Serie "Vom Biomarker zur Therapie": CD30 (TNFRSF8)
Das Hodgkin-Lymphom war einer der ersten malignen Tumoren, für die auch in fortgeschrittenen Stadien kurative Therapien entwickelt wurden. Maßgeblich war daran die Deutsche Hodgkin-Studiengruppe (GHSG) beteiligt, die in einer Serie von großen kontrollierten Studien systematisch Behandlungsoptionen entwickelte, mit denen mittlerweile über 90 % aller Hodgkin-Patienten langfristig geheilt werden können. Vor allem in fortgeschrittenen Stadien wird die Wirksamkeit dieser (überwiegend Chemo-)Therapien aber durch erhebliche Langzeittoxizitäten erkauft, die umso schwerer wiegen, als die Patienten bei Erkrankung teilweise noch sehr jung sind und daher Jahrzehnte mit diesen Nebenwirkungen – darunter auch Sekundärmalignome – leben müssen.Da die Wirksamkeit der Therapien kaum mehr gesteigert werden kann, geht die klinische Forschung in den letzten zehn Jahren vor allem dahin, die Aggressivität der Behandlung zu reduzieren, ohne dadurch die Heilungschancen zu kompromittieren. Neben einem Herunterfahren der Therapieintensität – etwa in Abhängigkeit vom Ansprechen in der Positronen-Emissions-Tomographie – macht man sich wie auch auf anderen Gebieten der Onkologie das Vorkommen spezifischer Marker auf den malignen Zellen zunutze: Die für das Hodgkin-Lymphom charakteristischen Reed-Sternberg-Zellen tragen auf ihrer Oberfläche ein Molekül aus der Familie der Tumornekrosefaktor-Rezeptoren, das CD30-Antigen, das auf kaum einem anderen Zelltyp vorkommt und sich daher als Ziel für spezifische Immuntherapien eignet.Ein Antikörper-Toxin-Konstrukt hat sich in den letzten Jahren zunächst in der rezidivierten/refraktären Situation und mittlerweile auch in der Erstlinientherapie des Hodgkin-Lymphoms – und darüber hinaus auch bei anderen Lymphomen – etabliert. Ganz ohne Chemotherapie kommen diese Therapien noch nicht aus, aber besonders toxische Komponenten dieser Kombinationen können durch das Immuntoxin ersetzt und damit bestimmte Nebenwirkungen wie etwa eine Lungentoxizität weitgehend eliminiert werden.
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Das CD30-Oberflächenantigen ist ein Mitglied der Superfamilie der Tumornekrosefaktor-Rezeptoren und auch unter der Bezeichnung TNFRSF8 bzw. Ki-1 bekannt, der zugehörige spezifische Ligand CD30L gehört entsprechend zur Familie der Tumornekrosefaktoren [1, 2]. CD30 ist ein prominenter Marker bestimmter Lymphome, vor allem des Hodgkin-Lymphoms. Es wurde erstmals vor beinahe 40 Jahren identifiziert und anschließend als 120 kD schweres Transmembran-Glykoprotein charakterisiert, das Cystein-reiche extrazelluläre Domänen enthält; auch der Ligand ist ein Zelloberflächen-Glykoprotein. Die Rezeptoren der TNFR-Superfamilie liegen im ungebundenen Zustand als Monomere vor, die sich nach Interaktion mit ihrem jeweiligen Liganden zu Trimeren verbinden.
CD30 ebenso wie CD30L finden sich auf bestimmten Subgruppen von normalen aktivierten T- und B-Lymphozyten, nicht aber auf ruhenden Zellen [3–5]. CD30L ist auch auf einigen dendritischen Zellen sowie auf Eosinophilen und Mastzellen nachweisbar [6, 7], während die Verbreitung von CD30 stärker beschränkt ist; bei den wenigen CD30-positiven Zellen im peripheren Blut handelt es sich um Gedächtniszellen. In Lymphknoten lassen sich CD30-positive Immunoblasten immunhistochemisch ebenfalls selten – und dann am Rand der Keimzentren – nachweisen [5, 8]. Interessanterweise findet sich CD30 auch auf einigen von Viren infizierten Lymphozyten, darunter B-Zellen, die das Epstein-Barr-Virus (EBV), sowie T-Zellen, die das humane T-Zell-Leukämie-Virus 1 (HTLV-1) enthalten. Niedrige Titer von CD30 sind im Serum nachweisbar und werden als Marker für einen CD30-positiven Tumor oder für die Krankheitsaktivität bei einigen Autoimmunerkrankungen interpretiert [9–11].
Die Expression von CD30 auf normalen Zellen beschränkt sich auf die lymphatische Reihe. Knockout-Mäuse zeigen Defekte der sekundären humoralen Immunantwort, was zu dem Konzept passen würde, dass die Expression des Antigens für die maximale Aktivierung der B-Lymphozyten erforderlich ist. Da es aber auf B- ebenso wie auf T-Zellen vorkommt, ist es schwierig, die Rolle in den beiden Zelltypen voneinander zu trennen [7, 12].
Der CD30-Rezeptor steht am Anfang einer intrazellulären Signalkette, deren zentrale Schaltstelle der Transkriptionsfaktor NF-κB ist. CD30 besitzt selbst keine Kinasedomäne, aber nach Ligandenbindung und Trimerisierung rekrutiert das C-terminale zytoplasmatische Ende weitere TNF-Rezeptor-assoziierte Proteine (TRAF), die in einer Signalkaskade die Aktivierung von NF-κB anstoßen (Abb. 1).