Liquid Biopsy in der Onkologie: Die Zukunft der personalisierten Medizin
Wenn ein medizinisches Fachgebiet den Begriff „personalisierte Medizin“ glaubhaft repräsentiert, dann ist es die Onkologie. Über die Begriffsdefinition besteht zwar in der wissenschaftlichen Literatur durchaus Uneinigkeit: Muss es „personalisiert“ oder „individualisiert“ heißen? Ist die Medizin nicht seit jeher auf den einzelnen Patienten zugeschnitten? Wenn man aber im engeren Wortsinn eine „Präzisionsmedizin“ meint, die eine gezielte Behandlung auf der Basis individueller Biomarker anstrebt, dann kann man die Umsetzung am Beispiel der Krebserkrankungen bestens studieren – und womöglich auch künftige Trends vorhersehen.
Vom Biomarker zur Therapie
Als Geburtsstunde des Konzepts „Vom Biomarker zur Therapie“, das auch zum Leitmotiv unseres Onkologischen Symposiums wurde, gilt der 25. September 1998. Damals machte die Food and Drug Administration (FDA) die Verabreichung des Brustkrebsmedikaments Trastuzumab vom Nachweis der Überexpression eines Genprodukts (HER2) abhängig [1]. Die Tabelle 1 im Artikel "Liquid Profiling - Personalisierte Tumortherapie" vermittelt einen Eindruck von der Vielfalt der therapeutisch angreifbaren genetischen Veränderungen, deren Nachweis mittlerweile Voraussetzung für die Verschreibung der meist teuren Medikamente ist. Knapp 60 Wirkstoffe sind auf der Website des Verbands forschender Pharmaunternehmen [2] verzeichnet, und der größte Teil von ihnen bezieht sich auf die Onkologie.
Vom Gewebe zur Blutprobe
Die Bestimmung der als Companion Diagnostics bezeichneten Biomarker aus Operations- und Biopsiematerialien liegt weitgehend in den Händen der Molekularpathologen, und für die Erstdiagnose wird sich an diesem Paradigma in den nächsten Jahren wohl auch nichts ändern. Doch bei der Verlaufskontrolle und der Erkennung von Resistenzmutationen spielt die blutbasierte Diagnostik in Form der „Flüssigbiopsie“ (Liquid Biopsy, LB) eine immer größere Rolle. Auch wenn noch nicht alle analytischen und präanalytischen Probleme gelöst sind, so zeigt unsere Übersicht über kommerziell verfügbare Lösungen doch, dass die LB inzwischen routinetauglich geworden ist.
Die Amplifikations- und Sequenzierverfahren eröffnen der Laboratoriumsmedizin ein weites und attraktives Betätigungsfeld, insbesondere in den Bereichen, die der Gewebediagnostik schlecht zugänglich sind – beispielsweise weil sich der Primärtumor nur schwer lokalisieren lässt, weil dieser bei einem metastasierten Karzinom überhaupt nicht bekannt ist oder weil sich der molekulare Status während oder nach Therapie bei hoher Mutationsrate schnell verändert.
Künftige Entwicklungen
Drei absehbare Zukunftstrends seien an dieser Stelle hervorgehoben: die Bestimmung von DNA-Panels anstelle einzelner Mutationen, die stärkere Einbeziehung von RNA- und Proteinmarkern und die Ausdehnung des Indikationsgebiets für Blutuntersuchungen auf die Krebsfrüherkennung und die Identifizierung unbekannter Primärtumoren. Gemeinsame Grundlage dieser Trends ist die Verfügbarkeit von Omics-Technologien (Genomics und Epigenomics, Transcriptomics, Proteomics) inklusive der Untersuchung submikroskopischer Partikel (extrazelluläre Vesikel, Nukleosomen). Unsere Autorinnen und Autoren sind ehrlich genug zu betonen, dass diese Forschung noch im Fluss ist, doch ihre Praxisbeispiele zeigen auch, dass hier „die Musik spielt“ und dass es keine reine Zukunftsmusik ist.