Expertenkonsensus: Praktische Aspekte zum Eisenmanagement in der Onkologie
Die Rolle des Eisenmangels bei onkologischen Patienten findet nach wie vor zu wenig Beachtung im klinischen Alltag. Experten aus Onkologie, Gynäkologischer Onkologie und Strahlentherapie fanden sich zusammen, um unterschiedliche Erfahrungen und Sichtweisen in der Diagnostik und Therapie des Eisenmangels austauschen. Ziel des Meetings war es, praxisnahe Empfehlungen für das Management des Eisenmangels bei onkologischen Patienten zu erarbeiten. An dem Meeting nahmen Prof. Dr. med. Ch. Thomssen, Halle/Saale, Prof. Dr. med. P. Feyer, Berlin, R. Musch, Berlin, Prof. Dr. med. A. Rody, Lübeck, und Prof. Dr. med. D. Bauerschlag, Kiel, teil.
Eisenstoffwechsel, Eisenmangel, Anämie, Differentialdiagnostik, Hepcidin, intravenöse Eisentherapie
Eisenmangel ist der häufigste Grund für die Entstehung einer Tumoranämie, einer multifaktoriell bedingten Komplikation bei Tumorpatienten, die im onkologischen Alltag häufig beobachtet wird. Die Anämie geht bei Krebspatienten oft mit einer Verschlechterung der Prognose einher, da die Therapie möglicherweise nicht in der vollen wirksamen Dosis verabreicht werden kann. Zudem beeinträchtigt das mit der Anämie vergesellschafte Fatigue-Syndrom die Lebensqualität.
Man muss sich jedoch bewusst sein, dass Eisenmangel nicht mit Anämie gleichzusetzen ist, denn beide können sowohl gemeinsam als auch unabhängig voneinander auftreten. Der frühzeitigen Diagnose und raschen Korrektur eines Eisenmangels kommen bei Krebspatienten eine Schlüsselrolle zu [1–3].
Physiologie des Eisenstoffwechsels
Eisen gehört zu den essentiellen Spurenelementen und spielt beim Sauerstofftransport (Hämoglobin, Myoglobin) und beim Elektronentransport in den Mitochondrien eine zentrale Rolle. Deshalb ist ein ausreichendes Eisenangebot für den Zellstoffwechsel lebensnotwendig. Den höchsten Eisenbedarf haben Zellen der erythropoetischen Reihe in der Phase der Hämoglobinsynthese [1].
Aufnahme von Eisen im Darm
Die Eisenresorption im Körper erfolgt überwiegend im Duodenum. Es wird aus dem Darmlumen in zweiwertiger Form als Fe2+ oder als Häm-gebundenes Eisen in die Enterozyten transportiert. Da Eisen aus der Nahrung meist als dreiwertiges Eisen (Fe3+) vorliegt, wird es mithilfe einer Reduktase an den lumenseitigen Zotten der Mukosazellen in zweiwertiges Eisen Fe2+ reduziert. Dieses nutzt den DMT-1-Transporter (Divalent metal Transporter 1), um in die Enterozyten einzudringen.
Das Häm-Eisen hingegen gelangt über einen Häm-Rezeptor (HCP1, Heme Carrier Protein 1) in die Darmmukosazelle, wo das Fe2+ vom Porphyrinring abgespalten und an Mobilferrin in der Zelle für die weitere Verwendung zwischengespeichert wird [1].
Die Abgabe des zweiwertigen Eisens in das Blutplasma erfolgt über den Membran-Transporter Ferroportin. Dabei wird es erneut in die Fe3+-Form oxidiert, damit es an Transferrin gebunden und im Blut transportiert werden kann. Zielzellen sind eisenspeichernde Zellen in Leber und Milz. Die Zielzellen binden das Transferrin über den Transferrin-Rezeptor an der Zellaußenseite und nehmen den Eisen-Protein-Komplex via Endozytose auf. Als Eisenspeichermoleküle dienen das Protein Ferritin, dessen Abbauprodukt Hämosiderin und der Eisentransporter im Blut, das Transferrin (Transportprotein) [1].
Rolle von Hepcidin bei der Regulation der Eisenaufnahme
Der Eisenhaushalt wird im Wesentlichen über die intestinale Aufnahme geregelt. Die Abgabe von Eisen unterliegt keiner spezifischen Steuerung, Eisenverluste erfolgen vor allem durch Blutungen. In der Regulation nimmt das in der Leber gebildete Peptidhormon Hepcidin eine zentrale Rolle ein (Abb. 1) [4–7].