Management hochkontagiöser Krankheiten

Deutschland ist gerüstet

Wochenlang war das Ebolavirus Dauergast in den Nachrichtensendungen. Viele Ärzte stellten sich die Frage: Sind wir in Deutschland auf eine Einschleppung ausreichend vorbereitet?

Der jüngste Ausbruch des hämorrhagischen Ebolafiebers in Westafrika hat gezeigt, dass die jahrelange Ruhe trügerisch war und die Gefahr, die von dieser hochinfektiösen Erkrankung ausgeht, bei Weitem nicht gebannt ist. Waren frühere Infektionen auf umgrenzte Gebiete in einzelnen Ländern Afrikas beschränkt, so breitete sich die Erkrankung im letzten Jahr in Westafrika unkontrolliert aus.
Die Zahl der Neuerkrankungen ist mittlerweile stark rückläufig, sodass der Ausbruch in einigen Regionen für beendet erklärt werden konnte. Da aber vereinzelt Erkrankte – meist Angehörige von Hilfsorganisationen – außerhalb Afrikas behandelt wurden und Übertragungen aus den USA und Europa gemeldet wurden, ist es infolge der Globalisierung nie auszuschließen, dass mit dem Ebolavirus infizierte Patienten in unseren Kliniken vorstellig werden. Ist Deutschland dafür gerüstet? Die Analysen und Erfahrungen der vergangenen Monate zeigen, dass diese Frage bejaht werden kann.
Das Ebolavirus gehört zu einer Gruppe hochinfektiöser Erreger (siehe Tab. 1), die der höchsten Risikogruppe 4 in der Biogefahrstoffverordnung zugeordnet sind. Dazu zählen ausschließlich Viren, gegen die es bisher keine spezifische Therapie gibt und die sich durch eine hohe Mortalität auszeichnen – beim Ebolafieber kann sie bis zu 90% betragen. Die beste Chance, eine Übertragung bzw. Ausbreitung zu verhindern, besteht in der Einhaltung rigoroser Schutzmaßnahmen.
 
HoKo-Stationen
Die meisten Industrienationen haben für den Umgang mit hochinfektiösen Erregern seit Langem Vorsorge getroffen, denn in der Vergangenheit kam es durch Reisende oder Labortiere schon mehrfach zu Einschleppungen. Sowohl das hohe individuelle wie auch das allgemeine Gefährdungspotenzial dieser Erkrankungen sind also hinreichend bekannt, weshalb in Deutschland einige Kliniken Sonderisolierstationen für hochkontagiöse Erkrankungen (sogenannte HoKo-Stationen) unterhalten, die sich auf die Behandlung solcher Patienten eingerichtet haben. Im Wesentlichen handelt es sich dabei um nach außen hermetisch abgeschlossene Intensivstationen, deren Zu- und Abluft gefiltert wird. Mensch und Material gelangen nur über Schleusen in die Abteilung hinein und wieder heraus. Um jegliche Kontamination mit infektiösem Material zu vermeiden, muss das Personal der HoKo-Stationen in Ganzkörper-Schutzanzügen mit Atemschutz und Schutzbrille arbeiten. Wegen der enormen Ansteckungsgefahr setzt man bereits für den Transport der Patienten spezielle „Infektionsrettungswagen“ ein.

Kompetenzzentren
In Deutschland bieten neun Kompetenz- und Behandlungszentren mehr als 50 Behandlungsplätze an, die sowohl baulich als auch organisatorisch den außergewöhnlichen Anforderungen genügen. Im Zentrum eines solchen Netzwerks befindet sich die HoKo-Station, die in engem Kontakt mit einem Hochsicherheits-Labor, mit Rettungsdienst, Polizei, Gesundheitsamt, Pathologie sowie weiteren Institutionen steht.
Das Ziel ist es, sämtliche Kontaktpersonen des Patienten vor seiner Aufnahme in die HoKo-Station zu ermitteln und diese bis zum Ausschluss einer Infektion gegebenenfalls zu isolieren.
Zusätzlich haben sich einzelne Laboratorien auf die Untersuchung von hochinfektiösem Untersuchungsmaterial einschließlich gezielter Forschungstätigkeiten an den Erregern selbst spezialisiert. Auch diese Hochsicherheits- oder S4-Laboratorien sind hermetisch abgeriegelt und lassen sich durch Begasung vollständig desinfizieren. Die Luftführung erfolgt über eine unabhängige Raumlufttechnik-Anlage, sämtliche Abwässer und Feststoffe werden durch erprobte chemische oder physikalische Mittel inaktiviert.

