Auf der Lauer
Die Tricks der Zecken
Sobald es im Frühling wärmer wird, treibt es die Wanderer und Läufer wieder nach draußen. Einer wartet schon auf sie: der Gemeine Holzbock. Die Zecke lauert auf einem Grashalm oder einem Blatt darauf, dass sich der herannahende Wirt durch eine Vibration oder einen Schatten zu erkennen gibt. Mit ihrem Haller-Organ, einem Chemorezeptor am ersten Beinpaar, erfasst sie zudem Stoffe wie Milchsäure, Kohlendioxid, Ammoniak und Buttersäure, die von potenziellen Opfern über den Atem und Schweiß abgegeben werden.
Wenn ein Mensch den Holzbock streift, hält sich der Parasit schnell an ihm fest und krabbelt solange herum, bis er einen geeigneten Futterplatz findet. Dabei bevorzugt er Körperstellen, die eher feucht, dünnhäutig und gut durchblutet sind. Besonders wohl fühlt er sich zum Beispiel hinter dem Ohr, unter der Achsel oder im Leistenbereich. Dort also, wo er auch schwer zu entdecken ist. Mit ihren Mundwerkzeugen, den Chelizeren, reißt die Zecke etwas Haut und kleine Kapillaren auf und steckt ihr Hypostom, eine Art Stachel, in die Wunde. Der Gemeine Holzbock ist ein gieriges Tier. Er kann mehr als das Hundertfache seines Körpergewichtes an Blut in sich aufnehmen. Dennoch, der Blutverlust bewegt sich im Milliliter-Rahmen und macht Menschen keine Probleme.Die Gefahr droht vielmehr durch den Speichel, den die Zecke in die Wunde einspritzt.
Infektiöser Speichel
Er enthält einen Cocktail aus Stoffen, die helfen, den Wirt zu überrumpeln und zu täuschen. Die darin enthaltenen Proteine hemmen die Blutgerinnungskaskade auf verschiedenen Ebenen, sie dämpfen das Schmerzempfinden und die Immunantwort des Wirts, indem sie unter anderem die Bradykinin und Histamin ausschüttung unterdrücken. Vor allem aber gelangen so Krankheitserreger ins Blut. In Deutschland tragen viele Vertreter des Gemeinen Holzbocks FSME-Viren oder Borrelien in sich, die von der Suppression des Alarmsystems profitieren und sich so relativ unbemerkt im Menschen verbreiten können. Während FSME-Viren wohl sofort übertragen werden, brauchen Borrelien etwas Zeit für die Reise in den neuen Wirt. Erst müssen sie ihr Gen expressionsmuster ändern, dann vom Verdauungstrakt der Zecke in die Speicheldrüsen wandern. Dort binden sie an Speichelproteine der Zecke und gelangen daran in den Wirt. Im Frühstadium ist eine Borreliose gut mit Antibiotikum zu behandeln, ohne Therapie können die Erreger nach Wochen, Monaten oder Jahren verschiedene Gewebe und Organe befallen und eine Entzündung im Herz, in den Gelenken oder im Nervensystem verursachen.
Entfernung der Zecke
Gut ist es, wenn man die Zecke entfernt, bevor sie Erreger übertragen kann. Dabei helfen eine feine Pinzette, eine Zeckenkarte oder -Zange und eventuell eine Lupe. Man sollte die Zecke möglichst dicht an der Haut packen und nicht quetschen. Die Einstichstelle danach kurz desinfizieren und einige Wochen beobachten, ob womöglich eine Wanderröte auftritt.
Die beste Prävention ist natürlich eine Impfung. Hierfür wurde soeben eine Phase I/II-Studie erfolgreich abgeschlossen; Phase III ist im Anlaufen. Mithilfe des neuen Impfstoffs könnten wir in einigen Jahren hoffentlich den Evolutionsvorsprung aufholen, den das Borrelien-Zecken-Duo momentan nutzt, um unser Immunsystem auszutricksen.
Franziska Draeger