hämatologie, Gerinnung usw. – vor Ort abarbeiten zu können. „Vor Ort“ kann bedeuten: im kleinen Krankenhaus, in der großen Facharztpraxis, oder auch irgendwo im Dschungel.
Fortschritt trifft auf Bedarf
Zwei Kräfte treiben diesen Wandel voran: der technische Fortschritt und der medizinische Bedarf. Immer mehr sogenannte Point-of-Care-Geräte sind inzwischen in Wirklichkeit miniaturisierte Vielkanal-Analysatoren, die ihren großen Geschwistern bezüglich Leistung und Qualität kaum noch nachstehen. Und immer mehr medizinische Einrichtungen ohne Rohrpost und Zentrallabor sind es leid, Blutproben mühsam einzupacken und zu versenden, um nach vielen Stunden oder am nächsten Tag ein Blutbild, Troponin oder CRP zu erhalten.
Anbieter von POCT-Systemen haben diesen Trend erkannt und vergrößern nun laufend ihr Sortiment an Tests und Geräten durch Neuentwicklungen, Firmenkäufe und Partnerschaften. Im Vergleich zu unserer tabellarischen Übersicht im Sommer 2013 ist nicht nur die Zahl der Teilnehmer von fünf auf acht gewachsen; auch das Angebot an POCT-Geräten pro Anbieter hat deutlich zugelegt (S. 264 ff.). So erhält man heute umfassende Lösungen für die patientennahe Diagnostik aus einer Hand, was sich u. a. bei der Planung, Schulung, Wartung und nicht zuletzt bei der Preisgestaltung positiv auswirkt.
Systemkonzepte gefragt
Doch die Sache hat einen Haken: Derzeit verfügbare POCT-Geräte wurden (und werden weiterhin) für medizinische Fragestellungen wie etwa Diabetes, Herzinfarkt oder Sepsis entwickelt, nicht aber für die allgemeine Laborroutine. Deshalb erfüllen sie die neuen Anforderungen nur bedingt. Je mehr solcher Geräte man anschafft, desto mehr unterschiedliche Patientenproben müssen abgenommen werden, was den Patienten unnötig belastet, und desto unübersichtlicher wird der Arbeitsablauf, weil viele Tests wie etwa Kreatinin, Laktat oder Hämoglobin auf mehreren Geräten vorhanden sind. Deshalb sind nun durchgängige Systemkonzepte gefordert (Abb. 1).
Die einfachste und schnellste Lösung besteht fast immer darin, den existierenden „Zoo“ von Einzelgeräten an eine gemeinsame Software anzuschließen, die die Eingangsdaten für alle Geräte aufnimmt, dem Anwender sagt, welche Probe in welches Gerät gehört, und die Ergebnisse wieder gesammelt ausgibt (Abb. 1 links).
Für den wirklichen Durchbruch genügt das aber nicht. Vielmehr müssen nach dem Vorbild des Zentrallabors modulare Workcells im Kleinformat entwickelt werden, die alle für ein bestimmtes Probenmaterial benötigten Technologien nach dem Prinzip des Legobaukastens vereinigen und aus einer einzigen Patientenprobe abarbeiten (Abb. 1 rechts). Das erfordert allerdings viel Entwicklungsaufwand und ist derzeit wohl noch Zukunftsmusik.
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