Serie "Vom Biomarker zur Therapie": Mikrosatelliteninstabilität (MSI)
MSI-H, das Kürzel für eine hohe Mikrosatelliteninstabilität, ist ein Biomarker, der uns in den letzten Jahren immer häufiger begegnet und dessen Testung nun auch Voraussetzung für den Einsatz verschiedener Immuncheckpoint-Inhibitoren bei zwei soliden Tumoren ist. Um was es bei der Testung auf eine mögliche MSI-H eigentlich geht, ist eine zugrundeliegende Mismatch-Reparatur-Defizienz (dMMR). Bei Tumoren mit dMMR funktioniert die Korrektur von Basen, die bei der Replikation falsch in DNA-Stränge eingebaut wurden („Mismatch“), durch bestimmte Reparaturproteine nicht. Aufgrund von Mutationen in den Mismatch-Reparatur-Genen ist die DNA-Reparatur bei diesen Tumoren deutlich reduziert. Einen Hinweis auf einen solchen Gendefekt im DNA-Reparatursystem liefert die Mikrosatelliteninstabilität. MSI-H ist damit ein Biomarker für dMMR und ein Hinweis auf eine Hypermutabilität der Tumorzellen. MSI-H/dMMR-Tumoren haben eine höhere Mutationslast und eine höhere Expression von Neoantigenen auf der Oberfläche der Tumorzellen, die vom Immunsystem erkannt werden können. Außerdem exprimieren MSI-H-Tumor-assoziierte Makrophagen vermehrt Immuncheckpoint-Moleküle. Dies prädestiniert MSI-H/dMMR-Tumoren für eine Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren.Am häufigsten treten Tumoren mit MSI-H und dMMR beim kolorektalen Karzinom (CRC), Endometrium- und Magenkarzinom auf. Aktuell in Europa zugelassen sind Pembrolizumab sowie Nivolumab und Ipilimumab beim metastasierten MSI-H/dMMR CRC. Des Weiteren ist Dostarlimab beim fortgeschrittenen MSI-H/dMMR Endometriumkarzinom zugelassen. Nachdem über viele Jahre die MSI-Analyse vor allem zur Diagnostik des Lynch-Syndroms, des häufigsten erblichen Darmkrebssyndroms, durchgeführt wurde, wird die Identifikation von MSI-H als prädiktiver Marker für die Effektivität einer Immuncheckpoint-Blockade immer wichtiger – ein Grund für uns, die 13. Folge unserer Biomarker-Serie der Diagnostik und der klinischen Relevanz von MSI-H/dMMR zu widmen.
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Mikrosatelliten, auch short tandem repeats (STRs) genannt, sind kurze DNA-Sequenzen, die über das gesamte Genom verstreut sind und aus sich wiederholenden Sequenzen bestehen. Die häufigsten und klinisch relevantesten Mikrosatelliten sind Mononukleotid-Repeats, die aus der Wiederholung einzelner Basen bestehen (sog. Homopolymer-Sequenzen). Bei ihnen kommt es während der DNA-Replikation besonders häufig zu Basenfehlpaarungen (Mismatches), die zu Insertionen und Deletionen von Basen führen, wenn sie nicht repariert werden.
Verantwortlich für die Korrektur solcher Fehler bei der DNA-Replikation sind Mismatch-Reparatur (MMR)-Proteine. Defekte MMR-Gene, die für die DNA-Reparatur-Proteine kodieren, führen zu einem Verlust der MMR-Proteinaktivität und zu einer defekten Mismatch-Reparatur (dMMR). Folge ist eine hohe Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H). Diese zeichnet sich durch Längenalterationen in diesen Sequenzen in der Tumor-DNA aus.
Defekte der DNA-Mismatch-Reparatur können entweder durch Keimbahnmutationen in den MMR-Genen MLH1, MSH2, MSH6 und PMS2 (Lynch-Syndrom) [1, 2] oder durch spontane somatische Veränderungen entstehen. Dabei handelt es sich meist um epigenetische Veränderungen, v. a. um eine Hypermethylierung der Promotorregion des MLH1-Gens (epigenetic silencing) [3].
Es kommt nur selten vor, dass dMMR und MSI-H nicht gemeinsam auftreten; beispielsweise scheint eine durch eine Mutation des MSH6-Gens verursachte dMMR zu einer geringer ausgeprägten MSI zu führen. Umgekehrt findet sich in seltenen Fällen bei MSI-H-Tumoren kein Ausfall eines der bekannten Proteine [4]. Tumoren, die keine dMMR aufweisen, zeigen typischerweise eine Mikrosatellitenstabilität (MSS) bzw. eine geringe Mikrosatelliteninstabilität (MSI-Low/MSI-L). Beim kolorektalen Karzinom (CRC) sowie beim Endometrium- und Magenkarzinom unterscheiden sich diese beiden Typen (MSS und MSI-L) kaum [5, 6], sodass sich das klinische Management von MSI-L-Tumoren nicht von dem bei MSS-Tumoren unterscheidet.
Bei Personen mit einer Keimbahnmutation in einem der vier MMR-Gene spricht man vom Lynch-Syndrom. Es ist das häufigste erbliche Darmkrebssyndrom, das mit erhöhtem Risiko nicht nur für Darmkrebs, sondern auch für verschiedene andere Krebserkrankungen einhergeht. Die Betroffenen können das klinische Bild eines nicht-polypösen Kolonkarzinoms (Hereditäres Nicht Polypöses Kolonkarzinom (HNPCC)) entwickeln, zu dem auch Endometrium-, Magen- und seltener andere Karzinome gehören [7]. Die Tumoren von Lynch-Syndrom-Anlageträgern sind nahezu immer hochgradig mikrosatelliteninstabil.
Prävalenz von MSI-H/dMMR
MSI-H/dMMR/ findet sich bei vielen Tumorentitäten mit verschiedenen Häufigkeiten. Tumoren, bei denen MSI-H besonders häufig auftritt, sind das kolorektale Karzinom, das Endometrium- und das Magenkarzinom (Abb. 1). Insgesamt weisen etwa 2–4 % aller diagnostizierten Tumoren eine dMMR auf [8, 9].