In dieser Ausgabe von Trillium Krebsmedizin widmen wir uns schwerpunktmäßig dem Thema „Zerebrale Onkologie". Dieses Thema ist ein wirklich drängendes, denn intrakranielle Tumoren – primäre Hirntumoren ebenso wie zerebrale Metastasen als Folge einer fortgeschrittenen Tumorerkrankung – sind mit einer sehr ungünstigen Prognose für die Patienten assoziiert. Es besteht ein hoher Bedarf an neuen Therapieoptionen, damit die Chancen für die Patienten mittelfristig besser werden und ihre Lebensqualität möglichst lange erhalten bleiben kann.
Hoffnung für die Zukunft versprechen neue Diagnose- und Behandlungsansätze, die möglicherweise zu einer Verbesserung des Outcomes beitragen könnten. Dabei spielen molekulare Erkenntnisse, die zunehmend in die Therapieentscheidung einfließen, eine immer bedeutendere Rolle.
Dr. Katrin Mauch-Mücke, Dr. Sandra Pohl und Prof. Markus J. Riemenschneider von der Abteilung für Neuropathologie des Universitätsklinikums Regensburg widmen sich in ihrem Beitrag der neuropathologischen Diagnostik von Hirntumoren, die in jüngster Zeit eine rasante Entwicklung erfahren hat. Während vor wenigen Jahren Hirntumordiagnosen ausschließlich histologisch und immunhistochemisch gestellt wurden, wurde bereits mit der WHO-Klassifikation aus dem Jahr 2016 ein Paradigmenwechsel eingeläutet – insofern, als erstmals molekulare Informationen in die Tumorklassifikation einbezogen wurden.
Dieser Trend hat sich in der aktuellen WHO-Klassifikation von 2021 weiter verstärkt und dazu beigetragen, dass zahlreiche Tumorentitäten neu zugeschnitten wurden. Dank der Technik der DNA-Methylierungsarrays und der Entwicklung des Heidelberger Hirntumor-Classifiers wurden außerdem neue Tumorentitäten eingeführt.
Darüber hinaus wurden die Tumorklassifikationen komplexer. Speziell bei pädiatrischen Hirntumoren wurden Subtypen definiert, die sich teilweise prognostisch gravierend voneinander unterscheiden, aber nur noch durch den Einsatz von Methylierungsarrays oder Next Generation Sequencing (NGS) voneinander abgrenzbar sind. Der klinische Nutzen dieses erhöhten diagnostischen Aufwandes liegt auf der Hand.
Die molekular-neuropathologische Diagnostik wird auch im Hinblick auf die Vorhersage des Therapieansprechens immer bedeutsamer. Qualitätskontrolliert durchgeführte und wissenschaftlich eng begleitete molekulare neuroonkologische Tumorboards stellen einen vielversprechenden Ansatzpunkt dar, um in der Zukunft innovative personalisierte Therapiepfade zu schaffen.
Das Glioblastom ist der häufigste und zugleich aggressivste primäre Hirntumor bei Erwachsenen, der bis heute nicht geheilt werden kann. Wie Prof. Michael Weller von der Klinik für Neurologie am Universitätsspital Zürich, Schweiz, berichtet, werden Glioblastome gemäß der neuen WHO-Klassifikation 2021 heute ausschließlich als Tumoren ohne Isozitratdehydrogenase(IDH)-Mutation definiert, wobei auf der Basis molekularer Testungen eine Einteilung in differenziertere molekulare Subgruppen möglich ist. Dies erlaubt eine bessere Abschätzung der Prognose und macht außerdem gezieltere Behandlungen möglich.
Doch die pharmakologische Therapie von Patienten mit Glioblastomen ist und bleibt auf absehbare Zeit eine Herausforderung. Um die Prognose dieser Hirntumoren durch systemische Therapien zu verbessern, müssen vielfältige Probleme gelöst werden. Dazu gehört, gehirnspezifische Immuncheckpoints für eine zukünftige Immuntherapie zu identifizieren. Es hatte sich gezeigt, dass die Inhibition üblicher Checkpoints, wie sie von der Behandlung anderer solider Tumor-erkrankungen bekannt ist, im Gehirn eine stumpfe Waffe ist. Eine weitere Herausforderung liegt darin, die immunsuppressive Tumor-Mikroumgebung zu überwinden. Dies ist bisher in klinisch relevantem Umfang noch nicht gelungen.
