Mit rund 240.000 Neuerkrankungen jährlich ist Hautkrebs die häufigste Krebserkrankung in Deutschland, Tendenz steigend. An erster Stelle steht das Basalzellkarzinom mit jährlich rund 140.000 Fällen, gefolgt vom kutanen Plattenepithelkarzinom mit rund 70.000 Neuerkrankungen und dem malignen Melanom mit rund 28.000 Fällen. In den letzten Jahren hat es bahnbrechende Therapiefortschritte für Hauttumoren gegeben, speziell beim Melanom und dort vor allem in fortgeschrittenen Stadien. Diese neuen Entwicklungen setzen sich unvermindert fort und betreffen nicht mehr nur das Melanom, wo zunehmend auch frühere Therapielinien erobert werden, sondern auch andere Tumorentitäten wie etwa kutane Plattenepithelkarzinome. Beim 30. Deutschen Hautkrebskongress, der vom 9. bis 12. September 2020 unter der Tagungspräsidentschaft von Prof. Dr. med. Erwin Schultz, Nürnberg, und der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Carola Berking, Erlangen, erstmals rein virtuell stattfand, wurden aktuelle Behandlungsstrategien und Neuigkeiten zur Diagnostik vorgestellt.
Melanom – Immuntherapie, zielgerichtete Therapie ...
Die Behandlung des metastasierten malignen Melanoms hat im vergangenen Jahrzehnt rasante Fortschritte gemacht. Noch vor etwa 10 Jahren konnten die Patienten nur mit Chemotherapie behandelt werden, die aber nicht besonders effektiv war. Die mediane Überlebenszeit lag bei etwa 8 Monaten. Anstelle der kaum wirksamen Zytostatika sind heute zielgerichtete Arzneistoffe – mit Vemurafenib/Cobimetinib, Dabrafenib/Trametinib und Encorafenib/Binimetinib sind heute drei Kombinationen aus BRAF- und MEK-Inhibitoren im Einsatz – und immunologisch wirksame Substanzen wie PD1- und CTLA4-Antikörper die Therapieoptionen der Wahl. So ist etwa die Immuncheckpoint-Blockade mit PD-1- und CTLA4-Antikörpern in der Therapie des metastasierten Melanoms fest etabliert, und die mittlerweile vorliegenden 5-Jahres-Überlebensdaten aus klinischen Studien zeigen, dass 40–50 % der damit behandelten Patienten langfristig profitieren. Insgesamt liegt heute das mediane Überleben für Patienten mit metastasiertem Melanom bei zwei bis drei Jahren und die Chancen auf Heilung sind enorm gestiegen. Allerdings gibt es aber noch Raum zur Verbesserung, da weiterhin viele Patienten nicht auf diese Therapien ansprechen.
... oder beides?
Um weitere Fortschritte zu erzielen, gibt es Bestrebungen, zielgerichtete und Immuntherapien bei Patienten mit
BRAF-mutiertem Melanom miteinander zu kombinieren. So soll das Beste aus beiden Welten vereint werden. Kombinationstherapien werden voraussichtlich die Überlebenschancen für Melanompatienten, zumindest für die mit BRAF-Mutation, in Zukunft noch weiter verbessern, etwa durch die Kombination aus BRAF-/MEK-Inhibition mit einem Checkpoint-Inhibitor als Kombination aus drei Medikamenten. Wie Tagungspräsident Schultz berichtete, wird beispielsweise derzeit in einer Phase-III-Studie die Kombination aus Dabrafenib und Trametinib zusammen mit dem PD1-Antikörper Spartalizumab evaluiert. Bisherige Daten zeigen laut Schultz eine hohe Ansprechrate im Bereich von 70 %. Auch Patienten mit hohem LDH-Wert sprachen auf die Behandlung an, was nahelegt, dass auch Hautkrebspatienten mit hoher Tumorlast und einer entsprechend schlechten Pro-gnose von dieser Behandlung profitieren könnten.
Die Nebenwirkungsrate dieser intensiven Therapie ist laut Schultz allerdings nicht unerheblich, sodass die Behandlung nicht für alle Patienten infrage kommt.
Daneben wird der sequentielle Einsatz von zielgerichteten und Immuntherapien getestet – beispielsweise als kurze Anfangsphase mit einem BRAF-/MEK-Inhibitor, gefolgt von Immuntherapie und im Falle eines Progresses dann Reexposition mit einem BRAF-/MEK-Inhibitor. Es ist aber noch umstritten, wann, in welcher Sequenz und wie lange die jeweiligen Therapien eingesetzt werden sollen.
Hoffnung auch für das NRAS-mutierte Melanom?
Es deutet sich an, dass es in Zukunft möglicherweise auch eine zielgerichtete Therapie für Patienten mit NRAS-mutiertem fortgeschrittenem Melanom geben könnte. Wie eine Würzburger Arbeitsgruppe (C. Adam et al.) beim ADO-Kongress berichtete, führt eine somatische Mutation nicht nur im BRAF-Gen, sondern auch im Gen für das Onkogen NRAS zur unkontrollierten Aktivierung der MEK/ERK‐Mitogen‐aktivierten Proteinkinase(MAPK)‐Kaskade. Trotz der Verfügbarkeit neuartiger Immuntherapien sind zielgerichtete Therapieansätze, die auf Hemmung des ERK-MAPK-Signalwegs abzielen, zwar eine wichtige Behandlungsoption für BRAF‐mutierte Melanome, von der allerdings NRAS-mutierte bislang nicht profitieren. Der Grund dafür ist nicht nur in einem fehlenden Angriffspunkt für BRAF-Inhibitoren zu suchen, sondern auch in einem hohen Maß an intrinsischer und erworbener Resistenz gegenüber einer MEK‐Hemmung.
Die Würzburger Wissenschaftler konnten nun zeigen, dass eine gleichzeitige Hemmung des Proteins ERK5 diese Einschränkung wirksam aufhebt und NRAS‐mutierte Melanomzellen für eine den ERK-MAPK‐Signalweg hemmende zielgerichtete Therapie sensibilisiert. Diese und weitere Ergebnisse der Forscher, die sie in vitro und im Mausmodell durchführten, legen nahe, dass eine Kombinationstherapie mit pharmakologischen MEK- und ERK5-Inhibitoren eine dringend benötigte neuartige Behandlungsoption für das NRAS‐mutierte Melanom darstellen könnte.