Aufwendiges Schleusensystem

Entsprechend der TRBA 100 ist für Arbeiten in hoch­infektiösen Bereichen der Zugang über ein aufwendiges Schleusensystem mit mindestens zwei Kammern vorgeschrieben. Im Zugangsbereich wird die Schutzausrüstung angelegt, im Ausgangsbereich gibt es eine Möglichkeit zur chemischen Dekontamination, bevor die Schutzaus­rüstung wieder abgelegt und abschließend geduscht wird.
Alle Räumlichkeiten müssen ausreichend dimensioniert sein und über eine gesonderte raumlufttechnische Anlage mit Zu- und Abluftfilter verfügen, wobei ein geringer Unterdruck gegenüber dem Außenrum das Entweichen kontaminierter Luft zusätzlich verhindern soll.

Rundum geschützt

Nur vier deutsche Institute verfügen über die Zulassung, mit hochinfektiösen Erregern zu arbeiten: das Robert-Koch-Institut in Berlin, das Institut für Virologie an der Philipps Universität Marburg, das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg und das Friedrich Löffler Institut auf der Ostsee-Insel Riems. Die Anforderungen an die persönliche Schutzaus­rüstung sind in der EU-Richtlinie 89/686/EWG vorgegeben und in den Richtlinien der Länder präzisiert (zum Beispiel RKI-Empfehlungen).
In biologischen Gefahrensituationen sollte eine Schutzausrüstung des Typs 3(B) benutzt werden, die auf Chemikalienschutzanzügen der Kategorie III basieren. Sie umfassen einen flüssigkeitsdichten und desinfizierbaren Ganzkörper-Schutzanzug mit Kapuze, außerdem Handschuhe, Überschuhe sowie einen Augen- und Atemschutz (FFP3-Maske). Da diese Masken nur kurzfristig tolerierbar sind, empfiehlt sich für längere Arbeiten ein Schutzanzug mit integrierter Maske und Filtergebläse.
In einem Labor der Schutzstufe 4 müssen abrieb- und reißfeste sowie luftundurchlässige Vollschutzanzüge getragen werden, die gegen das verwendete Desinfektionsmittel beständig sind und deren Atemluftversorgung durch eine eigenständige Luftzuleitung erfolgt. Idealerweise sind die Schutzanzüge mit angeschweißten Stiefeln ausgestattet. Zum Schutz der Hände werden zwei Paar Handschuhe übereinander getragen, wobei das äußere Paar zum Beispiel durch eine Klemmbügelvorrichtung dichtschließend an den Ärmelstulpen des Schutzanzuges befestigt wird.
Sowohl für gezielte Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen der Risikogruppen 3 und 4, als auch für nicht gezielte Tätigkeiten mit vergleichbarer Gefährdung gilt die Forderung, dass die dort Beschäftigten über die notwendige Fachkunde verfügen, neue Mitarbeiter eingewiesen und alle Mitarbeiter immer wieder geschult werden. Sowohl das An- als auch das Ablegen der Schutzbekleidung muss immer wieder geübt werden, da der routinierte Umgang mit der Ausrüstung ganz wesentlich zur Sicherheit beiträgt. Bei den bekanntgewordenen Ebolavirus-Übertragungen in den USA und Europa war wohl ein unprofessioneller Umgang mit der Schutzausrüstung eine wesentliche Ursache für Infektionen der Helfer – das sollte uns eine Lehre sein.  


Dr. Dr. Anton Hartinger

Städt. Klinikum München GmbH, MEDIZET