Auch zielgerichtete Therapien, die ein spezifisches Target adressieren, blieben beim Glioblastom bislang überwiegend erfolglos. Neben der intratumoralen Heterogenität der Tumoren schlägt hier erschwerend zu Buche, dass die Zielstrukturen wegen der Blut-Hirn-Schranke nicht ausreichend erreicht werden können. Aufgrund vielfältiger Kompensationsmechanismen reicht die Blockade eines einzigen onkogenen Pathways beim Glioblastom außerdem vermutlich nicht aus, um eine nennenswerte Aktivität zu erreichen – ein weiteres bislang ungelöstes Problemfeld.
Auch die Einteilung und die Therapie maligner Astrozytome haben sich durch die Revision der WHO-Klassifikation 2021 merklich verändert, wie Prof. Michael Sabel vom Zentrum für Neuroonkologie der Neurochirurgischen Klinik des Universitätsklinikums Düsseldorf in seinem Beitrag berichtet.
So umfasst etwa die Diagnose des IDH-mutierten Astrozytoms vom WHO-Grad 4 nun Tumoren, die vorher teilweise als IDH-mutierte Glioblastome klassifiziert wurden. Da die Definition eines Glioblastoms künftig die Abwesenheit einer IDH-Mutation voraussetzt, werden diffuse Astrozytome vom IDH-Wildtyp – vorausgesetzt, sie erfüllen bestimmte Kriterien – nunmehr als Glioblastom diagnostiziert.
Die bisher geltenden Behandlungsstrategien werden sicher teilweise auf die neuen Entitäten übertragbar sein. Wie weit diese Entsprechungen aber gehen, ist nicht endgültig abschätzbar.
Unter den intrakraniellen Tumoren bei Erwachsenen stellen zerebrale Metastasen als häufige neurologische Komplikation systemischer Krebserkrankungen den größten Anteil – deutlich vor primären Hirntumoren. Das Auftreten von Hirnmetastasen bedeutet nach wie vor einen harten Einschnitt im Erkrankungsverlauf von Krebspatienten und geht allgemein mit einer ungünstigen Prognose einher. Zerebrale Filiae treten besonders häufig im Zusammanhang mit weit fortgeschrittenen Stadien des Lungen- und Mammakarzinoms sowie des malignen Melanoms auf.
Als Behandlungsoptionen kommen neben chirurgischen und strahlentherapeutischen Ansätzen systemische Therapiestrategien infrage. Problematisch dabei ist allerdings, dass die meisten Zytostatika nicht in der Lage sind, die Blut-Hirn-Schranke zu passieren und daher intrakraniell nicht wirksam sind. Es gibt allerdings Hoffnung: In jüngster Zeit haben verschiedene zielgerichtete sowie immunonkologische Behandlungsmöglichkeiten in kontrollierten Studien eine Wirksamkeit bei Patienten mit zerebralen Metastasen zeigen können, sodass eine bessere Tumorkontrolle zusammen mit einem Überlebensvorteil möglich wurde.
Diese innovativen Ansätze haben das therapeutische Armamentarium zur Behandlung von Hirnmetastasen erweitert und versprechen weitere positive Entwicklungen für die Zukunft. Erleichternd kommt in diesem Kontext dazu, dass Patienten mit Hirnmetastasen endlich zunehmend in randomisierte, kontrollierte Studien eingeschlossen werden, sodass eine evidenzbasierte Prüfung von Substanzen auch bei dieser Patientengruppe möglich wird. Dennoch besteht im Hinblick auf die Behandlung von Hirnmetastasen weiterhin ein hoher Bedarf an Substanzen mit robuster und anhaltender Wirksamkeit.
Abschließend möchte ich erneut aufunsere erfolgreiche Serie „Vom Biomarker zur Therapie" hinweisen, von der in dieser Ausgabe bereits die 16. Folge erscheint. Dieses Mal geht es um den prädiktiven Biomarker c-MET, der vor allem beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) eine zunehmend wichtige Rolle spielt.